Aus Solidarität mit Rojava: Demo gegen Rüstungsfirma Diehl in Überlingen
Überlingen ist manchen eine Reise wert. Mit seinen Kulturdenkmälern, der malerischen Altstadt und einer mediterran anmutenden Uferpromenade zieht das Städtchen am Nordufer des Sees Jahr für Jahr viele BesucherInnen an. Kaum jemand weiß, dass der 23.000-Einwohner-Ort eine düstere Seite hat. Denn in der Tourismus-Idylle ist mit Diehl Defence ein Rüstungskonzern Arbeitgeber Nummer eins, der High-Tech-Waffen vom Tödlichsten herstellt. Mit einer Demonstration wollen am 14.12. internationalistische, antimilitaristische und antifaschistische Gruppen aus der Region gegen die Geschäfte mit dem Tod protestieren. Aktueller Anlass für die Aktion ist der Angriffskrieg, den das Erdogan-Regime gegen Rojava führt.
Seit Anfang Oktober wütet türkisches Militär, aufgestockt um dschihadistische Terrorgruppen, in der nordsyrischen Region südlich der türkischen Grenze. Zuletzt fielen am 2.12. im Dorf Tel Rifat acht Kinder zwischen drei und 15 Jahren sowie zwei Erwachsene türkischem Artilleriefeuer zum Opfer. Die Schreckensbilanz des gezielt gegen die Zivilbevölkerung geführten Feldzugs bisher: 300.000 aus ihrer Heimat vertriebene, mehrere hundert getötete und tausende verletzte BewohnerInnen.
Der Autokrat Erdogan will mit der völkerrechtswidrigen Invasion seine innenpolitische Position festigen, die angestrebte Vormachtstellung im Nahen Osten voranbringen und nicht zuletzt die demokratischen Selbstverwaltungsprojekte vernichten, die dort von KurdInnen und anderen Ethnien seit 2012 unter widrigsten Umständen erfolgreich aufgebaut werden.
Immer mit dabei, wenn das türkische Regime seine Armee in Marsch setzt: Waffen und anderes Kriegsgerät Made in Germany, das auch aus der Rüstungsregion Bodensee an die Türkei geliefert wird, ebenso wie an andere Diktaturen weltweit.
„Partner internationaler Streitkräfte“
Zu den ersten Adressen dieser am See ansässigen Waffenschmieden gehört die Diehl Defence GmbH & Co. KG, die ihren Hauptsitz in Überlingen hat. Sie ist seit 2017 „Führungsgesellschaft“ für das Militärgeschäft, mit dem die international operierende Diehl-Gruppe letztes Jahr einen Jahresumsatz von rund 460 Millionen Euro erzielte. Bundesweit unterhält Diehl Defence 14 weitere Niederlassungen und steuert zudem verschiedene Programm- und Beteiligungsgesellschaften. Auch international ist man präsent, unter anderem in den Vereinigten Arabischen Emiraten, im Herzen jener von Kriegen zerrissenen Region, die Waffendealern besonders fette Geschäfte verheißt.
Im Programm hat das Unternehmen vor allem Lenkflugkörper für alle Waffengattungen, „intelligente“ Munition sowie Aufklärungs- und Schutzsysteme. Daneben befasst es sich auch mit der Ausrüstung, Instandsetzung und Modernisierung von Militärfahrzeugen. Zudem werden Teilprodukte gefertigt, etwa für Eurofighter und Tornado, diverse Militärhubschrauber oder militärische Fahrzeuge wie der Schützenpanzer Puma.
Der Konzern brüstet sich damit, als „Partner der Bundeswehr und zahlreicher internationaler Streitkräfte“ High-Tech-Ausrüstung „in den Bereichen bodengebundene Luftverteidigung, Lenkflugkörper, Munition, Trainings- und Schutzsysteme“ zu entwickeln und zu liefern [1]. Die türkische Marine etwa verfügt über Lenkflugkörper-Waffenanlagen aus dem Hause Diehl. Über das wirkliche Ausmaß von Waffendeals mit diktatorisch regierten Staaten schweigt man sich aus guten Gründen natürlich diskret aus. Zu den Auslandsaktivitäten von Diehl Defence schrieb die Initiative „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ 2014: „Über Gemeinschaftsunternehmen und andere Kooperationen mit Rüstungsunternehmen u. a. in den USA, Frankreich, Israel und Südafrika werden Erzeugnisse von Diehl in andere Länder exportiert, ohne dass sie einer Genehmigung bedürfen und in der deutschen Rüstungsexportstatistik auftauchen.“
So gehört zu den wichtigen Kunden etwa die US-Armee, über die Diehl-Erzeugnisse an die Kombattanten auf zahlreichen Kriegsschauplätzen gelangen dürften. Direkt profitiert Diehl mit der Herstellung von Panzerketten im Werk in Remscheid unter anderem für den Leopard-2 – bekanntlich einer der Exportschlager der deutschen Waffenindustrie, der auch jetzt wieder bei Erdogans Krieg in Rojava zum Einsatz kommt (siehe Foto). Schon 2010 hatte ein Unternehmens-Sprecher im Gespräch mit dem Südkurier zu Protokoll gegeben: „Die Türkei ist für uns ein wichtiges Zukunftsland“ [2]. Und so unterhält man selbstredend weiter Vertriebskontakte zu dem faschistischen Regime.
Blutige Geschäfte beenden
Auf Initiative des Konstanzer Rojava-Bündnisses, das in den vergangenen Monaten beharrlich den Protest gegen den Vernichtungsfeldzug Erdogans wachgehalten hat, fanden sich nun verschiedene Organisationen und Initiativen aus dem linken Spektrum zusammen, um gegen die Rüstungsexportgeschäfte der deutschen Waffenindustrie mobil zu machen. Am 14. Dezember wollen die InitiatorInnen, darunter neben dem Solidaritätsbündnis Rojava der Verein Keine Waffen vom Bodensee e.V., das Offene antifaschistische Treffen und die Linksjugend, vor dem Werksgelände von Diehl Defence für ein Ende der blutigen Geschäfte demonstrieren, von denen rund um den Bodensee etliche Unternehmen profitieren.
In ihrem Demoaufruf schreiben sie:
Die Bodenseeregion ist vielen als Urlaubs- und Kurort bekannt, während die blutige Seite häufig vergessen wird: Rund 20 Rüstungsfirmen haben sich rund um den Bodensee angesiedelt und verdienen hunderte Millionen Euro im Jahr mit dem Entsenden von Waffen in alle Welt. Darunter lässt sich auch die Firma „Diehl Defence“ mit Sitz in Überlingen finden, zu deren wichtigsten Handelspartnern die Türkei zählt (…)
In Rojava herrscht Krieg, mit dem Ziel einer ethnischen Säuberung und der Vernichtung der Revolution, die tausenden Menschen das Leben kosten wird. Der deutsche Staat sowie auch deutsche Rüstungsfirmen wie Diehl Defence ziehen sich dabei völlig aus der Verantwortung, obwohl sie die massive Aufrüstung der Türkei und damit auch die Aufrüstung dschihadistischer Mordbanden in Syrien erst ermöglicht haben.
Es gilt, Solidarität mit den Menschen in Rojava zu zeigen sowie die Revolution und ihre Errungenschaften zu verteidigen. Wir rufen deshalb dazu auf, sich der Demonstration am 14.12. in Überlingen anzuschließen, um gegen den Krieg in Rojava und das Unternehmen Diehl Defence zu demonstrieren, das mit einem Umsatz von 470 Millionen Euro im Jahr den türkischen Faschismus und damit auch den Krieg in Rojava befeuert. Wir dürfen das nicht unwidersprochen hinnehmen!
J. Geiger
Bild: Die Dschihadistische Terrormiliz Jaish al-Islam rückt in Nordsyrien Anfang November unter dem Schutz von Leopard-2-Panzern gemeinsam mit der türkischen Armee vor (Quelle: ANF News).
Wann? Samstag, 14. 12. 2019, 14.00 Uhr. Wo? Überlingen, Auftakt: Alte Nußdorferstr 36, Abschlußkundgebung: Ecke Münsterstraße/Hafenstraße
Anmerkungen
[1] https://www.diehl.com/defence/de/presse-und-medien/news/verteidigungsgeschaeft-unter-einem-dach/
[2] https://www.waffenvombodensee.com/diehl-uberlingen-eine-firma-geht-uber-leichen2/
War ist over – If you want it. So lautete die Neujahrsbotschaft von John Lennon und Yoko Ono zu Weihnachten 1969 und es wäre ein deutlicher Fortschritt für Umweltschutz, wenn neben den Fridays for Future (FfF) auch alle anderen Future´s diesen Sinnspruch auf ihrem Smartphone als Hintergrundbild verwenden und danach handeln würden.
Im April und Mai 2020, also wenn zum Zeitpunkt der Überlinger Landesgartenschau alle Kraft durch Freude Genusssüchtigen auf das kulinarische Dauer-Jahresevent treffen, findet im Baltikum, in Polen und Georgien eine der größten Kriegsübungen seit Kriegsende, für Landstreitkräfte, statt. Das vom US-Heereskommando Europa in Wiesbaden-Erbenheim gelenkte Kriegsgeschehen soll unter Beteiligung der Bundeswehr, um den 8. Mai 2020, also dem 75. Jahrestag des Sieges über den Hitlerfaschismus, stattfinden.
Deutschland ist Logistik zentrale für den Transport von 33.000 Rüstungsgütern, Basis für Operationen, Kampfunterstützung und Führung. Mit Polen und Litauen. Außer in der Luft und auf Straßen sollen Material und Soldaten auch auf Binnenschiffen und Schienen transportiert werden, mit der Folge, dass es bei der Bahn und den Straßen zu noch mehr Störungen und Verspätungen kommt.
Gleichzeitig werden A. Kramp-Karrenbauer als Kriegsministerin, ihre Grünen und CDU-Kameradschaften für die Wiedereinführung der Dienstpflicht werben, damit die heutigen FfF statt zu demonstrieren, an Gefechtsübungen, zivilen Hilfsdiensten und Pflegeleistungen bis nahe der russischen Grenze teilnehmen.
Nun bleibt nur noch, die ökologischen Folgeschäden durch den Einsatz von „scharfer“, vermutlich auch uranhaltiger Munition, für Natur Landschaft und Landwirtschaft zu betrachten, um der FfF-Forderung ein „Nie wieder Krieg“ oder „War is over – If you want it“ hinzu zufügen.
@ C. Kittsteiner
Ich vermute mal der Text auf der Homepage soll eine Anspielung auf das lat. Sprichwort Si vis pacem para bellum (Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor) sein.
„Bleibt also nur: Rüstungskonversion mit denselben Arbeitsplätzen! Was spricht dagegen?“
Theoretisch nichts, praktisch so einiges. Ein Unternehmen muss zunächst neue Zivile Produkte entwickeln. Es muss mit diesen Produkten auf den Markt drängen und sich gegen Konkurrenten, welche schon länger auf dem Markt sind, durchsetzen. Solch ein Transformationsprozess würde Jahre dauern und sicherlich einige Arbeitsplätze kosten. Solch ein kompletter Wechsel des Produktportfolios birgt nicht zu Letzt auch das Risiko komplett zu scheitern.
Viel mehr als die Rüstungsindustrie zu verteufeln, wäre die Politik gefragt dafür zu sorgen, dass die Waffen nicht in die falschen Hände gelangen. Bei der Vergabe von Rüstungsexporten sehe ich eher das Problem.
Homepage-Text der Waffenfabrik Diehl Defence:
„Wir sehnen uns nach Frieden und Sicherheit.“
Ich vermute, dass der Verfasser dieses Satzes inzwischen wegen schwerer Geschäftsschädigung entlassen worden ist. Denn was gibt es Schlimmeres für eine Bombenfabrik als „Frieden“!
Frieden ‚vernichtet‘ Arbeitsplätze, Profit und illustre Steuereinnahmen. Armes Überlingen…
Bleibt also nur: Rüstungskonversion mit denselben Arbeitsplätzen! Was spricht dagegen?
Ich finde es schon bemerkenswert, aus Solidarität für die Kurden vor einem Rüstungsunternehmen zu demonstrieren. Die Kurden wehren sich unter anderem mit deutschen Waffen gegen die türkischen Besatzer. Das die Türkei ebenfalls deutsche Waffen einsetzt ist bedauerlich. Dennoch muss man sagen, gab es auch eine Türkei vor Erdogan, die auf einem guten demokratischen Weg war und zu dieser Zeit bestanden keine bedenken, dass deutsche Waffen dort in falsche Hände kommen. Was wäre wenn, Deutschland keine Waffen geliefert hätte? Die Türkei hätte dann halt andere Panzer gekauft. Aber wer hätte den Kurden moderne Panzerabwehr geliefert? Das abschlachten wäre noch schlimmer. Aber dann könnten wir ruhiger schlafen weil es nicht unserer Waffen sind?
@ M. Oehlschlaeger
Wenn Monsanto jetzt zu Bayer gehört, sind wir also nicht mehr gegen Glyphosat. Auch da sind deutsche Arbeitsplätze betroffen.
Wenn Frau von der Leyden, sowie Frau Kramp-Knarre Europa bzw. die Bundeswehr weiter aufrüsten, verdient auch die Rüstungsindustrie am Bodensee weiterhin noch mehr.
Kriege werden für wirtschaftliche Erfolge, für Gewinne gemacht.
Ja, was soll das (Protest) bringen?
Antwort: Ächtung solcher Menschenverachtung, Protest gegen unermessliches Leid, Abscheu, Entsetzen äußern darüber, wie Menschen abstumpfen, wenn es um persönliche Bereicherung geht; den „Finger in die Wunde legen“… .
Tun ist Hoffnung und Solidarität ist das, was allen gut tut.
Antwort an M. Oehlschlaeger u.a.:
Wie man über Waffenfabriken urteilt, hängt davon ab, ob einem die Arbeitsplätze der Bombenbauer näher sind oder die Schicksale der durch diese Waffen Getöteten und die hohe Zahl (z.B. durch die SMART 155) schwerverletzter Kinder. Siehe die Diehl-Homepage mit ihrem Waffenkatalog. Dort riecht es für die Einen nach hohen Löhnen (zur Gewissensberuhigung?), fernab für die Anderen nach Tod und Flucht vor den (auch Bodensee-)Bomben.
Wer zwingt denn eine/n ArbeitnehmerIn, ausgerechnet für den Tod zu arbeiten statt für das Leben? Medizintechnik-Firmen u.a. suchen nämlich auch nach qualifizierten Arbeitnehmern.
„Wenn wir’s nicht tun, tun’s die Anderen“, welch kurzsinniger und zynischer Satz, er bedeutet ja: Wenn wir nicht Gewalt anwenden, tun’s die Anderen. Also tun wir’s weiterhin? Ethik?
Frage dazu meinerseits: Wie wär’s, wenn die ca. 20 Waffen- und Teilefabriken rund um den See als Erste anfangen aufzuhören? Und wir uns für die Umwandlung von letztlich Todesfabriken in eine humanitär verantwortbare Produktion einsetzen – mit Erhalt der gleichen Zahl von Arbeitsplätzen. Der zivile Markt ist bekanntlich groß genug. So wäre allen gedient, oder nicht?
Übernächste Gelegenheit, seine Meinung kund zu tun: Der nächste Bodensee-Ostermarsch 2020 findet in Überlingen statt.
Hier frage ich mich schon, was das bringen soll?
Soll man wirklich den anprangern der das Schwert herstellt, oder nicht vielleicht lieber den der es einsetzt? Bei allen Vorurteilen die man gegen Rüstungsunternehmen haben kann, sollte man aber auch bedenken, dass viele Menschen in der Region von diesen Unternehmen leben.
Es ist völlig egal ob in der Bodensee Region Waffen hergestellt werden oder nicht. Wenn hier keine Waffen hergestellt werden, werden sie halt wo anders von jemand anderem hergestellt.