Back to Rojava – Bilder von Aufbruch und Hoffnung

Mitten im Kriegsgebiet blüht im Norden Syriens die Vision einer Gesellschaft, in der nicht mehr ethnische Gegensätze das Dasein diktieren, eines Gemeinwesens, das für Menschen jeder Kultur und Religion das Recht auf ein Leben in Frieden, Freiheit und Sicherheit erkämpfen will, in dem vor allem Frauen gleichberechtigt das Zusammenleben mitgestalten. Diesem mutigen Projekt in der Region Rojava zollt ein Konstanzer Solidaritätsbündnis nun mit einer Ausstellung Respekt, die vom 18. bis zum 21. Dezember im Bürgersaal zu sehen ist. Begleitet wird sie von zwei Veranstaltungen, dazu gibt es Musik aus Mesopotamien.

Die von der Hilfsorganisation medico international konzipierte Bilderschau mit Fotografien von Mark Mühlhaus zeigt das Ausmaß der Zerstörung in den Dörfern und Städten der Region, sie führt BesucherInnen aber auch den Aufbruch vor Augen, an den sich die mehrheitlich kurdischen BewohnerInnen gewagt haben. Die KurdInnen, größte nichtarabische Minderheit Syriens, „nennen den von ihnen bewohnten Teil des Landes Rojavayê Kurdistan, ‚Westkurdistan‘, oder einfach: Rojava, ‚Westen‘. Seine 2,5 Millionen Bewohner_innen treten jetzt aus dem Schatten ihrer Leidensgeschichte heraus“, klärt der Begleittext zur Ausstellung über den Ort des revolutionären Experiments und seine ProtagonistInnen auf. Hier wird eine direkte, kommunale Demokratie erprobt, jenseits der alten, von Überwachung und Strafen geprägten Kultur der Gewalt. Die neu geschaffenen politischen Institutionen legen großen Wert auf die Beteiligung von Frauen in allen Entscheidungsgremien und Bildungseinrichtungen. Ein neues Gesundheitswesen wird aufgebaut, eine eigene Polizei entsteht.

Bilder der Aufklärung und der Solidarität

Eröffnung: Dienstag, 18.12., 18:00 | Öffnungszeiten: 18.12. bis 20.12., jeweils 16:00 bis 22:00 Uhr; 21.12., 10:00 bis 18:00 Uhr.
„Back to Rojava“ zeigt in 25 Arbeiten des Fotografen Mark Mühlhaus Alltagsszenen aus Kobanê, nach der Befreiung des IS im Herbst 2014 und Frühjahr 2015. In der kurdischen Kleinstadt Suruç (kurdisch: Pirsûs) dokumentierte er das Flüchtlingsleben derer, die dort Schutz und Obdach fanden, nachdem der IS ihre Stadt Kobanê angegriffen hatte. In Rojava besuchte Mühlhaus die christlich-kurdische Stadt Dêrik (arabisch: Al-Malikiya) nahe der Grenze zum Irak und das  yezidische Flüchtlingslager. Er nahm an Beerdigungen kurdischer KämpferInnen teil und konnte mit christlichen Milizen die vom IS zerstörten Dörfer der assyrischen Bevölkerung aufsuchen. Mühlhaus geht es nicht nur um Fotografien des Wiederaufbaus, sondern gleichsam darum, Momente des Menschlichen, ja sogar der Schönheit, festzuhalten. Etwa das Bemühen der örtlichen ÄrztInnen trotz fehlendem Strom Notfalloperationen durchzuführen; oder aber jenen Moment, wenn er, als einer der wenigen europäischen Fotografen, die Ufer des Euphrat erreicht.

Aufbau und Hoffnung in Rojava

Dienstag, 18.12. | 19:00 Uhr | Bürgersaal
Maja Hess, Arzu Güngör und Therese Vögeli von medico international schweiz berichten über den Besuch bei den Vertriebenen aus Afrin, das Experiment der Frauen im Frauendorf Jinwar, den Wiederaufbau der zerstörten Stadt Kobanê und innovative Ansätze in der Gesundheitsversorgung.

Make Rojava green again

Mittwoch, 19.12. | 19:00 Uhr | Bürgersaal
Der Journalist Anselm Schindler bereiste zwischen 2015 und 2018 mehrfach die kurdischen Gebiete Syriens, der Türkei und des Irak und ist für die Kampagne „Make Rojava Green Again“ aktiv. Er berichtet über seine Erfahrungen und Perspektiven für die Solidarität mit dem Befreiungscamps in Rojava.

Musik aus Mesopotamien

Donnerstag, 20.12. | 19:00 Uhr | Bürgersaal
Hinaroza (bedeutet im Kurdischen Granatapfel und Rose) machen Musik auf kurdisch, zaza, armenisch und türkisch.

Die Herausforderungen, vor denen die Autonomieprojekte stehen, sind gewaltig. Es gilt nicht nur auf den vom langen Krieg hinterlassenen Trümmern den Wiederaufbau zu stemmen, sondern auch den Bedrohungen durch autoritäre Regimes und islamistische Gotteskrieger zu trotzen. Denn vor allem das diktatorische Erdogan-Regime setzt alles daran, das kurdische Demokratieexperiment zu vernichten. Der völkerrechtswidrige Überfall auf Afrin soll nach dem Willen des Despoten nur der Anfang gewesen sein. Aktuell macht die türkische Armee schon für weitere Angriffe auf kurdische Ziele im nordsyrischen Grenzgebiet mobil. Innerhalb Syriens werden die basisdemokratischen Kommunen immer wieder auch vom IS und anderen dschihadistischen Milizen bedroht. Die Islamisten verfolgen das Räte-Experiment und die Frauenbefreiung mit glühendem Hass.

In dieser Situation ist internationale Solidarität und Unterstützung gefragt. Denn längst geht es um mehr als nur das Schicksal einer Handvoll Leute in einer abgelegenen Provinz. In Rojava kann sich entscheiden, ob dem Teufelskreis aus ethnisch und religiös befeuerter Gewalt im Nahen und Mittleren Osten durch die Kraft der Solidarität eine Ende gesetzt werden kann. Setzte sich das Modell Rojava durch, schwämmen Erdogan und seinen autoritären Brüdern im Geiste die Felle weg, sähen gleichzeitig die Großmächte ihre Aussichten schwinden, die Menschen der eigenen geopolitischen und ökonomischen Ziele wegen für Stellvertreterkriege zu mißbrauchen. Für DemokratInnen in Deutschland zumal gilt der Appell zur Solidarität in besonderem Maß: Ohne die politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung der hiesigen Regierung könnte der Autokrat Erdogan seine Kriegszüge gegen die KurdInnen gar nicht führen. Davon zeugen nicht nur die deutschen Leopard-Panzer vor dem Rathaus in Afrin.

jüg (Fotos: Mark Mühlhaus)


Das Konstanzer Solidaritätsbündnis Rojava …

hat sich Anfang des Jahres gegründet, Anlass war der Überfall der Türkei auf Afrin, einen der drei Kantone Rojavas. Das Bündnis, in dem sich neben Einheimischen auch KurdInnen und Angehörige anderer Nationalitäten zusammengefunden haben, organisiert Vorträge und Solidaritätsaktionen, sammelt Spenden und versucht, die Autonomieprojekte in Westkurdistan (Nordsyrien) bekannter zu machen und mehr Unterstützung für die Menschen in der Region auf die Beine zu stellen. Die AktivistInnen treffen sich jeden Donnerstag um 18 Uhr im Café Mondial in Konstanz. MitstreiterInnen sind herzlich willkommen. Kontakt: solidaritaet@posteo.de.