Bodenseeforum: Wer hat’s denn nun verbockt?

Das Bodenseeforum erweist sich bereits anderthalb Jahre nach seiner Eröffnung als Millionengrab und nicht als die vielbeschworene „Jahrhundertchance“ auf ein Haus für alle KonstanzerInnen. In der Debatte im Gemeinderat beschwor die Verwaltung, Uli Burchardt allen voran, den Rat denn auch, den Blick nach vorn zu richten, statt sich auf die Versäumnisse der Vergangenheit zu konzentrieren. Immerhin hat sich inzwischen die Zahl der Ratsmitglieder, die immer schon Zweifel hegten, erstaunlich vermehrt.

Was ist eigentlich beim Bodenseeforum (Bofo) schiefgegangen? Der OB begann die Debatte über das Millionengrab mit dem ausdrücklichen Appell, dieses Thema jetzt einmal zu diskutieren und dann die Scheuklappen aufzusetzen und ab morgen starren Blicks nur noch in die hoffentlich rosige Zukunft zu schauen – und bloß nie wieder nach Schuld und Verantwortung für das Millionendebakel zu fragen. Die grundsätzliche Frage, ob es angesichts der durchwachsenen Erfahrungen anderer Kommunen mit solchen Einrichtungen jemals vernünftig war, dieses Ding zu kaufen und in ein Kongresshaus umzubauen, und ob es vernünftig ist, an dem Bau weiterhin festzuhalten, wurde im Laufe des Abends denn auch gar nicht erst mit bohrender Schärfe gestellt.

Das Bodenseeforum ist krank

Laut Uli Burchardt sollten mit dem Erwerb der Pleiteimmobilie von Centrotherm damals drei Ziele erreicht werden: 1. Der Rückkauf des Grundstücks durch die Stadt, 2. die beengt untergebrachte IHK in Konstanz zu halten und 3. Veranstaltungsräume zu schaffen. Der OB wies ganz richtig darauf hin, dass der Gemeinderat das Projekt damals mit riesiger Mehrheit gegen nur drei Nein-Stimmen verabschiedet hat. Außerdem habe er von Anfang an auf das hohe Risiko, das die Stadt mit dem Haus eingehe, hingewiesen und mit Michel Maugé einen erfahrenen Berater geholt. Fazit: Er würde es jedenfalls wieder so bauen, die ehemalige No-Go-Area habe sich schließlich in einen vielbesuchten Ort verwandelt. In den ersten 15 Monaten hätten über 80 000 Menschen die insgesamt 138 Veranstaltungen besucht.

Alles gut also? Nein, denn die Zahlen sind verheerend, und das Bodenseeforum ist ein Millionengrab. Man erinnere sich kurz: Im Vorfeld war von über 200 Veranstaltungen pro Jahr die Rede, die tatsächliche Zahl der Veranstaltungen liegt also annähernd 50 Prozent unter der verheißenen.

Uli Burchardt als der Vater des Bodenseeforums musste natürlich auch ein paar Krümel Asche auch auf sein eigenes Haupt streuen. Er kreidet sich zwei Versäumnisse an: Dass man damals nicht deutlich genug kommuniziert habe, dass das Haus die Abschreibung (Anschaffungskosten) von rund einer Million € pro Jahr nicht wieder einspielen werde – und dass man das Projekt damals übers Bein gebrochen habe, statt eine gründlichere Vorbereitungsphase einzuplanen. Heute aber sei das alles Schnee von gestern, und es stelle sich allein die Frage, wie man das operative Geschäft ausgeglichen gestalten könne. „Wir wollen konsolidieren und entwickeln.“

Schlecht geplant

Die miese Lage des Baus am Seerhein hat laut OB-Assistentin Charlotte Biskup viele Ursachen: Man hat beispielsweise mit zu wenig Personal geplant und man hat blind den Planzahlen des Beraters vertraut. Biskup sagte, es habe rückblickend betrachtet nicht eine, sondern viele Fehlentscheidungen gegeben. Als Ursachen für die Kostenexplosion gab sie u.a. an, dass man nicht wie geplant eine GmbH, sondern einen Eigenbetrieb habe gründen müssen. Diese Änderung der Unternehmensform habe zur Folge gehabt, dass das Bodenseeforum seine Leute nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlen müsse, was wesentlich teurer geworden sei. Außerdem müsse das Bodenseeforum als Eigenbetrieb auch die Abschreibungen selbst tragen. Ursprünglich sei geplant gewesen, dass die Stadt das Bodenseeforum an eine GmbH vermiete, so dass die Abschreibungen zulasten der Stadt gegangen wären.

Das Volk zahlt die Zeche

Dem Steuervolk aber dürfte es vermutlich völlig egal sein, ob es die wohl unwiederbringlich verlorenen 20 Millionen € Anschaffungskosten direkt aus dem Stadtsäckel oder auf dem Umweg über eine städtische GmbH zahlt, letztlich ist das nur Zahlengeklimper, das nichts an der Sache ändert. Der Verwaltung ist dies allerdings nicht egal, denn bei der ursprünglich geplanten Lösung hätte das Bodenseeforum pro Jahr wohl um rund eine Million Euro besser da gestanden, und die Hütte schönzurechnen war von Anfang an ein Herzensanliegen der Stadtoberen. Ansonsten benannte Biskup die üblichen Verdächtigen: Das Catering klappt nicht und bringt nichts ein, es wurde damals mit zu wenig Personal geplant, man hat nicht genug und vor allem die falschen Veranstaltungen etc.

Ein Haus für Kapital und Wissenschaft

Ein Haus für die KonstanzerInnen? Mitnichten. Man barmt um auswärtige Großunternehmen, wissenschaftliche Kongresse und ähnliche Events, die wenigstens etwas Geld in die Kasse bringen, während die KonstanzInnen im Bodenseeforum vor allem als Zahlesel oder beim Tag der offenen Tür erwünscht sind. Vereine etwa tätigen derzeit nur 1,5% der Belegung, aber selbst das ist nur eine eher unliebsame Begleiterscheinung des flauen Geschäfts.

In der Debatte gab es auf einmal etliche skeptische Stimmen, wo man bisher fast einhellige Jubelarien auf eine Jahrhundertchance hörte. Jürgen Faden (FWK) etwa forderte, selbstverständlich müsse das Haus nicht nur im Betrieb schwarze Zahlen liefern, sondern auch die Abschreibungen wieder einspielen. Rückblickend meinte er, leider hätten die Freien Wähler damals nicht auf ihren Zweifeln beharrt. Immerhin machte er sich Mut mit dem Ausruf: „Zum Verschenken ist es aber noch zu früh.“ Matthias Schäfer (JFK) erinnerte sich, dass Kritik an der Beratungsleistung von Michel Maugé damals als Majestätsbeleidigung gegolten habe, und auch Heinrich Everke (FDP) fühlt sich nachträglich von dem Berater verschaukelt.

Versuchte Tarifflucht

Jan Welsch (SPD) brachte Butter bei die Fische und nannte die anfangs geplante GmbH eine versuchte „Tarifflucht“ zu Lasten der Beschäftigten des Bodenseeforums. Er geißelte zurecht die Eröffnungsphase ohne funktionierende Controlling-Software als „laienhaften Blindflug“. Till Seiler (FGL) lieferte die gründlichste Analyse der Maläse, seemoz dokumentiert seinen Beitrag morgen an dieser Stelle in ganzer Länge. Für die Linke Liste, deren beiden VertreterInnen damals gegen das Bodenseeforum stimmten, erklärte Holger Reile, man habe hier ein Fiasko zulasten der Konstanzer Bürgerschaft angerichtet, mit dem sich bald auch der Steuerzahlerbund beschäftigen werde.

Bisher jedenfalls hat das Bodenseeforum, das als Goldesel geplant war, rund 25 Millionen € städtischer Mittel für Anschaffung und Betrieb verschlungen (wenn’s denn langt). Michel Maugé hat beste Aussichten, als Sündenbock zum Stadtfeind No. 1 zu avancieren. Die Aussichten auf Besserung für den Patienten und damit für das Stadtsäckel: Man hat in den letzten Jahrtausenden noch nicht allzu viele von den Toten wieder auferstehen sehen.

O. Pugliese

Eine ausführliche Chronik des Bodenseeforums zum Herunterladen: SitzungsvorlageBFK_070218_CB_AnlageSV