Blut- und Boden-Punkrocker in der Bodensee-Arena

DJ Bobo war da, auch Chris de Burgh gab hier einst ein Konzert und Heino schmalzt und sülzt bald in der Bodensee-Arena. Das ginge ja noch, wenn da nicht der 19.4. wäre. Für diesen Tag sind die rechten Rocker von Frei.Wild gebucht, der Kartenvorverkauf läuft auf vollen Touren. Gut möglich, dass es zu einem grenzübergreifenden Stelldichein der nationalistischen Szene kommt, an dem auch militante Neonazi-Kader Gefallen finden

Die Bodensee-Arena, direkt gelegen am Grenzverlauf zwischen Konstanz und Kreuzlingen, preist sich gerne an als „wichtiger Vergnügungsort beiderseits der Grenzen“. Doch mit der grenzüberschreitenden Beschaulichkeit könnte es bald vorbei sein, wenn die Südtiroler Band Frei.Wild (s. Foto) auf die Bühne tritt und dann vor rund 5000 BesucherInnen loslegt. Die Programmverantwortlichen der Kreuzlinger Arena sind voll der Lobes über die umstrittene Band, deren Alben in der Tat boomen und sich längst Spitzenplätze in den Charts erobert haben: „Eine so live intensive Band wie Frei.Wild zieht es immer wieder auf die Straße, um das Adrenalin der Menge zu spüren, den Geschmack des tropfenden Schweißes zu schmecken und den Widerhall der Klänge noch Tage später im Ohr zu haben“. Diese fast schon hymnische Ankündigung kann man auf der Website der Veranstalter nachlesen.

Braun-völkischer Bodensatz

Vor allem Frei.Wild-Sänger Phillipp Burger (32) hat eine durchaus einschlägige Vergangenheit vorzuweisen. Vor einigen Jahren war er Mitglied bei der rechtsnationalen Skinhead-Kombo Kaiserjäger und zeitweilig Anhänger der Rechtsaußen-Partei „Die Freiheitlichen“, die im Eisacktal mit Forderungen wie: „Heimat schützen! Einwanderung stoppen! Südtirol zuerst!“ auf sich aufmerksam machte. Bei den Kaiserjägern grölte der junge Burger: „Eine Gruppe Glatzen kämpft dagegen an, gegen Weicheier wie Raver und Hippies und Punks“ oder „Heil dem Kaiser, Heil dem Lande, Österreich wird ewig stehen“.

Dann verließ er die Band, gründete Frei.Wild und zieht nun mit nicht weniger nationalistischen und auch fremdenfeindlichen Tönen durch die Lande: „Wann hört ihr auf, eure Heimat zu hassen“, singt Burger in dem Song „Wahre Werte“ und bietet auch gleich die Lösung an: „Wenn ihr euch ihrer schämt, dann könnt ihr sie doch verlassen“. Dazu aggressive Heimattümelei, „Südtirol, wir tragen deine Fahne, denn du bist das schönste Land der Welt“, die von den immer zahlreicher werdenden Fans gerne aufgenommen und auch gleich mit dem gewünschten Refrain beantwortet wird: „Südtirol, deinen Brüdern entrissen, schreit es hinaus, lasst es alle wissen. Südtirol, du bist noch nicht verloren. In der Hölle sollen deine Feinde schmoren“. Das Hamburger Wochenblatt „Die Zeit“ bezeichnete unlängst Frei.Wild als „Die neue Reichskapelle“, deren „dumpfer Patriotenrock“ mittlerweile auch große Arenen füllt.

Geschickte Taktik

Frei.Wild hat die Lücke geschlossen, die die Rechtsrocker Böhse Onkelz nach ihrem Abtritt 2005 hinterlassen haben. Ähnlich wie die Onkelz distanzieren sich die Mannen um Burger von der rechtsradikalen Bewegung, was aber ihre Beliebtheit in eben dieser Szene keinesfalls schmälert. Im Gegenteil: Die Alben verkaufen sich im höheren sechsstelligen Bereich und fast alle Auftritte von Frei.Wild garantieren volle Hütten und beste Umsätze.

In nationalistischen und rechtsradikalen Kreisen steht die Band auf der Beliebtheitsskala ganz oben und hat sich bereits jetzt einen Kultstatus erspielt. Der Journalist Thomas Kuban, der seit Jahren in der rechtsradikalen Szene recherchiert, ordnete Frei.Wild bei einer TV-Diskussion vor wenigen Wochen in die Kategorie Neonazi-Band ein. Seiner Meinung nach bildet die Südtiroler Band das Scharnier zwischen Blut- und Boden-Propagandisten und rechtsextremen Gruppierungen. Hier schließt sich ein unheilvoller Kreis, meinen auch andere, die sich seit langem mit der braunen Musikszene auseinander setzen.

Aufklärung ist angesagt

Durchaus möglich, dass das Konzert am 19.April in der Bodensee-Arena mehrere tausend Besucher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz anzieht. Nicht alle wird man dem völkisch-rechten Lager zurechnen können. Das wäre zu platt und auch eine fahrlässige Stigmatisierung vor allem der sehr jungen Fans, die noch nicht wirklich im Leben angekommen sind. Gerade denen sollte frei von allzu oberlehrerhafter Attitüde vermittelt werden, dass sie auf dem falschen Dampfer sind und Gefahr laufen, sich über solche Konzerte von rechten Strippenziehern einfangen und instrumentalisieren zu lassen. Wie wäre es, wenn man das Thema Rechtsrock am Beispiel Frei.Wild  endlich ernsthaft in den Schulen thematisiert und auch im Freundes- oder Elternkreis bespricht?

P.S.: seemoz wollte von den Programmmachern erfahren, ob sie denn wüssten, wen sie am 19.4. zum Konzert bitten. Mit im Verwaltungsrat der Bodensee-Arena sitzt auch Dorena Raggenbass. Die linksliberale Kreuzlinger Stadträtin ist auch zuständig für die Bereiche Kultur, Jugend und Integration. Eine Antwort steht noch aus.

Autor: H.Reile