BoFo: Alle haben Angst vor den WählerInnen
Plötzlich waren alle schon immer dagegen – man fragt sich, wo die satten Mehrheiten aus der Vergangenheit für das Bodenseeforum (BoFo) her kamen. In der Sitzung des Konstanzer Betriebsausschusses am letzten Dienstag gab es niemanden, der für das BoFo in die Bresche sprang. Höchstens OB Burchardt versuchte, an seinem Lieblingsprojekt zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Halbwegs gelang ihm das – mit einem windigen Trick.
Zur Erinnerung (seemoz berichtete ausführlich letzten Donnerstag): Der aktuelle Quartalsbericht des Bodenseeforums weist ein zusätzliches Defizit von gut 600.000 aus und sagt einen Jahresverlust von annähernd zwei Millionen voraus. Von diesen erneut vernichtenden Zahlen aufgeschreckt, schlug das Rathaus vor, eine externe Agentur fünf Zukunftsszenarien für das Haus prüfen zu lassen – von „weiter so“ bis zum Teilverkauf – Kostenansatz: Mindestens 150.000 Euro.
Doch davon wollten die GemeinderätInnen gar nichts wissen. „Der Patient hat kaum noch Puls“, konstatierte Holger Reile (LLK), „wann sagen wir endlich Stopp?“, fragte Dorothee Jacobs-Krahnen (FGL) und Jürgen Faden von den Freien Wählern bekannte: „Ich habe einen Fehler gemacht, als ich vor Jahren diesem Plan zustimmte“.
Räte mit Gedächtnislücken
Da hatten es die jüngeren Räte leichter: Matthias Schäfer (JFK) war noch nicht im Gemeinderat, als die Entscheidung für das Millionengrab fiel, „aber ich war immer schon dagegen“, verkündete er ebenso wie Jan Welsch (SPD). Beide aber vergaßen zu erwähnen, dass sie seit Jahren jedem Defizitausgleich zugestimmt hatten, den das BoFo-Management und die Rathausspitze ihnen abverlangte.
Einzig Heinrich Everke (FDP) bekundete noch Sympathien für das Projekt, „denn wir brauchen das Geschäft“, wobei er weniger an das Tagungsgeschäft als an die Gewinne von Hotellerie und Gastronomie dachte. Das war die einzige Stimme im Ausschuss, die dem OB zur Seite sprang, der fast schon verzweifelt „Konstanz als Tagungsort“ beschwor und behauptete: „Ein Oberzentrum braucht einen Kongresssaal“, und fragte: „Sollen wir alles auf Null drehen?“ Nicht nur Holger Reile von der Linken Liste, die als einzige von Anfang an gegen das BoFo votiert hatte, antwortete mit einem Kopfnicken: „Immerzu stimmte der Gemeinderat euphorisch zu, dennoch empfinden wir keine Schadensfreude, Recht behalten zu haben.“ Folgerichtig sprach er sich dafür aus, einen Teilverkauf ernsthaft zu prüfen.
Externe Beratung – nein, aber
An der von der Verwaltung vorgeschlagenen „Beratung durch Externe“ gab es Kritik quer durch alle Fraktionen, wenn auch Roger Tscheulin (CDU) „Alternativen zum Status quo“ verlangte. Vor allem dem Preis von nochmals mindestens 150.000 Euro wollte kein Ausschussmitglied zustimmen. Die rettende Idee kam dann Uli Burchardt, unterstützt vom Kämmerer Ulrich Schwarz: Man solle externe Berater beauftragen, drei Zukunftsszenarien zu formulieren statt bislang fünf; dieser Ansatz würde – in nicht öffentlicher Sitzung – dem Ausschuss erneut vorgelegt, der erst dann über den endgültigen Auftrag entscheiden soll. Bei vier Gegenstimmen und einer Enthaltung wurde dieser Antrag nach dreistündiger Diskussion angenommen.
Diesem windelweichen Kompromiss wurde wohl nur des Zeitplans wegen zugestimmt, denn Ergebnisse sollen erst im Juli 2019 vorgelegt werden – rechtzeitig nach der Wahl eines neuen Gemeinderates und ausreichend lange vor der Oberbürgermeister-Wahl. Sowohl OB als auch manche Volksvertreter fürchten anscheinend, dass ihnen das BoFo-Problem erst richtig auf die Füße fallen wird, wenn sich die WählerInnen an das Millionen-Debakel noch erinnern können. Doch das Geisterhaus am Seerhein bleibt stehen – als Mahnmal für eine beispiellose Steuergeld-Verschwendung.
hpk (Bild: Lorth, Gessler, Mittelstaedt)
@Peter Magulski: Volle Zustimmung. Bei anhaltender defizitärer Lage mit „erstmal weiter so“ zu reagieren, ist zu mit einem Patient zu vergleichem, dem trotz Lungenentzündung die Antibiotika vorenthalten werden.
Darüber hinaus kann ich mir vorstellen, dass in einer DoppelHochschulstadt mit einem ausgeprägtem & kompetenten Tourismusektor genug Wille und Kompetenz da ist, in einem eintägigen #KonstanzHack verschiedenen Lösungsszenarien quasi kostenlos zu generieren, welche den Beratungsmandaten qualiativ nahekommen.
@v.cagalj
Sie behaupten leider Dinge, die Sie nicht belegen können. Ganz Konstanz will sicher keine Stadthalle. Auch Ihr Wunsch, eine solche möge maximale Kosten von jährlich 250 000 Euro verursachen, ist völlig illusorisch. Auch diejenigen, die schon seit Jahren in Betrieb sind, weisen alle ein Minus von rund zwei bis drei Millionen aus. Wenn Sie, Herr Cagalj, allerdings Geld loswerden möchten, wenden Sie sich getrost an den städtischen Kämmerer oder geben es gleich im BoFo ab.
Selbstverständlich wollen die meisten Konstanzer eine eigene Stadthalle, der komplette Gemeinderat hat das bestätigt.
80% aller Kosten verursacht nämlich das 14-köpfige Personal, welches bislang recht erfolglos agiert, was das avisierte ‚Tagungsgeschäft‘ angeht.
Ansonsten ist die ‚Stadthalle am Seerhein‘ selbst ein kommerzielles Schnäppchen der Stadt Konstanz.
Ziel der Stadthalle sollte ein max. jährlicher Verlust von 250.000,- € sein.
Ich erkläre mich bereit vorgenannten Verlust zu generieren.
@Velibor Cagalj: Ist das ironisch gemeint?
@Velibor Cagalj
Ich habe keinesfalls vorgeschlagen morgen das BoFo dicht zu machen und alle Mitarbeiter zu entlassen, es geht hier um die _Entscheidung_ _was_ denn gemacht und verändert werden soll.
Diese _Entscheidung_ aufzuschieben bringt auch den Mitarbeitern nichts, im Gegenteil in so einer unsicheren Lage werden sich die Probleme wohl nur vergrößern. Ohne Perspektive und klaren Plan, wird es umso schwerer werden die Mitarbeiter zu halten.
@ Peter Magulski
So schnell geht das leider nicht – das Bodenseeforum hat 14 angestellte Mitarbeiter.
Im Übrigen: Die meisten Konstanzer wollen eine eigene Stadthalle, halt billiger.
Aus (meiner persönlichen) unternehmerischen Sicht empfinde ich es als grob fahrlässig Monat für Monat mehr als 160.000 Euro, Tag für Tag mehr als 5.000 Euro für mindestens ein weiteres dreiviertel Jahr zu verbrennen, bevor sich etwas ändern soll, anstatt SOFORT grundlegende Änderungen vorzunehmen.
Wäre das BoFo nicht im Liquiditätsverbund der Stadt sondern ein ganz normales Unternehmen, würde so ein Verschleppen gar nicht erst als Alternative zur Verfügung stehen, denn eine Bank oder die Geldgeber würden wohl in so einer Krise keine weiteren Kredite zur Verfügung stellen.
„Insanity is repeating the same mistakes and expecting different results.“ (Narcotics Anonymous)