Bodenseeforum: Deutliche Klatsche für Burchardt

(red) Zwar gab es erneut keine Mehrheit dafür, das höchst defizitäre Haus zu schließen, aber zumindest dem Wunsch der Verwaltung, für viel Geld einen Gastrono­mie­bereich anzubauen, kam der Gemeinderat nicht nach. Burchardt machte lockere Miene zum für ihn bösen Spiel, aber damit hatte er nicht gerechnet. Alleine die Planungskosten für den Anbau wurden auf sage und schreibe 500.000 (!) Euro beziffert – das war der ansonsten lammfrommen BoFo-Herde dann doch zu viel. Es bleibt also erstmal alles beim Alten, inklusive eines deutlichen Millionen­defizits. Massive Kritik dazu gab es vor allem von Anne Mühlhäusser (FGL) und Holger Reile (LLK). Hier ihre Redebeiträge im Wortlaut.

[the_ad id=“66238″]

Vorab: Im Südkurier war zu lesen, der Gemeinderat bekenne sich „bewusst“ zum Bodenseeforum als „städtisches Veranstaltungshaus“. Das sei „ein klares Bekenntnis zu einer bürgerfreundlichen Nutzung“. Im Klartext aber heißt das auch: Für die kommenden fünf Jahre ist man bereit, nochmal rund 15 Millionen Euro in dieses Fass ohne Boden zu schütten. Bis dahin wird diese Luftnummer aus dem Hause Burchardt die gigantische Summe von rund 40 Millionen Euro gekostet haben. Zudem wurde es fast schon als Erfolg verkauft, dass man sich gegen eine Privatisierung ausgesprochen habe. Das wiederum war eine eher zwangsläufige Entscheidung, denn man hätte wohl nie und nimmer einen privaten Investor gefunden, der bereit gewesen wäre, für diesen Pleitebau auch nur einen Euro einzusetzen. Dass sich eine Mehrheit dagegen entschieden hat, zusätzlich bis zu fünf Millionen Euro für einen Gastronomieanbau zu verpulvern, macht die Sache nicht besser. Diese waghalsige Idee wurde im Vorfeld der Diskussion auch von Burchardt als Möglichkeit verkauft, „die schwierige gastronomische Situation im Bodenseeforum aufzulösen“. Daraus wird nun nichts und das war eine Art Leberhaken für den Oberbürgermeister, denn vor allem er ist verantwortlich für den GAU am Seerhein.


Anne Mühlhäusser: Zwei Jahre kostenloser ÖPNV!

Bei manchen Sachen, wenn immer gesagt wird, das und das brauche man oder das und das brauche die Stadt, bekommt man erst ein Gefühl für den Bedarf, indem man sich selber fragt: Brauche ich das?

Beim Bodenseeforum habe ich mich das natürlich schon viele Male gefragt:

Brauche ich das Bodenseeforum? Wäre mein Freizeitangebot oder das kulturelle Angebot, das mir die Stadt liefert, so viel größer als das, was in der Stadt sonst geboten wird an Kultur, an Veranstaltungen?

Und ich muss die Frage, bzw. kann die Frage ganz klar mit Nein beantworten.

Mir würde nichts fehlen, wenn es das Bodenseeforum nicht gäbe, nicht mehr gäbe für die viel zitierte Konstanzer Bevölkerung.

Sprich: den immer wieder erwähnten Nutzen des Bodenseeforums für die Konstanzer Bevölkerung stelle ich in Frage!

Diese These, die Konstanzer wollten dieses Haus, die Konstanzer bräuchten dieses Haus, stimmt aus meiner Sicht nicht.

Den Konstanzern wurde damals versucht, das Haus dadurch schmackhaft zu machen, indem man gesagt hat, ihr bekommt auch ein bisschen von diesem Haus ab.

Man wollte dadurch die Akzeptanz in der Bevölkerung für die großen Investitionssummen fürs Bodenseeforum steigern.

Und ob die Konstanzer Wirtschaft und die Hochschulen das Bodenseeforum brauchen, wage ich auch zu bezweifeln.

Das Bodenseeforum hat rein gar nichts mit Daseinsvorsorge zu tun und verschlingt sehr viel Geld, das wir an anderer Stelle dringend bräuchten, Stichwort z.B. Maßnahmen für den Klimaschutz, aber auch für anderes.

Für die jetzt schon ausgegebenen 25 Millionen hätten wir zwei Jahre kostenlosen ÖPNV anbieten können!

Privatisierung hört sich ja in manchen Ohren ganz schlimm an, aber in diesem Fall, wo dieses Haus der Konstanzer Bevölkerung, wenn überhaupt, nur minimal etwas bringt und wie gesagt Unsummen verschlingt, wäre ich froh, wenn das ein Privater machen würde.

Und in der Zeitung stand neulich bezüglich des Bodenseeforums:

Es solle 50 % Tagungen und Kongresse veranstalten.

Ja, aber das war doch genau das Problem und das ist doch naiv zu glauben: wenn ich mir wünsche, dass da 50 % Tagungen und Kongresse stattfinden, dann wird das auch so sein.

Das ist, ich habe es gefühlt schon 100mal gesagt, harte Arbeit, diese Kongresse und Tagungen nach Konstanz zu holen.

Man kann nicht einfach beschließen, man wolle Tagungsstandort sein.

Man muss doch zur Kenntnis nehmen, was der Markt hergibt.

Oder andersherum: wenn man jetzt sagt, dass man diesen Mix will, die Tagungen und Kongresse aber die profitabelsten Veranstaltungen sind: warum dann nicht mehr Tagungen und Kongresse, warum nicht 70%, wenn das so leicht zu realisieren ist und man nur zu sagen braucht: das Haus soll das und das erreichen, das ist unser Wunsch für das Bodenseeforum.

Das ist doch eine fragwürdige Herangehensweise. Wir wollen das Defizit doch minimieren.

Und dann kurz zum Anbau, zur Gastronomie:

500.000 Euro allein für die Planung, 500.000?! Das sind fünf Architektenjahresgehälter, das kann doch nicht sein, dass allein nur die Planung 500.000 Euro verschlingt und der eigentliche Bau noch mal über 5 Millionen.

Das ist der Konstanzer Bevölkerung nicht zu vermitteln.

Ich will nicht, dass die Stadt weitere Millionen in dieses sinnlose Projekt steckt und werde der angedachten Option nicht zustimmen.


Holger Reile: Der Rat ist mit Eifer dabei, eine Leiche zu schminken

Werte Gäste, Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,

aufgrund unserer prallen Tagesordnung will ich es bei einigen grundsätzlichen Bemerkungen zum Thema belassen. Auch die nun abgespeckte Fassung, die Sie uns anbieten, überzeugt uns nicht.

Wer die heutige Vorlage zum Bodenseeforum liest, dem wird schnell klar: Sie wollen den bekanntesten Konstanzer Patienten noch weitere Jahre am Tropf hängen lassen. Zwar bröckelt die Zustimmung, aber es wird wohl erneut reichen, die sündhaft teure Sturzgeburt – die seit Jahren im Koma liegt – künstlich am Leben zu halten und dafür weitere Millionen in die Hand zu nehmen. Kommt man mit Bürgern über das Bodenseeforum ins Gespräch, hört man immer öfter die Bemerkung, der Gemeinderat sei wohl wieder mal mit Eifer dabei, eine Leiche zu schminken.

Jetzt also soll es für ebenfalls viel Geld unter anderem ein gastronomischer Anbau richten – und ich warte eigentlich nur noch drauf, dass in einem nächsten Schritt ein Hubschrauberlandeplatz zur Debatte steht – quasi als Bodenseeforums-Shuttledienst für die auswärtigen Tagungsgäste.

Womit wir schon bei einem angeblichen Rettungsanker sind, der sich seit geraumer Zeit durch die Vorlagen der Verwaltung zieht. Stichwort Wertschöpfungsanalyse und Umwegrentabilität, – Begriffe, die mit dem Bodenseeforum in Verbindung gebracht werden. Ich empfehle Ihnen in diesem Fall den Fachartikel von Professor Dr. Hans Rück, eines bundesweit anerkannten Fachmanns, der dazu unter anderem schreibt, ich zitiere; „Speziell die Berechnung der Umwegrentabilität eröffnet große Bewertungspielräume. Und diese Spielräume werden weidlich ausgenutzt, um sich die Dinge schön zu rechnen“. Und, ein weiteres Zitat: „Die Auftraggeber sind häufig weniger an der ökonomischen Wahrheit interessiert als an einem Ausweis möglichst beeindruckender Zahlen, um eine politisch erwünschte Position zu stützen, durch den Nachweis eines Beitrags zum wirtschaftlichen Wohlstand der Region“. Zitat Ende. Eine Schlussbemerkung schiebt Professor Rück noch hinterher, und die lautet: „Bei Wertschöpfungsanalysen heißt es also: Aufgepasst! Hier wird viel mit Zahlen getrickst, seriöse Analysen sind die Ausnahme, nicht die Regel“.

Kolleginnen und Kollegen, mittlerweile beläuft sich die Summe, die Sie für das Bodenseeforum ausgegeben haben, auf rund 25 Millionen Euro. Wollen wir vielleicht mal gemeinsam drüber nachdenken, was wir dafür – zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger wohlgemerkt – hätten finanzieren können? Ich biete Ihnen nur einige Projekte an, die aber leider aus meist finanziellen Gründen bislang nicht umgesetzt wurden:

Zum Beispiel die dringende Sanierung des Bürgersaals, der Kollege Mohamed Badawi hat unlängst im Kulturausschuss darauf hingewiesen. Seit Jahren liegen die Pläne in der Schublade, die Kosten belaufen sich auf rund 600 000 Euro. Davon hätten unsere Bürgerinnen und Bürger wirklich was, denn an Treffpunkten für Initiativen und Vereine mitten in der Stadt herrscht ein eklatanter Mangel. Und ziemlich genau diese Summe soll nun alleine für die Planung des gewünschten Gastronomie-Anbaus ausgegeben werden – das ist eigentlich nicht zu fassen … und ich bleibe dabei: Das Bodenseeforum gehört zu den größten finanzpolitischen Fehlentscheidungen der Konstanzer Kommunalpolitik.

Dabei haben wir andere dringende Aufgaben, Beispiel Verkehrswende: Etwa drei Millionen Euro wären jährlich einzuplanen, um beim ÖPNV zumindest das 1-Euro-Ticket zu finanzieren. Darauf haben wir schon vor zwei Jahren hingewiesen, denn auch davon hätten unsere Bürger einen deutlichen Mehrwert. Dazu und auch für die Möglichkeit eines Nulltarifs sollten klare Zahlen auf den Tisch gelegt werden, und zwar nicht erst irgendwann, sondern umgehend. Der sozial verträgliche und ökologische Umbau unserer Mobilität steht seit Jahren auf der Agenda, nicht erst seit der Ausrufung des Klimanotstands. Aber was ist seitdem in diesem Bereich passiert? Wenig bis gar nichts. Ein halbgares und umstrittenes C-Konzept hängt wie ein Schluck Wasser in der Kurve und über allem thront die durchweg abenteuerliche Idee einer Seilbahn quer durch Konstanz.

Was hätten wir mit den rund 25 Millionen noch alles anfangen können? Vorschlag: Die Sanierung unseres Stadttheaters – Erhalt und auch Ausbau unserer sozialen Infrastruktur im Bereich Schulen, Kultur und Sport – Schaffung neuer Stellen in unseren Ämtern, die oft nicht in der Lage sind, die anstehenden Arbeiten anzugehen, weil eben überall Stellen fehlen. Diese Liste – das wissen Sie alle hier – ließe sich beliebig und lange fortsetzen.

Ein Letztes noch, und das lässt mich schon ein wenig schmunzeln. Die offizielle Kandidatenvorstellung für den OB-Wahlkampf findet am 17. Juni kommenden Jahres im Bodenseeforum statt. Ich finde, da wurde für das erste Schaulaufen hoffentlich mehrerer Kandidatinnen und Kandidaten die richtige Örtlichkeit ausgewählt.