Ausstellung „An die Grenzen kommen“ mit einer Extraprise Corona
Wenn man heute durch Konstanz und Kreuzlingen lustwandelt, sind die einstigen Grenzbefestigungen nur noch bedingt zu erahnen. Doch vor dem Zweiten Weltkrieg wurde von der Schweiz wie von NS-Deutschland ein Grenzzaun gezogen, der die beiden verwachsenen Städte trennte. Der Abbau dieser Befestigungen dauert bis in die 2000er Jahre hinein an. Eine Ausstellung am Kreuzlinger Zoll arbeitet die Geschichte auf – und hat letztes Jahr durch die Grenzschließung unverhofft neues Material bekommen.
Ein bisschen lustig ist es ja schon. Da war für den Mai letzten Jahres eine historische Ausstellung am Kreuzlinger Zoll zum Thema Grenzschließung während des Zweiten Weltkriegs geplant und dann muss diese Ausstellung ausgerechnet wegen der coronabedingten Grenzschließung verschoben werden. Grund genug für die Veranstalter:innen, den historischen Teil der Ausstellung um einen – wenngleich unverhofften – aktuellen Beitrag zur Schließung der Grenze zwischen Konstanz und Kreuzlingen zu ergänzen. Der befindet sich an der Kunstgrenze hinter Klein Venedig.
Grenzzaun zwischen Schand- und Mahnmal
Der in den 1940ern errichtete Grenzzaun war dabei für viele zeitgenössische Anwohner:innen bereits ein Dorn im Auge. Er trennte nämlich zwei Städte, die zu dieser schon längst zusammengewachsen waren. Die Wohnbebauung im Grenzgebiet gibt auch heute noch direkten Aufschluss darüber, wie sehr Konstanz und Kreuzlingen zu dieser Zeit schon ineinander übergingen.
Der Zaun wurde dabei von NS-deutscher wie von schweizerischer Seite errichtet. Denn auch die Schweiz hatte ein Interesse daran, dass nicht allzu viele „ausländische“ Flüchtlinge zu den Eidgenossen herüberkamen. Groß war die Angst vor „Überfremdung“ in den Stadtverwaltungen. Und so blieb der Grenzzaun auch nach dem Krieg, bekam zwar mehr und mehr Löcher, war aber bis in die 2000er noch vorhanden.
Kunstgrenze und Corona
Erst seit 2006 mit der Errichtung der offenen „Kunstgrenze“ hinter Klein Venedig ist der Grenzzaun aus den Augen der meisten Konstanzer:innen, Kreuzlinger:innen und allen anderen entschwunden. Umso größer war der Schock, als er letztes Jahr zur Eindämmung des Coronavirus wieder aufgebaut wurde. An den Absperrungen drängten sich durchtrennte Pärchen, Familien, Freund:innen und so manche:r musste bei dem Anblick kräftig schlucken; sind wir es doch gewohnt, dass sich die Landesgrenzen um uns herum die letzten Jahre eher öffnen. Aber Grenzschließungen? Innerhalb Europas? Undenkbar.
„Als die Grenze geschlossen war“
Die von der Stadt Kreuzlingen in Kooperation mit der Stadt Konstanz initiierte Ausstellung ist nunmehr also zweiteilig. Die erste Hälfte zeigt am stillgelegten Zollplatz Kreuzlinger Tor 16 Informationsstelen zur historischen Grenzschließung um den Zweiten Weltkrieg und macht den Schnitt durch die zusammengewachsene „Doppelstadt“ vor Ort sichtbar.
Der zweite Teil befasst sich an der Kunstgrenze mit der coronabedingten Grenzschließung letztes Jahr. Ein 15 Meter langer Doppelzaun gespickt mit persönlichen Grenzgeschichten von Bürger:innen beider Städte aus den drei Monaten, in denen die Grenze wieder geschlossen war.
MM/jh (Bild: Kulturamt Konstanz/Stadt Kreuzlingen)
Ausstellung Kreuzlinger Zoll: 28. Mai bis 29. August; Eröffnung am 28. Mai
Ausstellung Kunstgrenze: ab 4. Juni
Spezialführungen anzufragen unter gesellschaft@kreuzlingen.ch