Bombenstimmung beim Südkurier

In ihrer jüngsten Ausgabe der kleinen Wanderbeilage „Die Region erleben!“ stellt unsere beste und einzige Heimatzeitung Südkurier die Insel Reichenau vor: Fachkundig und detailgenau weist uns der Wanderredakteur den Weg um das Eiland: Heimatkunde, wie man sie vermitteln soll, praxisnah, lehrreich und im handlichen Westentaschenformat – eine nützliche Serie, anschaulich aufgemacht. Wäre da nicht die leidige Käuflichkeit der Medienhäusler im Oberlohn.

Am Ende des aktuellen Reichenau-Tourenhefts findet sich ein wohl teuer verkaufter Tipp für die eben noch naturnah gestimmten Wandersleute: Man möge die Rundwanderung um die Reichenau ausgerechnet im Konstanzer Industriegebiet abschließen. Dort, beim Unternehmen „Escape Game – Trap Konstanz“ warteten Spaß und Spannung pur: Es „müssen innerhalb einer bestimmten Zeit Rätsel gelöst werden, um eine fiktive Bombe zu entschärfen oder aus einem Raum zu entkommen.“

Das sei ein „ungewöhnliches Vergnügen für Gruppen und Kinder ab etwa 12 Jahren“. Wer „Spaß am Kniffeln und um-die-Ecke-denken“ habe, der sei dort richtig. Auf ihrer Homepage preist die Konstanzer Niederlassung der Kette „Escape Game“ ihr Angebot an: „Tauchen Sie ein in eine Welt voller Abenteuer, Action und rätselhaften Ereignissen. Das Browserspiel Escape Game, was in der Genre Adventure zu finden ist, wird nun zur Realität. (…) Ihre Aufgabe besteht darin, Hinweise richtig zu deuten und Rätsel zu lösen, um so schnell wie möglich aus dem Raum zu kommen.“

Das Heft erschien am Tag, als in Manchester gerade 22 Menschen von der Bombe eines Attentäters zerrissen worden waren. Ist das nun die bittere Ironie der Wirklichkeit oder kreuzdumme Geschmacklosigkeit des Product-Placements beim Südkurier? „Bomben entschärfen“ und „sich aus der Gefangenschaft befreien“ als neue Räuber-und Gendarm-Spiele für die kleinen und großen Buben des 21. Jahrhunderts? Dann würden die Südkurier-Jungs prächtig dazu passen. Islamistische Attentate erschüttern die Städte der westlichen Welt, überall sterben Menschen, aber in Konstanz lernt man mit Hilfe des Südkurier, der Bombe humorvolle Seiten abzugewinnen.

Giancarlo Vanotti