Bahnhofssanierung: Gelandet als Topflappen

In seiner letzten Sitzung befasste sich der Technische- und Umweltausschuss (TUA) mit dem Konstanzer Hauptbahnhof, der einen eher erbarmungswürdigen Eindruck macht. Nun sollen einige Verbesserungen in die Wege geleitet werden. Zufrieden kann man damit nicht sein, wie alle Fraktionsvertreter betonten. Den fundiertesten Beitrag zum Thema hat SPD-Rat Jürgen Ruff gehalten. Grund genug, ihn auf seemoz ungekürzt zu veröffentlichen.

Zu ungeteilter Freude über den Beschlussvorschlag zur Bahnhofsmodernisierung besteht leider kein Anlass, im Gegenteil! Wir habe die gleiche Situation wie zuvor bei den Haltepunkten: nur eine Minimalstlösung soll umgesetzt werden und das bei höheren Kosten als zuvor geschätzt, nur dass jetzt beim Bahnhof das Ausmaß unseres Dilemmas in kumulierter Form sichtbar wird.

Es ist richtig, wie in der Vorlage formuliert und eigentlich eine Schande darstellt, wir sind nun gezwungen zuzustimmen, da es sonst gar keine Barrierefreiheit für den Konstanzer Bahnhof geben würde, die wir natürlich lieber auch schon längst gehabt hätten. Wir werden dies also gezwungenermaßen tun, aber wieder mal mit der geballten Faust in der Tasche. Denn wenn wir uns den Verlauf der Debatte seit dem Auflegen des Bahnhofsmodernisierungs-Programms im Jahr 2009 ansehen, müssen wir hinsichtlich besserer Nutzerfreundlichkeit, Stadtentwicklungsaspekten und einer erwünschten zukünftig erhöhten Leistungsfähigkeit des Bahnhofs den Schluss ziehen: außer Spesen nichts gewesen!

Und die Spesen sind hoch! Womit wir beim Thema Kosten wären. Ist die 1,5 fache Steigerung der Gesamtkosten seit 2015 schon schlimm genug, so dürfen wir dabei nicht vergessen, dass schon einmal die Kostenschätzung von 2011 um weitere 317 000 € erhöht worden war. Also liegen wir heute insgesamt über 1,8 Mio € höher als 2011 geschätzt, wahrlich kein Pappenstiel. Zwar werden Gründe dafür genannt, doch sollten viele davon schon vor der ersten Schätzung bekannt gewesen sein. Die eigentliche Krux der Geschichte liegt aber woanders, nämlich in der Konstruktion des von der damaligen schwarz-gelben (!!) Landesregierung aufgestellten Bahnhofsmodernisierungs-Programms, wonach die Bahn plant und die Kommunen 100 % der Planung zahlen, ohne jedoch an dieser beteiligt zu sein.

Das alte Prinzip, wer zahlt, schafft an, wurde hier also einfach außer Kraft gesetzt. Wir als Stadt wurden zum bloßen Zahlmeister degradiert, ohne wirklichen Einfluss zu haben und die planende und umsetzende Bahn zahlt unter Berücksichtigung weiterer Zuschüsse von Land und Bund sogar den geringsten Anteil. Auf so etwas dürfen wir uns nie wieder einlassen!

Kommen wir zur Umsetzung des Programms. Dies ist vor allem Kosmetik und wenig bis gar keine Sanierung. Eigentlich ein Skandal, denn von Bahnhofsmodernisierung im eigentlichen Sinn kann kaum die Rede sein, das Programm verdient diesen Namen schlicht nicht. Was die Unterführung angeht, so werden hier nun nur 2 Aufzüge „angeflanscht“ und die nur 3 m breite Unterführung weder auf 6 noch auf 8 m wie von uns eigentlich immer gefordert, erweitert, sie bleibt, etwas aufgehübscht, wie sie ist.

Wie anders wurde das doch noch 2014 in der damaligen Vorlage der Verwaltung gesehen. Ich zitiere nur einen Satz: „Nach Einschätzung der Stadt sowie auch von externen, mit der Bahn vertrauten Planern, entspricht der Anbau der beiden Aufzüge an die bestehende Unterführung nicht den aktuellen internen Regelwerken und Sicherheitsbestimmungen der Deutschen Bahn“. Wie konnte es zu dieser krassen Fehleinschätzung kommen? Welche Argumente führt das Eisenbahnbundesamt in seiner Genehmigung der Pläne in der vorliegenden Form gegen die Sicherheitsbedenken an? Fragen, die wir auch gern von der Verwaltung beantwortet haben möchten.

Die SPD-Fraktion sieht hier weiterhin große Probleme, vor allem wo wir doch wollen, dass der Öffentliche Verkehr durch die Ausweitung der Nutzung der Bahn, wie vor allem von Schweizer Seite auch geplant, weiter gestärkt wird. So wird das nicht gelingen und deshalb ist die sogenannte Modernisierung eben gerade eines nicht: zukunftsfähig!

In einen größeren zeitlichen Zusammenhang gestellt, sieht das Ganze sogar noch schlimmer aus. 2006 war unter Bürgermeister Fouquet noch eine große Unterführungslösung vorgesehen. Diese basierte auf den Planungen der Gewinner des entsprechenden städtebaulichen Wettbewerbs von 2001, dem Büro Molenaar-Weber. Dort war neben einer modernen, großzügigen Bebauung auf beiden Seiten des Bahnhofsgebäudes auch eine breite Unterführung von der Bahnhofsstraße (!!) bis zum Hafen geplant, um die Barrierewirkung der Bahn verschwinden zu lassen und evtl. sogar zu ermöglichen, die Marktstättenunterführung zugunsten eines durchgehenden Platzes wieder aufzufüllen. Ein sicher äußerst ambitioniertes Projekt, jedoch der größten Stadt am See und vor allem den vielen hier lebenden Menschen durchaus gut anstehend.

2009 schon wurde dies jedoch unter Bürgermeister Werner zugunsten einer großen Überführungslösung wieder aufgegeben. 2011 konnte dann auf Initiative der SPD nach dem Vorbild der Vorarlberger Städte Feldkirch und Dornbirn eine etwas weniger großzügig ausgelegte Unterführungslösung wieder eine politische Mehrheit finden. 2014 wurde diese dann, nun unter der Leitung von Bürgermeister Langensteiner-Schönborn, aus Kostengründen wieder versenkt, wobei wir dem schweren Herzens sogar noch zugestimmt hatten, da wir glaubten, dass sich die Einschätzung der Verwaltung bezüglich der beiden Aufzüge durchsetzen werde und wir dann wenigstens eine großzügige und im Vergleich zur Unterführung für die Stadt auch finanziell tragbare Überführungsplattform inklusive der von der Bahn bezahlten beiden Aufzüge bekommen würden. Nun also zwei angeflanschte Aufzüge in der bestehenden Unterführung – wenn wir 2006 als Tiger gestartet waren, so sind wir heute nicht mal als Bettvorleger, sondern allenfalls als Topflappen gelandet!

Die SPD wird sich jedoch dadurch nicht entmutigen lassen, sondern weiterhin für ein zukunftsfähiges und in die Stadtentwicklung eingebundenes Bahnhofsentwicklungskonzept kämpfen. Die beiden Aufzüge dürfen dazu dann gern der Anfang sein, keinesfalls aber das Ende. Wir werden dies einfordern. Versprochen!

Jürgen Ruff, Fraktionsvorsitzender SPD Konstanz