Bodenseeforum: Die PR-Maschine glüht
Heute Nachmittag wird Günter Oettinger, früherer baden-württembergischer Ministerpräsident und immer noch praktizierender Silbenverschlucker, ab 15 Uhr vor geladenen Gästen seine Festrede halten. Sozusagen der Auftakt zur Eröffnung des sogenannten Bodenseeforums, kurz BoFo. Wieder mal spricht man von einem Jahrhundertereignis. Seit Wochen rühren die üblichen Verdächtigen laut und vernehmlich die Werbetrommel. Doch Zweifel am erhofften Erfolg des Event-Tempels sind angebracht.
Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht auf die bevorstehende Inbetriebnahme des gläsernen Würfels am Seerhein hingewiesen wird. Vor allem der Südkurier überschlägt sich schier, verdient sich bei den satten Anzeigen des Bodenseeforums dumm und dämlich und hat seine Mitarbeiterin Aurelia Scherrer auf das Thema angesetzt. Und diese Allzweckwaffe, bekannt als vielbeschäftigte und jederzeit einsetzbare Mietfeder vor allem für Einzelhandel, Stadtmarketing und ungebremsten Kaufrausch, zieht mächtig vom Leder.
Das Konstanzer Wesen
Sie selbst ist offensichtlich begeistert von dem Bau, zumindest tut sie so: „Der homogene Baukörper mit seiner mäandernden Fassade“ werde „in die Geschichte der Stadt Konstanz eingehen“. Derlei Wortbrei gefällt vor allem Oberbürgermeister Uli Burchardt, der in Scherrers PR-Texten ausführlich jubilieren darf und ein „neues Zeitalter“ im Anmarsch wähnt. Auch Martin Krehl, einer der Architekten, wird in all seiner Bescheidenheit zitiert: “Der Wunsch des Bauherrn war, dass wir ein Gebäude konzipieren, wie es die Welt noch nie gesehen hat“. Aber ja, am Konstanzer Wesen durfte schon immer die Welt genesen.
In unzähligen Beiträgen, die nach außen hin den Eindruck erwecken wollen, als wären sie journalistischer Natur, bepudert Aurelia Scherrer das BoFo hemmungslos und zentimeterdick mit Goldstaub. Ihre Auftraggeber lesen die überschwappenden Schwadronagen sicher mit Wohlgefallen. Fast fühlt man sich an alte Zeiten erinnert, als der Südkurier mit aller Macht das Konzert- und Kongresshaus (KKH) auf Klein Venedig herbei schreiben wollte und zur Wählerbeschimpfung überging, als das Stimmvolk das Vorhaben mit großer Mehrheit ablehnte. Das kann diesmal nicht passieren, denn das Teil steht ja schon, wurde von der Stadt für viel Geld erworben und nun muss man den KonstanzerInnen nur noch ins provinzielle Hirn schreiben, dass ohne das BoFo ihre Welt eine völlig sinnlose wäre.
Die Kasse quillt nur mit Musicals
Der eher nüchtern gebliebene Beobachter der Szenerie aber runzelt die Stirn. Denn immer seltener ist von einem Tagungs- und Kongresshaus die Rede, in den Vordergrund rückt zunehmend die Aussicht auf große Veranstaltungen mit internationalen Stars und Sternchen aus der Unterhaltungsbranche. Argwöhnische ZeitgenossInnen, auch im Rat, befürchten schon eine Trivialisierung der Kultur, wenn alsbald Helene Fischer im BoFo schmalzt und krächzt und die Wildecker Herzbuben oder ähnlich gestrickte Kulturträger aus den Niederungen des guten Geschmacks außer Rand und Band geratene Dumpfjodler an den Seerhein locken.
Es sei doch auffällig, hört man es murren, dass dort immer mehr Konzerte oder Musicals gebucht würden, wohl um das erwartete Minus von jährlich mehreren hunderttausend Euro nicht noch größer werden zu lassen, denn alleine mit Kongressen und Tagungen wird sich das BoFo nicht rechnen. Konzertveranstalter Dieter Bös, der wie auch sein ehemaliger Koko-Kollege Armin Nissel in Zukunft als Booker unterwegs sein wird, kann die Veranstaltungsflut nur recht sein. So nimmt es auch nicht wunder, dass er das BoFo als „Gewinn“ bezeichnet, das „Strahlkraft“ weit über die Konstanzer Grenzen in sich trage, ließ sich Scherrer dankbar in den Block notieren. Diese Einschätzung kann man den beiden Konzertmanagern, die einst auch vehement für das KKH plädierten, nicht verübeln, denn in ihrer Branche gilt mehr denn je: Top, die Kasse quillt.
H. Reile
Es ist wahrlich schwierig, den Untertitel des „Südkuriers“ in diesen Tagen ernst zu nehmen: Von „unabhängiger“ Zeitung erkennt man kaum etwas, viel eher verkommt das Blatt zum Werbeprospekt. Ein Fotoalbum, das mehr und weniger prominente Menschen mit ihren Kollegen, Freunden oder Kindern bei der großen Einweihung zeigt. Worte des großen Jubels, eine regelrechte Partystimmung, als habe die Stadt überraschend Unsummen im Lotto gewonnen. Aneinandergereihtes und poliertes Lächeln in passen geschneiderten Maßanzügen – nichtssagendere Bilder gibt es kaum. Schon wird auf die zahlreichen Events geblickt, die das „BoFo“ künftig beheimatet, meistens kostspielige Veranstaltungen, mit denen nun das refinanziert werden muss, was für ein Prestigeobjekt des ganz besonderen Ausmaßes herausgeschmissen wurde. Architektonisch brilliert kaum etwas, die Befangenheit des Hauses durch die unmittelbare Partnerschaft mit der IHK ist offenkundig. Und die Kritik, wie man sie von Journalismus und reflektierten Beobachtern erwarten würde? Verantwortungsbewusst, das sieht anders aus. Und Denkmäler, die geraten schnell in Vergessenheit. Denn ebenerdig heißt nicht gleich niederschwellig. In der breiten Einwohnerschaft wird es das „BoFo“ recht schwer haben, dauerhaft in Erinnerung zu bleiben. Na ja, vielleicht springen dann die Laudatoren ein, die sich heute die Klinke in die Hand geben – und helfen dabei, den kurzzeitigen Publikumsmagneten neu zu bewerben.
Denn was sollte es ursprünglich werden? Ein Forum, das auch für den einfachen Bürger da ist? Im Moment ist es eher der Treffpunkt der „High-Society“ – ob der echten oder der, die sich letztlich dafür hält. Ein – für Konstanzer Verhältnisse – großer Palast der vielen Eitelkeiten, der zur Bühne der Selbstdarstellung zu verkommen droht, in elitärem Gewand und derart fern von der Breite der Gesellschaft, dass sich Oberbürgermeister und andere Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nur dafür rühmen könnten, mit solch einem Projekt und seiner Umsetzung den Keil noch weiter in die Konstanzer Gesellschaft zu treiben – und die sozialen Schichten nicht nur voneinander zu entfernen, sondern auch die Distanz zahlreicher Akteure, die sich für diese Art eines Veranstaltungshauses eingesetzt haben, zur Realität zu erhöhen.
Was „mäandert“ denn an dieser Fassade, die doch schon seit 2011 das rechtsrheinische Ufer verschönt ? Einzig die Worte Fau Scherrers „schlängeln“ sich dahin, um ganz im Sinne des OB schön zu reden, was nicht schön oder doch zumindest Geschmackssache ist. Und Geschichte hat dieses Haus mit dem Ende des Solarunternehmens schon geschrieben, allerdings eine ohne Happyend! Der Größenwahn breitet sich ungebremst aus in unserem einst lebenswerten Städtle und er ist hochansteckend. Die Mehrheit des Gemeinderats ist längst infiziert(Besserung zeigt sich allerdings gerade beim zaghaften Widerstand gegen den Panorama-Topf) und auch Architekten sind offensichtlich nicht geschützt: „Ein Gebäude, wie es die Welt noch nie gesehen hat?“ Sydney- Opernhaus, Hamburg – Elbphilharmonie, Bilbao – Guggenheim, Konstanz – Bodenseeforum? Mal wieder eine klitzekleine Übertreibung, dem Virus zuzuschreiben?? Konstanz sollte ganz groß `rauskommen, wieder Mal weltweit Furore machen als Kongress- und Tagungszentrum. Wo bleiben sie, die großen internationalen Unternehmen, die schon seit Jahren sehnlichst auf das Kongresszentrum am südllichsten Zipfele gewartet haben? Die von den Flughäfen FN und ZH/CH anreisen, mit der Bahn, per Fahrzeug? Für deren Teilnehmer das Torhaus-Hotel aus dem kleinen Fleckchen Erde gestampft wird? Den Buchungen und Veranstaltungen zufolge werden bisher eher kleinere Brötchen gebacken, „bürgerschaftliche“ Feste(u.a. eine türkische Großhochzeit) und Veranstaltungen der Unterhaltungsbranche durch KoKo. Die Kosten für Saalmiete(n)sind für hoch. Gespannt darf man auf die Akkustik sein und auch das Konzept mit unterschiedlichen(?)Caterern und Verpflegung wird spannend. Ein neues Zeitalter durch die Burchardtsche Jahrhundertchance ? Wir werden sehen. Besser, es funktioniert, denn für die Schulden werden nicht nur wir, sondern auch noch nachfolgende Generationen bluten müssen. Nur so am Rande:solange Herr Burchhardt herrscht und beherrscht ist ein Ende der „Jahrhundert-Überraschungen“ nicht abzusehen…
Aktuell gibt der SK/Herr Rau wirklich alles, wird uns doch ebenfalls eingetrichtert: ohne Panorama-Topf bleiben die Touristen weg, das Leben für uns BürgerInnen ist nicht mehr lebenswert, der Untergang von Konstanz ist vorprogrammiert.