Benkos Spiel mit den Karstadt-Belegschaften
Schon wieder. Kaum konnten die Belegschaften aufatmen, kaum schien die Zukunft der Kaufhof-Galeria-Filialen in Singen und Konstanz gesichert, folgen nun die nächsten Zumutungen: Personalabbau und weiterer Lohnverzicht. Darüber informiert die Gewerkschaft ver.di am Dienstag die Öffentlichkeit.
Ein Jahr lang, erzählt die knapp Dreißigjährige, habe sie in der Konstanzer Galeria-Filiale gearbeitet. „Die Arbeit war ganz okay, aber ich hatte nur einen Teilzeitjob. Davon konnte ich aber auf Dauer nicht leben.“ Also habe sie, als ihr Einjahresvertrag erneuert wurde (befristete Stellen sind im Konstanzer Einzelhandel die Regel), um mehr Arbeitsstunden gebeten – „und die wurden mir auch in Aussicht gestellt“. Doch dann kam die erneute Insolvenz des Handelskonzerns, das Management kassierte die Zusage. Und als auch noch klar wurde, dass die ohnehin schon strapazierte Personaldecke weiter ausgedünnt werden und der Lohn unter dem Tarif bleiben soll, hatte die alleinerziehende Mutter genug. Sie verließ das Unternehmen. Und schulte um.
Die Geschichte der Frau (sie will lieber anonym bleiben) ist kein Einzelfall. Schon gar nicht bei Karstadt-Galeria. Seit bald zwanzig Jahren rettet sich das Kaufhaus-Unternehmenvon einer Krise in die nächste, im wesentlichen ausgeplündert von Investoren und Sanierern, die Rettung versprechen, aber immer nur die Hand aufhalten (siehe dazu Beitrag im Jacobin-Magazin).
Die Folge: Immer wieder mussten die Steuerzahler:innen (in Form von staatlichen Bürgschaften), vor allem aber die Beschäftigten das Unternehmen retten. 2004 verzichteten die Belegschaften erstmals auf Lohnbestandteile, 2008 folgte der nächste Sanierungstarifvertrag, trotzdem meldete der Konzern 2009 Insolvenz an – und so ging das weiter (wie die frühere Konstanzer Karstadt-Betriebsratsvorsitzende im seemoz-Interview berichtete). Jedes Zugeständnis des Personals schien eher die Taschen der jeweiligen Eigentümer zu füllen, als der Entwicklung von zukunftsfähigen Konzepten zu dienen.
Und so ist es auch jetzt wieder. Nach der x-ten Sanierungswelle erwartet der Eigentümer von Galeria, der Immobilienmilliardär René Benko, weiteres Entgegenkommen. Nach Gewerkschaftsinformationen plant das Konzernmanagement Kündigungen, Versetzungen, Abgruppierungen – und will die Beschäftigten auf Jahre hinaus weit unter Tarif bezahlen. Darüber informieren ver.di-Mitglieder die Öffentlichkeit – und zwar am kommenden Dienstag, 23. Mai, ab 10 Uhr vor den Karstadt-Filialen in Singen und Konstanz.
Text und Fotos (von einer kurzen Info-Aktion vor Karstadt während der 1.-Mai-Demo in Konstanz): Pit Wuhrer
2019: Streik bei Karstadt Konstanz
2019: Interview mit der früheren Karstadt-Betriebsratsvorsitzenden Ulrike Wuhrer
2020: Interview mit der aktuellen Betriebsratsspitze in Konstanz
2020: Karstadt Singen – Wer trägt die Verantwortung?