Ausgeladene Sportler, Boykott, Spiele vor leeren Rängen

Alex Feuerherdt berichtet über weitere Behinderungen jüdischer Sportler – im Tennis, im Basketball: Ausgeladene Sportler, Boykott, Spiele vor leeren Rängen. Damit setzen wir unsere Serie über Antisemitismus im internationalen Sport fort. Teil vier und fünf folgen in wenigen Tagen.

Als sowohl der finanzielle als auch der Imageschaden bereits beträchtlich war und die Zukunft des internationalen Tennisturniers in Dubai außerdem in Frage stand, gaben dessen Organisatoren sowie die Behörden der Vereinigten Arabischen Emirate schließlich nach: Der israel­ische Tennisprofi Andy Ram erhielt doch noch ein Visum und konnte Ende Februar dieses Jahres bei den Dubai Open an den Start gehen. Seiner Landsfrau Shahar Pe’er war zuvor die Einreise in den Golfstaat verweigert worden. Die offizielle Begründung der Veranstalter vor Ort für diese Entscheidung: „Wir wollen den Sport nicht po­litisieren, aber wir müssen nach den Vorgängen in der Region sensibel sein.“ Der Gaza-Krieg bewege, so hieß es, „nach wie vor viele Menschen im Nahen Osten“. Deshalb habe Grund zu der Annahme bestanden, dass die Teilnahme der Spielerin aus dem jüdischen Staat die Fans „aufgebracht hätte“. Die Organisatoren sorgten also nicht etwa für den Schutz der Filzballkünstlerin, wie es sich gehört hätte, sondern sperrten sie stattdessen aus – einzig und allein aus dem Grund, dass sie Israelin ist. Man betrachtete Shahar Pe’er ganz selbstverständlich als politische Repräsentantin, um nicht zu sagen als Handlangerin des israelischen Staates und fragte noch nicht einmal danach, wie sie überhaupt zu dessen Politik steht. Damit will ich selbstverständlich kein Plädoyer für eine solche Gesinnungsprüfung halten, sondern vielmehr deutlich machen, welcher Denklogik hinter dem Einreiseverbot stand. Doch zu dieser Art von Logik später mehr.

Internationale Solidarität

Die Entscheidung, Shahar Pe’er kein Visum zu gewähren und damit einen Boykott gegen sie zu verhängen, stieß übrigens auf heftige Kritik. Die damalige Weltranglisten-Sechste Venus Williams beispielsweise sagte: „Alle Spielerinnen unterstützen Shahar.“ Larry Scott, der Chef der Profiorganisation der Tennisspielerinnen (WTA), schloss sich an: „Wir haben klare Regeln und eine eindeutige Politik, dass kein gastgebendes Land einem Spieler das Recht verweigern darf, an einem Turnier teilzunehmen, für das er qualifiziert ist“, sagte er. Die internationale Menschenrechtsorganisation Simon-Wiesenthal-Center forderte sogar den Abbruch der Veranstaltung und erklärte: „Wenn man Israelis aussperrt, kann man das Turnier auch gleich ‚Dubai Apartheid Open’ nennen.“

Die WTA belegte die Organisatoren schließlich mit einer Strafe von 300.000 Dollar – der höchsten Geldbuße, die sie jemals gegen eines ihrer Mitglieder verhängt hat. Darüber hinaus nannte die WTA Bedingungen dafür, dass das Turnier in Dubai auch im kommenden Jahr in den Kalender aufgenommen wird. Die Organisatoren in den Emiraten müssen Pe’er für 2010 eine Wildcard – also eine automatische Startberechtigung – gewähren und sich ver­pflichten, sämtliche qualifizierten Spielerinnen und Spieler auch tatsächlich zur Veranstaltung zuzulassen. Allen israelischen Tennisprofis muss zudem mindestens acht Wochen vor den Wettkämpfen die Einreise garantiert sein. „Wir werden nicht erlauben, dass sich diese Situation wiederholt – weder in den Vereinigten Arabischen Emiraten noch irgendwo anders auf der Welt“, sagte WTA-Boss Scott.

Zuvor hatten bereits der amerikanische Tennis Channel und die Europa-Ausgabe des Wall Street Journal Konsequenzen gezogen: Der Fernsehsender brach die Übertragung ab, und die Zeitung, ein wichtiger Sponsor des Turniers, zog ihre finanziellen Zusagen zurück. Nicht minder schwer dürfte die Veranstalter der Rückzug des Titelverteidigers bei den Männern, Andy Roddick, getroffen haben. Während es Pe’ers Kolleginnen bei mündlichen Solidaritätsadressen beließen und das Turnier in Dubai zu Ende spielten, sagte Roddick seine Teilnahme an den Wettkämpfen aus Protest ab.

„Ein Match gegen den Staat Israel“

Die Einreiseverweigerung für Shahar Pe’er blieb nicht die einzige antiisraelische Boykottaktivität im Tennis zu Beginn dieses Jahres. Auch das Tennis-Davis-Cup-Spiel zwischen Schweden und Israel in Malmö Anfang März war davon betroffen. Wochenlang hatte ein politisches Bündnis namens Stoppa Matchen (übersetzt: „Stoppt das Match“) alles daran gesetzt, die Begegnung zu verhindern. Zu den Unterstützern von Stoppa Matchen zählten die Anführer der Linkspartei, die Sozialdemokraten, der Sozialdemokratische Frauenbund, die Sozialisten und die Kommunistische Partei. Ein Teil dieser Parteien gehört der linken Mehrheit im Malmöer Stadtrat an. Und diese linke Mehrheit erklärte, man werde aus Angst vor Ausschreitungen die Davis-Cup-Spiele unter Ausschluss des Publikums durchführen. Die Begründung dafür lautete, das Sicherheitsrisiko sei viel zu groß, weil man die Sicherheit der israelischen Spieler nicht garantieren könne.

Doch das war scheinheilig. Ilmar Reepalu, sozialdemokratischer Stadtratsvorsitzender, gab denn auch einen Einblick in die eigentlichen Gründe für den Ratsbeschluss: „Meiner Meinung nach sollte man generell überhaupt nicht gegen Israel spielen“, sagte er der Tageszeitung Sydsvenskan und nannte die israelische Intervention in Gaza als Grund. Die Davis-Cup-Partie sei eine „Provokation für die in Malmö lebenden Araber“ und daher „kein gewöhnliches Match“, sondern „ein Match gegen den Staat Israel“.
Das heißt also: Als antiisraelische Demonstranten hätten die linken Stadträte das Tennisspiel am liebsten ganz verhindert, also boykottiert; als linke Stadträte haben die antiisraelischen Demonstranten dann zumindest durchgesetzt, dass die Davis-Cup-Begegnung zwischen den schwedischen und den israelischen Tennisspielern ohne Zuschauer über die Bühne gehen muss. Dabei hatte Håkan Jarborg Eriksson, der für das Match verantwortliche Einsatzleiter der Malmöer Polizei, gar keinen Grund gesehen, das Publikum auszusperren. In einem Interview hatte er deutlich gemacht: „Es hat auch früher schon geklappt, Einlasskontrollen und Kartenvorverkauf sicher zu handhaben, wenn man verhindern wollte, dass es in der Arena zu Unruhen kommt.“

Der schwedische Tennisverband sowie Politiker der konservativen und liberalen Parteien kritisierten das Vorhaben, vor leeren Rängen zu spielen, und die Tiraden gegen Israel als „völlig überzogen“. Die Vorsitzende des schwedischen Sportverbands, Karin Mattsson Weijber, sprach von einem „inakzeptablen Beschluss“. Das von einer konservativen Mehrheit regierte Stockholm erklärte seine grundsätzliche Bereitschaft, das Spiel in der Hauptstadt stattfinden zu lassen, sagte aber schließlich doch wieder ab: Die Vorbereitungszeit sei zu knapp. Der Tennis-Weltverband ITF zog es vor, zu der Angelegenheit zu schweigen.

Straßenschlachten um ein Tennisspiel

Dutzende antiisraelische Aktivisten lieferten sich dann am ersten Tag der zweitägigen Davis-Cup-Begegnung Straßenschlachten mit der Polizei beim Versuch, die verschlossene Halle zu stürmen, in der das Spiel stattfand. Die Demonstranten warfen Steine und Feuerwerkskörper auf Polizeiwagen, als sie die Absperrungen durchbrechen wollten, durch die sie von der Halle fern gehalten werden sollten. Hunderte Bereitschaftspolizisten drängten die Menge mit Hilfe von Schlagstöcken zurück. Berichten zufolge gab es keine Verletzten; fünf Personen sind laut Polizeiangaben jedoch festgenommen worden. Die Ausschreitungen brachen im Anschluss an eine Demonstration aus, die im Stadtzentrum von Malmö stattgefunden hatte. 7.000 Menschen hatten sich dort versammelt, um Reden zu hören, in denen Israels Vorgehen im Gazastreifen verurteilt und die Unterstützung der Palästinenser gefordert wurde.

Die Organisatoren hatten eine so genannte friedliche Demonstration angekündigt, doch linksradikale Aktivisten wollten das Tennisspiel unbedingt sprengen. Einige Demonstrationsteilnehmer marschierten schließlich auf die Halle zu und griffen dort die Polizei an. Die Partie zwischen Schweden und Israel begannen dennoch wie geplant vor leeren Tribünen – abgesehen von rund 300 ausgewählten Gästen, die von den beiden Tennisverbänden eingeladen worden waren. Und die israelischen Tennisprofis gaben die Antwort auf die Anfeindungen auf dem Platz: Sie gewannen das Match mit 3:2 und brachten ihre Farben erstmals seit 1987 wieder ins Daviscup-Viertelfinale. Der israelische Tennisspieler Harel Levy bemerkte anschließend trocken: „Womöglich haben die Schweden dieses Spiel verloren, weil ihnen die Unterstützung der Zuschauer fehlte. Die Umstände haben sie stärker beeinträchtigt als uns. Hoffentlich passiert so etwas nicht noch einmal.“

Das waren zwei Beispiele jüngeren Datums für Boykotte respektive Boykottaufrufe gegen israelische Sportler. Einmal ging die Initiative dabei von den Veranstaltern eines Tennisturniers aus, einmal von antiisraelischen Lokalpolitikern und Aktivisten.

Im Basketball: Aufruhr in Ankara

Zu Beginn dieses Jahres gab es aber noch einen weiteren Vorfall, und der ging auf das Konto des Publikums: Bei einem Europapokalspiel im Basketball zwischen Turk Telekom Ankara und der israelischen Mannschaft Bnei Hasharon im Januar verhinderten randalierende Zuschauer eine Austragung der Partie. Rund 3.000 türkische Anhänger riefen antiisraelische Parolen, bewarfen die israelischen Basketballer mit Feuerzeugen, Schuhen sowie Wasserflaschen und verbrannten israelische Fahnen. Die Sicherheitskräfte konnten nur mit Mühe verhindern, dass der Platz gestürmt wird. Sie räumten schließlich die Halle, vor der es zu weiteren Ausschreitungen kam. Die Spieler von Bnei Hasharon flüchteten unter Polizeischutz in die Kabine. Die Schiedsrichter wollten schließlich vor leeren Rängen die Partie beginnen, doch die Israelis verweigerten sich diesem Ansinnen.

Turk Telekom Ankara wurde später zwar mit einer Geldstrafe belegt; das Spiel jedoch wertete der internationale Basketballverband FIBA mit 20:0 gegen den israelischen Klub. Für Bnei Hasharons Vorsitzenden Eldad Akunis war diese Entscheidung ein Skandal: „Nach so einer nervenaufreibenden Tortur konnte man einfach nicht mehr spielen“, sagte er. „Die Spieler hatten Sorgen um ihre Sicherheit.“
Nicht nur in diesem Fall traf ein Sportverband eine mehr als fragwürdige Entscheidung, mit der israelische Sportler, gegen die sich antiisraelische Ressentiments entluden, auch noch bestraft wurden. Weitere und ältere Beispiele für Sportboykotte gegen Israel und für Benachteiligungen israelischer Sportler und Mannschaften finden sich vor allem im Fußball. (…Fortsetzung folgt)

Autor/In: Alex Feuerherdt