Bürger auf den Barrikaden
Gerade im Sommer ist die Rheinuferpromenade ein beliebter Treffpunkt der Konstanzer und Konstanzerinnen, was die Anwohner der schmucken Häuser auf dem ehemaligen Herosé-Areal an der Reichenaustraße auf die Barrikaden treibt. Sie berichten von Lärm, Vandalismus und Scherben und fühlen sich von Polizei und Verwaltung im Stich gelassen
Wie viele verschiedene Perspektiven auf die Situation an der Rheinpromenade und an der Seestraße es gibt, wurde in der letzten Gemeinderatssitzung deutlich. Während Anlieger von Zerstörungs- und Gewaltorgien berichten, sieht die Polizei die Lage eher entspannt, und die Stadt, die gerade die Einrichtung eines kommunalen Ordnungsdienstes prüft, zeigt sich hilflos.
Für Hans-Rudi Fischer, den Leiter des Bürgeramtes, steht die rechtliche Situation im Vordergrund: Er braucht eine gesetzliche Grundlage, auf der er Entscheidungen treffen kann, die – anders als das vom Verwaltungsgerichtshof gekippte Konstanzer Glasverbot – auch vor Gericht Bestand haben. Und hier gibt ihm der Gesetzgeber nach seinen Aussagen nicht allzu viel an die Hand, der öffentliche Raum gehört – mit Einschränkungen – allen Bürgerinnen und Bürgern, auch wenn diese mal über die Stränge schlagen.
Alfred Reichle vom Konstanzer Polizeirevier wiederum gilt das Gebiet an Seerhein und Seestraße als nicht kriminalitätsbelastet, denn in einem Jahr wurden dort lediglich 10 Straftaten registriert; auch der Vandalismus hält sich für ihn zwischen Rheinufer und Reichenaustraße in Grenzen, und 2014 ist die Konstanzer Polizei lediglich einige Male zu Einsätzen wegen nächtlicher Ruhestörung dorthin ausgerückt. Allerdings sind die Möglichkeiten der Polizei begrenzt, denn nachts sind in Konstanz nur drei Streifen im Einsatz, die weder zeitnah anrücken noch Dauerpräsenz zeigen können. Aus Sicht der Polizei wird es problematisch, wenn Menschen in größerer Menge auftreten, aber nach Reichles Angaben ist die Polizei ohnehin ziemlich machtlos, weil gesetzliche Instrumente wie Glas- und Alkoholverbote nicht zur Verfügung stehen. Angesichts der von ihm geschilderten Personalsituation dürfte allerdings auch offen sein, ob solche Verbote, wenn es sie denn gäbe, tatsächlich durchzusetzen wären, so lange nächtliche Parties noch nicht als Kapitalverbrechen gelten.
Sodom und Gomorrha am Seerhein?
Ein ganz anderes Bild zeichnete in einem Lichtbildervortrag Christian Millauer von der Bürgergemeinschaft Petershausen: Es sei vor allem das schlechte Wetter dieses Sommers gewesen, das zu einer Entspannung der Lage geführt habe, außerdem hätten viele Anwohner resigniert und griffen gar nicht erst zum Telefonhörer, um die Polizei zu informieren. Runde Tische, Nachtwanderer, Gesprächsrunden, das alles habe nichts an der Situation geändert, und die sei geprägt von Lärm, verbotenem Grillen, betrunkenen Erwachsenen, Vandalismus und wahren Urinseen. Er beklagte, dass es zwar alle möglichen Ge- und Verbote gebe, dass aber niemand da sei, der deren Einhaltung durchsetze. So hätten die Anwohner sich gezwungen gesehen, auf eigene Kosten eine Security anzuheuern (zorniges Getuschel auf den Zuhörerbänken: „Das geht alles auf unsere Kosten, das soll die Stadt zahlen.“).
Die Forderungen der Bürgergemeinschaft laufen auf den starken Staat in Form eines ab 21 Uhr ständig anwesenden kommunalen Ordnungsdienstes oder auf einen rechtlich fragwürdigen und vom Gemeinderat mehrheitlich abgelehnten, von der Stadt zu finanzierenden privaten Sicherheitsdienst hinaus. Verstöße jedenfalls müssten sofort mit Bußgeldern oder Platzverboten geahndet werden. Den nächtlichen kommunalen Ordnungsdienst befürwortet die Bürgergemeinschaft nicht erst für 2016, wie das derzeit in Erwägung gezogen wird, sondern sie will schon für 2015 zumindest eine (Zwischen-) Lösung.
Der Präventionsrat soll’s richten
Von Grünen und SPD wurde auf den frisch eingerichteten Präventionsrat verwiesen, in dem Bürgervertreter zusammen mit Studenten, Polizei, Verwaltung und anderen Institutionen nach Lösungsvorschlägen suchen sollen. Andreas Ellegast (CDU) kommentierte das trefflich mit „Wenn Du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis“. Insgesamt stieß die Debatte bei den hörbar erbosten Bürgerinnen und Bürgern im Publikum auf wenig Gegenliebe, denn es gab immer wieder Kommentare wie „Alles nur dummes Geschwätz und kein einziger Vorschlag“. Erst als Matthias Schäfer (JFK) eine massive Erhöhung des Flaschenpfandes forderte, um der Glasscherben Herr zu werden, gab es von den Rängen zustimmendes Geraune, aber man darf wohl bezweifeln, ob ein vom Alkohol inspirierter Mensch des nächtens darauf verzichtet, eine Glasflasche gegen eine Hauswand zu werfen, wenn die Glasflasche 50 Cent statt wie bisher 8 Cent kostet – Generaltugenden wie die Sparsamkeit sind nach Mitternacht nur bei Menschen handlungsleitend, die schon tief und fest schlummern.
Den politisch Schuldigen konnte dank seines Adlerauges Roger Tscheulin (CDU) ausmachen: Die rot-grüne Landesregierung, die die nötigen Gesetze nicht erlasse, um hier mal klare Kante zu zeigen. Tscheulins Äußerung lässt vermuten, dass eine eventuelle CDU-Regierung in Stuttgart die Kavallerie in Marsch setzen wird, um unter den Missetätern gründlich aufzuräumen. Eine etwas weniger martialische Lösung kann sich Ewald Weisschedel (FWK) vorstellen: Er schlug ein begrenztes Glas- sowie ein Alkoholverbot ab 23 Uhr vor.
Die Stadt zeigt sich machtlos
Oberbürgermeister Uli Burchardt beraubte die Anwohner schließlich aller Hoffnungen. Er sagte, die Verwaltung habe keine Mittel, die Nachtruhe durchzusetzen, und er selbst glaube auch nicht an die Wirkung von Präventionsmaßnahmen. Er sieht nur einen Weg, nämlich den Ministerpräsidenten am Ende doch noch umzustimmen, entsprechende gesetzliche Grundlagen zu schaffen. Nach seinem Eindruck habe Winfried Kretschmann – anders als seine Partei – durchaus Verständnis für das Anliegen vieler Städte, und vielleicht höhle steter Tropfen ja doch noch den Stein.
Am Ende also bleibt alles erstmal beim Alten im Kampf zwischen den Interessen der besser gestellten Anwohner und denen einer (gelegentlich ziemlich alkoholisierten) Öffentlichkeit, die sich ihren Platz an der nächtlichen Sonne so bald nicht nehmen lassen wird. Aber vielleicht liegt der Weg zu einer Lösung ja auch ganz woanders? Ein Stadtrat jedenfalls erinnerte an alte Zeiten: „Als wir noch jung waren, gab’s solche Probleme gar nicht erst, denn da konnte man noch überall an den See.“[modal id=“19250“ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: O. Pugliese
Frau Bernecker,
sie machen die Situation schlimmer als sie ist, denn es gibt noch a) die ganze Strecke vom Hörnle bis fast nach Staad, geschätzte 3 km freier Seezugang und zumindest zu meinen Studienzeiten auch traditioneller Uni- Grillstrand, b) das Südufer vom Seerhein, c) die Strecke von der Schmugglerbucht bis fast zum Jakob, wo es meines wissens weder eine nahe Bebauung noch ein Grillverbot gibt und d) hinter Stromeyersdorf , (ein Geheimtipp, mit Grillplatz) Strand zum feiern und grillen, vorausgesetzt man räumt danach auch wieder auf.
Jugend und austoben im freien Gelände- ein etwas antiquiertes Bild.
Die neue Bikeanlage, beide Sportplätze, der Bolzplatz (letztere neu ) und die Halfpipe am Schänzle sind meistens verwaist, vielleicht weil dort der mobile Datenempfang nicht optimal ist. Ach ja, an der Max- Stromeyer- Str. gibts auch einen neuen Kickplatz, wohingegen Waldheim, DJK – Platz, Hockgraben und Fürstenberg schon länger da sind. Lediglich das Wembley ist abgegangen, aber das war auch ein übler Acker mit Pfützen vor beiden Toren. Ansonsten brauchen wir uns vor Kreuzlingen nicht zu Verstecken.
Junge Familien ziehen vor allem deshalb weg, weil auch mit Herd/Betreuungsprämien grössere Wohnflächen zu teuer sind, trotz Nachverdichtung. Die gute Nachricht ist, dass es entlang der Seehastrecke billiger wird, verbunden mit einer -finde ich – tragbaren Mobilitätseinschränkung.
@GJM -Herr Moersch i suppose- nächtliche Ruhestörung muss niemand hinnehmen, wann, wo und wie auch immer, schliesslich ist Schlaf schlicht lebensnotwendig. Ich glaube auch nicht dass ein Sozial- Bauwagen das Problem gelöst hätte.
Zwei Vorschläge: 1. die Anwohner sollten selbst auf die Feiernden zugehen- und ihren Anpruch direkt formulieren, denn so kann vielleicht etwas wie Verständnis für ihre Situation erzeugt werden.
2. Freies Wlan dort, das bei Nutzung auch Errinerungen an die Feierfreunde mailt.
Es gibt sogar noch viel Privatstrand in Konstanz, von Staad nach Egg, von Mainau bis Klausenhorn , (Fliesshorn und Freibad Litzelstetten ausgenommen) , zwar meist unter Landschaftsschutz aber als Privatstrand nutzbar, und der letzte Zipfel vom Paradies.
OB Burchhardt wundert sich, dass ihm die „jungen Familien“ wegziehen? Es reicht eben nicht, Einfamilien-und Reihenhäuschen für jene zu bauen oder extrem massiv nachzuverdichten, ohne an Spielplätze für die Kleinen oder Freiflächen für die Großen zu denken. Nicht nur Kinder und Jugendliche, alle Menschen brauchen Raum. In Konstanz herrscht Verkehrschaos, Menschenmassen verstopfen die Stadt und es ist kein Ende abzusehen. Immer mehr Grün und auch Sportplätze fallen Beton zum Opfer, entlang des Rheins und Sees gibt es, ausser Hörnle und Klein-Venedig, keine Flächen mehr, auf denen sich Jugendliche austoben können, die extrem wachsende Anzahl an Studenten beansprucht logischerweise ebenfalls immer mehr Raum. Bei uns gibt es keinen weitläufigen Park wie in Kreuzlingen, in dem sich wirklich alle Altersgruppen entspannen können – und den Konstanzer Familien schon vor Jahrzehnten für sich entdeckt haben. Offenbar haben die Schweizer ein anderes Konzept, denn von Randale oder Lärm dort hört man nix. Verbote bringen nur etwas, wenn sie kontrolliert werden – und auch dann kann man sie umgehen. Dennoch ist Uli B. für Sanktionen anstatt weitere Prävention. Ein Wohnwagen mit(selbstverständlich bezahlten) Sozialarbeitern als Anlaufpunkt wurde damals abgelehnt, es gab nicht einmal die in KN so beliebte „Testphase“. Dann lieber weiterhin Krach mit den Anwohnern, gell? Die Abstände von Ufer und Wohnhäusern sind zu gering, zudem war eine Promenade mit „urbanen Stufen“ des vorletzten Baubürgermeisters Traum. Trotz negativer Erfahrungen werden diese Fehler wiederholt: Weg mit den Tennisplätzen in der Eichhornstraße, her mit Eigentums- u./od. hochpreisigen Mietwohnungen in Seenähe. Und der Abstand zum Seeuferweg ? Und zu jenen, die in lauen Sommernächten gerne dort sitzen und auch mal grillen? Kaum der Rede wert.
@ H.Dietrich. Die entzogene Nachtruhe ist ja besonders konfliktträchtig. Aber mit diesen Konflikten werden doch die Seestr.-Bewohner schon lange vor der Seerheinbebauung genervt. Also, nichts Unbekanntes. Bekannt war allemal, wer direkt am See wohnt muss wohl auch über diese Störungen aus dem öffentlichen Raum Bescheid wissen . In KN gibt es keine Privatstrände mehr.
Die Bewohner sind nicht in einen öffentlichen Park gezogen sondern wohnen auf eigenem Grund und Boden, der nie öffentlich war.
Dann spielen sie auf den 1. Mai- Spaziergang Reisachers an , aber das hat mit der Situation am Seerhein nichts zu tun, denn dort hat es die Verwaltung mit einem baurechtlichen Trick geschafft das Ufer vor den Grundstücken aufzuschütten.
Am Seerhein dagegen hat es die oft gescholtene Verwaltung den freien Zugang durch einen Bebauungsplan gesichert. In beiden Fällen können die Anwohner den Zugang nicht beschränken.
Dennoch haben alle Anwohner ein Recht auf Nachtruhe.
Man darf nicht vergessen, dass die Seerheinbebauung nach den ersten Plänen noch näher ans Wasser gebaut werden sollte, trotz des immer schon geplanten öffentlichen Zugangs. Besonders durch die Aktivität der „Agenda-Gruppe Herosé“, von arrangierten Petershausener Bürgern, wurde die jetzt erweiterte Distanz erreicht. Ein Konflikt „öffentlicher Zugang“ und der „nahen Bebauung“ war bereits aus den Plänen zu ersehen und wurde bereits vor der Bebauung allseits diskutiert. Trotzdem hat man u.a. noch die Kopfbauten direkt am Seerheinuferweg erstellt.
Ergo – der Konflikt wurde bereits in der Planungsphase erkannt. Besonder durch das Interesse des Bauherrn an einem maximalen Bauvolumen wurde diese Bebauung so eingefordert. Dies dürfte noch den Stadträten, dem Bauherrn und der beteiligten Agenda-Gruppen-Mitgliedern bekannt sein. Es ist so gekommen wie bereits vorher klar war. Alle wussten es, nur den neuen Bewohnern scheint dieser Konflikt erst nach ihrem Einzug aufgefallen zu sein.
Pardon, liebe Hofgarten-Besitzer: Sie sind in einen öffentlichen Park gezogen, der freien Zugang zum Seeufer garantiert. Wenn Sie diesen Zugang einschränken wollen, könnte es – wie vor etlichen Jahren – zu Demonstrationen durch Ihre Vorgärten kommen, die diesen freien Zugang erstreiten. Wollen Sie das ernsthaft, fragt
HP Koch