Bofo: Hungriges schwarzes Loch am Rande der Galaxis

Am Dienstag geht es ab 16 Uhr einmal mehr um die Finanzen des Bodenseeforums, um die es weiterhin so schlecht bestellt ist, dass sich immer mehr Konstanzer GemeinderätInnen nach dem Sinn und Zweck weiterer Zuschüsse für das Millionengrab fragen dürften. Doch Rettung ist in Sicht: Das Junge Forum hat fürs Bofo wieder einmal einen neu-alten Lösungsvorschlag aus dem Hut gezaubert und will die Namensrechte an dem äußerlich schmucken, aber betriebswirtschaftlich maroden Objekt meistbietend verkaufen.

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Die ersten ungefähren Zahlen des Bodenseeforums für 2019 sind der Sitzungsvorlage der Verwaltung zu entnehmen, und eins wird schon nach einem flüchtigen Blick in die Unterlagen klar: Das Bofo hat auch im letzten Jahr die Öffentlichkeit wieder Millionen gekostet. Nach Angaben der wahrlich nicht zu beneidenden Geschäftsführerin Ruth Bader „schließt das Wirtschaftsjahr 2019 bei Betriebserträgen in Höhe von 1.221 T€ mit einem Jahresergebnis von -1.381 T€ ohne Abschreibungen. Der Betriebskostenzuschuss mit Abschreibungen beträgt vorbehaltlich der Jahresabschlussprüfung 2.307 T€.“ Den Betriebskostenzuschuss zahlt wohlgemerkt die Allgemeinheit.

Das schwarze Loch am Seerhein

Mit anderen Worten, die „Jahrhundertchance“ Bofo hat es sich wie in den Jahren zuvor auch im letzten Jahr nicht nehmen lassen, Millionen öffentlicher Gelder zu verschlingen. Gewiss, auch die Philharmonie und das Theater kosten einiges, aber sie bieten vielen Menschen aus der Region und darüber hinaus einen echten Gegenwert, auch wenn Kultur in einem gewissen Sinne unbezahlbar ist.

Ruth Bader hält aber auch ein kleines Guzzele bereit, und so gehört sich das auch für die Geschäftsführerin eines Problemunternehmens: „Das Betriebsergebnis fällt um 373 T€ besser aus als im Vorjahr.“ Mit anderen Worten: Die Verluste waren früher noch schlimmer. Eine Trendwende hin zu einem wirtschaftlich gesunden Betrieb ist das natürlich nicht. Mit 111 Veranstaltungen an 151 Veranstaltungstagen und ca. 38.000 BesucherInnen war das Unternehmen 2019 immer noch weit von den einst stolz prognostizierten über 200 Veranstaltungen pro Jahr entfernt, und die erzielten Umsätze haben mit den einst verheißenen rein gar nichts zu tun.

Seit seiner Inbetriebnahme am 21. Oktober 2016 ist das Bodenseeforum ein wirtschaftlich vielfach vorbelasteter Komapatient, dem natürlich auch die aktuelle Pandemie massiv zusetzen wird. Anders als bei menschlichen Corona-Opfern muss man sich in diesem Fall allerdings fragen, ob es sich lohnt, eine derart marode Institution weiter künstlich am Leben zu halten und dafür öffentliche Mittel aufzuwenden, an denen es in absehbarer Zeit allerorten fehlen wird. Die mehrheitliche Entscheidung des Gemeinderates aus dem letzten Herbst, das Haus irgendwie mehr „für alle“ zu öffnen, hört sich erst einmal ganz gut an, ist aber Augenwischerei. Das Geld sollte mit hochkarätigen Tagungen und Kongressen verdient werden, und die machten auch 2019 nach jahrelangen Bemühungen um die zahlungskräftige Kundschaft gerade einmal die Hälfte der stattgehabten Events aus. Der Rest bringt – wie unter der Hand verlautet – bestenfalls Peanuts.

2020 könnte richtig übel werden

Der Ausblick auf 2020, wie er sich vor (!) Corona darstellte, ließ keine nennenswerte Besserung erwarten. Bis 29. Februar 2020 wurden 79 Veranstaltungen fest gebucht, und es wurde aufs Jahr mit etwa 90 Veranstaltungen und Umsatzerlösen von 1,2 Millionen Euro gerechnet. Diese Prognose hielt sich also ganz im Rahmen des unerfreulichen Vorjahres. Auch 2020 war also zu keinem Zeitpunkt eine Trendwende in Sicht, und das Finanzloch wäre auch ohne Corona in diesem Jahr wieder verheerend ausgefallen.

Angesichts von Corona dürfte sich die Lage erheblich verschlimmern. Natürlich ist es den Beteiligten, schon gar nicht der rührigen Ruth Bader, nicht anzulasten, wenn die Kongress- und Veranstaltungswelt plötzlich wegen eines Virus zusammenbricht, wenn Veranstaltungen ganz abgesagt werden oder die TeilnehmerInnenzahl stark beschränkt werden muss. Wie es weitergeht, weiß im Grunde niemand, denn die kommende Entwicklung ist nicht absehbar. So wird das Millionenloch in diesem Jahr wieder wachsen.

Wie viel Geld ist seit 2016 in dieser Verbrennungsanlage insgesamt vernichtet worden? Man will es gar nicht so genau wissen. Dass die Geschäftsführung von der Eigentümerin Stadt bis Jahresende ermächtigt wurde, die Preise für Veranstaltungen im Bofo zu senken, dürfte auch nicht helfen. Große und damit lukrative Veranstaltungen haben viel längere Vorlaufzeiten, wenn sie denn überhaupt erlaubt werden, und die mögliche Kundschaft weiß auch nicht, was in den nächsten Monaten geschieht und ob sie ihre Meetings nicht besser gleich digital abhält. Auf einem weitgehend leergefegten Markt dürften sich Kongress- und Veranstaltungshäuser weltweit eine mörderische Rabattschlacht liefern, an deren Ende es kaum Gewinner geben kann.

Einfach selbst buchen?

Ein wenig Geld kommt denn doch gänzlich unerwartet in die klamme Kasse, denn die Stadt hält etliche Sitzungen im Bofo ab und bezahlt dafür natürlich auch ans Bofo. Nun ist es naheliegend, dass die Stadt Leistungen, die sie braucht, weil der Ratssaal während Corona zu klein für Sitzungen ist, zuerst einmal bei einem ihrer Eigenbetriebe einkauft. Angesichts einer Stadtverwaltung allerdings, die sonst immer ganz schnell bei der Hand ist, Leistungen an Private auszulagern, ist es verständlich, dass Bofo-SkeptikerInnen in den Reihen des Gemeinderates mutmaßen, durch das Abhalten möglichst vieler Sitzungen dort solle möglichst viel weiteres städtisches Geld in die Kassen des Prunkbaus gespült werden, um dessen Bilanzen ein wenig aufzuhübschen. Dabei sind nicht alle StadtväterInnen mit diesem Veranstaltungsort zufrieden, denn es heißt aus dem Gemeinderat, es sei in dem Ding einfach viel zu kalt. Angesichts dieser Zahlen kann allerdings auch ein Kaltblüter Gänsehaut kriegen.

RothausBodenseeColosseum, ruppaner building, seemoz-Forum?

Das Fazit des Jungen Forums Konstanz (JFK) ist also nicht von der Hand zu weisen: „Das hohe und auch in Zukunft bestehende Defizit des Bodenseeforums ist vor den Konstanzer Einwohnerinnen und Einwohnern nur schwer zu rechtfertigen – Geld, das eigentlich dringend an anderer Stelle benötigt wird. Zum Beispiel für etwa 80 Vollzeit-Krankenpflegestellen, oder ca. 15.000 m² Solarpanels auf unseren Dächern oder 5 Elektrobusse usw.“

Die Lösung des JFK allerdings, die Namensrechte am Bofo zu verkaufen, wirkt bestenfalls gut gemeint und dürfte – Interessenten einmal vorausgesetzt – kaum mehr bringen, als es happige Eintrittsgelder für die Toiletten täten. Die Verwaltung konstatiert in ihrer Ablehnung des JFK-Vorschlages, es sei „nicht davon auszugehen, dass es sich um eine deutliche Reduzierung handeln würde, da die mediale Wahrnehmung einer Veranstaltungshalle mit maximal 1.000 sitzenden Besuchern eher gering anzusetzen ist.“ Mit anderen Worten: Wer will sich schon an einer unbekannten kleinen Halle in der Provinz verewigt sehen und dafür auch noch viel Geld zahlen? Beiseit‘ bemerkt reibt man sich verwundert die Augen: Sonst ist das Bofo aus Sicht der Verwaltung doch kein unbekannter Maulwurfshügel, sondern der weithin strahlende Mount Everest der internationalen Veranstaltungsszene.

Wie die Mitbesitzerin der Immobilie, die Industrie- und Handelskammer, zu einem Namenswechsel steht, wäre natürlich auch noch zu ergründen. Außerdem führen solche Immobiliennamen schnell zu Konflikten – Ruppaner wird seine Sektempfänge vielleicht nicht unbedingt gerade im RothausBodenseeForum abhalten wollen, und etliche Menschen könnten sich am Schriftzug eines Rüstungskonzerns, einer Metzgerei oder einer ihnen sonst wie verhassten Institution stören. (Selbst die offenkundig gemeinnützige Umbenennung in „seemoz-Forum“ könnte bei einer ebenso uneinsichtigen wie lautstarken Minderheit auf unverhohlene Ablehnung stoßen.) Ob sich das alles irgendwie rentieren würde, ist am Ende fraglich: Schließlich müsste man nach einer Umbenennung Werbematerialien, Dienstkleidung, Drucksachen usw. neu produzieren, was einen Haufen Geld kostet.

Immerhin hat die Ausrufung des Klimanotstandes Spuren hinterlassen, denn immerhin vergisst die Verwaltung nicht zu erwähnen, dass all die nach einer Umbenennung notwendigen Änderungen zu allem Überdruss auch noch das Klima schädigen würden.

Was: Öffentliche Sitzung des Betriebsausschusses Bodenseeforum Konstanz. Wann: Dienstag, 16.06.2020, ab 16 Uhr. Wo: Bodenseeforum, Reichenaustraße 21, 78467 Konstanz. Der Eintritt ist wie immer frei.

O. Pugliese (Text & Bild)

08:45 Uhr: Ich habe in diesem Text einen sinnentstellenden Fehler korrigiert und ein fehlendes „nicht“ vor „anzulasten“ nachgetragen. Ich bitte um Entschuldigung, O.P.


Weitere Informationen: Sitzungskalender