Braucht Konstanz mehr Gas?
Das Klimabündnis „Konstanz klimapositiv 2030“ hat es sich zum Ziel gesetzt, Konstanz bis 2030 klimapositiv zu machen; das heißt, Konstanz soll in zehn Jahren der Umwelt mehr Treibhausgase entziehen, als die Stadt ausstößt. Das Bündnis hat sich jetzt mit den Plänen, Konstanz über eine neue Pipeline mit mehr Gas zu versorgen, intensiv auseinandergesetzt. Das Fazit des Gutachtens: Wir brauchen mehr erneuerbare statt fossiler Energien.
Auslöser des Gutachtens des Klimabündnisses war ein anderes Gutachten: Die FfE, die Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft mbH in München, hatte unter dem Datum 12.11.2021 einen Abschlussbericht zur Versorgungssicherheit für die Stadtwerke Konstanz SWK geliefert, der hier aufgerufen werden kann. Dessen Fazit: „Die Analysen zeigen, dass aktuell für eine länger andauernde Kälteperiode eine Deckungslücke der Gasversorgung im Versorgungsgebiet der SWK von ca. 100 MW besteht. Zusätzlich zu benötigten kurzfristigen Lösungsoptionen für die kommenden Winter ist die Umsetzung von weiteren investitionsintensiven Lösungsoptionen notwendig. Hier können aus den analysierten Lösungsoptionen nur der Aufbau einer LNG[Flüssigerdgas]-Anlage (Leistung von 100 MW), wofür zunächst noch detaillierte Machbarkeits- und Kostenschätzung ausstehen, oder der Bau einer zweiten Versorgungsleitung helfen, die Versorgungssicherheit im Versorgungsgebiet herzustellen.“ „Als bislang technisch favorisierte Lösung“, so heißt es weiter vorn in diesem Dokument, „hat sich der Bau einer zweiten Erdgas-Fernleitung von der Schweiz nach Konstanz herausgestellt […]. Zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Leitung soll diese auch reinen Wasserstoff durchleiten können (Fachbegriff: H2-ready).“ Der Gedanke ist wichtig, denn immerhin wird eine solche Leitung auf eine Nutzungsdauer von mindestens 40 Jahren ausgelegt.
Keine fossilen Energien
Diesem Gutachten widerspricht „Konstanz klimapositiv 2030“ vehement und hat es sich damit wahrlich nicht leicht gemacht. Auf 14 Seiten wird aufgelistet, welche Mängel die Klimaförderer in der FfE-Studie entdeckt haben. Ihr Fazit ist eindeutig: „Die Zukunft der Hauswärme in Konstanz liegt in Erneuerbaren Energien. Die Sicherung der Konstanzer Wärmeversorgung braucht keine Großinvestitionen in fossile Erdgasinfrastruktur.“ Damit ist schon einmal ein prinzipieller Unterschied sehr deutlich benannt: Das Klimabündnis ist grundsätzlich gegen den Ausbau fossiler Energien und für einen klimaschonenden Umbau der Energieversorgung.
Wichtige Kritikpunkte am FfE-Gutachten sind, „dass dessen Annahmen zum Klimaschutz unrealistisch weit entfernt von der beschlossenen Klimaneutralität bis 2035“ sind. Außerdem werde „nicht fundiert geklärt, ob überhaupt eine Gefährdung der Versorgungssicherheit besteht, und das Spitzenlastmanagement als Krisenprävention wird nicht ausreichend berücksichtigt“. Zudem seien bei den Wirtschaftlichkeitsberechnungen die voraussichtlich steigenden Gas- und CO2-Preise nicht ausreichend berücksichtigt worden, und es werde nicht thematisiert, dass bei der zu erwartenden verstärkten Nutzung „klimaneutraler Heizungssysteme immer weniger Restkunden die teure Gasinfrastruktur bezahlen“ müssen.
Auch die Forderung des FfE-Gutachtens, die Leitung für den Transport von Wasserstoff zu ertüchtigen, sei wenig sinnvoll, da „grüner Wasserstoff nach einhelliger Expertenmeinung und der Wasserstoffstrategie der BRD für den Gebäudesektor keine Rolle spielt“. Wasserstoff eigne sich eher für industrielle Prozesse und den Antrieb von Fahrzeugen als für die Gebäudeheizung. Auch das ifeu-Institut, das die Konstanzer Klimaschutzstrategie federführend betreut hat, gibt Wasserstoff für Heizzwecke ausdrücklich keine Chance.
Zeit für eine Energiewende
Die Forderungen, die „Konstanz klimapositiv 2030“ aus seiner Kritik am Gutachten von FfE ableitet, sind sehr eindeutig:
„1. Die Stadtwerke Konstanz sollen die Planung der zweiten Gaspipeline bzw. einer Flüssiggas-Anlage und die aktive Anwerbung neuer Gaskunden umgehend stoppen.
2. Die Stadtwerke Konstanz sollen in den Aufbau von Wärmenetzen (auch Seewärme) investieren und damit ein zukunftsträchtiges Geschäftsfeld entwickeln, das langfristig Einnahmen sichert und unabhängig von Energieimporten macht.
3. Wo Wärmenetze nicht rentabel betrieben werden können, sollen die SWK den Umstieg auf Wärmepumpen als Heizsystem durch Beratung und Anreizprogramme deutlich beschleunigen.“
Insgesamt erscheinen die Stadtwerke Konstanz nach Lektüre der Stellungnahme der Klimaschützer als ein Unternehmen, das weiter unbeirrt auf Konzepte von gestern oder gar vorgestern setzt, statt seine Geschäftsmodelle etwa an den Anforderungen der Konstanzer Klimaschutzstrategie auszurichten, die im Gemeinderat ja gerade viel zu reden gibt und dieser Tage beschlossen werden soll. Während allerorten von alternativer Energieerzeugung die Rede ist, wollen die Stadtwerke größere Mengen eines wahren Energie-Dinos nach Konstanz und Umgebung leiten. Oder in den Worten des Klimabündnisses: „Die Zukunft der Gebäudewärme für Konstanz und andere Städte liegt in Erneuerbaren Energien und hier insbesondere in Wärmenetzen und Wärmepumpen, die mit erneuerbaren Energiequellen bzw. erneuerbarem Strom betrieben werden. Diese Zukunft ist mit dem Gemeinderatsbeschluss vom März 2021 zur weitgehenden Klimaneutralität bis 2035 auch politisch beschlossen. Hohe Investitionen in neue Erdgasinfrastruktur leisten keinen Beitrag zu dieser Wärmezukunft.“
Das „Konstanz klimapositiv 2030“-Gutachten kann hier gelesen und heruntergeladen werden.
Aktion von Extinction Rebellion
In der Nacht zum Montag sind an Bushaltestellen und in Leuchtkästen im Konstanzer Stadtgebiet neue und überraschend ehrliche Plakatmotive der Stadtwerke Konstanz aufgetaucht. Die Plakate zeigen den Gasspeicher der Stadtwerke und den Slogan „Für dich: Mit Vollgas in die Klimakrise“. Die Verwunderung über so deutliche Worte dürfte aber nur kurz anhalten, erklärt doch ein Hinweis weiter unten, dass es sich um eine Aktion der Umweltgruppe Extinction Rebellion handelt. Mit dem Adbusting, so nennt man das bewusste Verfremden von Werbeplakaten, wenden sich die Aktivist:innen gegen den derzeit von den Stadtwerken erwogenen Bau einer zweiten Gasleitung nach Konstanz. Diese sei, so Extinction Rebellion, nicht nötig und würde das Erreichen der städtischen Klimaziele verhindern.
Weitere Informationen von XR finden Sie hier.
Text: MM/red, Fotos: Extinction Rebellion
Stadtwerke Geschäftsführer Norbert Reuter äußerte sich diese Woche gegenüber Extinction Rebellion, dass der Bau einer weiteren Erdgasleitung höchst unwahrscheinlich sei.
OB Burchhardt hat der Gaspipeline – zwischen den Zeilen – abgesagt. Keine zweite Gaspipeline für Kostanz: https://twitter.com/uliburchardt/status/1497455374408077312