Bürger sollen Stadtteil planen. Ob das klappt?
Bis auf den letzten Platz gefüllt war die Aula der Geschwister-Scholl-Schule, als am Montagabend Bürgermeister und Experten den Startschuss zur Entwicklung eines neuen Stadtteils in Konstanz gaben. Zwar muss der Gemeinderat morgen noch zustimmen, doch die Bebauung des 60 Hektar großen Gebiets „Nördlich Hafner“ in Wollmatingen soll jetzt zügig beginnen: „Wettbewerblicher Dialog“ heißt der erste Schritt des wohl fünf Jahre langen Verfahrens.
„Dies ist keine politische Veranstaltung“, rief OB Uli Burchhardt den weit über 200 BesucherInnen gleich zu Beginn zu und gab damit den Tenor dieser Motivationsschau vor. Da war viel von Bürgerbeteiligung und von Mitwirkung die Rede, von „konstantem Dialog“ und von der „Abwägung öffentlicher und privater Belange“. Doch was das konkret bedeutet und wie das ablaufen soll, blieb weitgehend im Dunkeln.
Eigentumsverhältnisse werden nicht berührt
In ihrer aktuellen Vorlage für die Sitzung am 16. Februar empfiehlt die Verwaltung dem Gemeinderat die Durchführung eines „Wettbewerblichen Dialogs“, dessen vorbereitende Untersuchung derzeit läuft. Diese „Untersuchung“ soll verschiedene Fragen beantworten, wie z.B. „gibt es Restriktionen für die Entwicklung des neuen Stadtteils?“ oder „wie werden öffentliche und private Belange gegeneinander abgewogen?“ und „wie werden Eigentümer und Nutzungsberechtigte beteiligt?“ Denn soviel scheint festzustehen: Die rund 200 Eigentümer des Hafners sollen zu Bauherren werden, die nicht nur ihre eigene Scholle ausbauen, sondern sich auch an den Gemeinkosten beteiligen sollen.
In dieser ersten Stufe des „Dialogs“ können aber auch bereits Themen wie Mobilität und Umwelt, Alltag und Nachbarschaft, Wohnen und Arbeiten im Quartier erörtert werden. Es geht also auch um neue Wohnformen, auch um Freiräume („Das Einfamilienhaus auf der grünen Wiese ist Geschichte“, so Baubürgermeister Langensteiner-Schönborn), auch um eine erste Kostenübersicht.
Was ist eine soziale Stadt?
Das Verfahren gliedert sich in mehrere Stufen. Jede dieser Stufen endet mit einer größeren Veranstaltung, in der die Planungsteams ihre Vorschläge präsentieren, die dann von einer Jury bewertet werden. Und nicht nur Hafner-Eigentümer, auch Anrainer aus Wollmatingen trugen sich zuhauf in die ausliegenden Listen ein – sie alle wollen an dem versprochenen Meinungsbildungs-Prozess teilnehmen. Ein erstes solches Treffen ist für den Mai vorgesehen.
„Noch ist nichts festgelegt, wir stehen vor einem weißen Blatt“, versicherten unisono der Baubürgermeister und Uli Hellweg, der als Berliner Stadtplaner das „Projekt Nördlich Hafner“ betreuen wird. „Eine soziale Durchmischung“ ist den beiden wichtig und eine Antwort auf die Frage: „Was ist eine soziale Stadt?“ Bis zum Mai soll ein erster Rahmenplan stehen, sollen Bürgerforen ihre Arbeit aufgenommen haben.
Viele Fragen blieben offen
Dennoch blieben am Montagabend etliche Fragen offen. Eigentümer wollten wissen, wie es um Tauschflächen stehe und ob die Verwaltung bereit sei, ihre eigenen Bauregeln infrage zu stellen. Und dann geisterte auch das böse Wort von der Enteignung durch die Aula – Experte Hellweg beeilte sich, das als Schreckgespenst abzutun, „das passiert praktisch nicht“. Zu denken gab der Beitrag von Daniel Gross, der daran erinnerte, dass der Hafner ein Teil Wollmatingens sei und deshalb sollten sich auch die Wollmatinger – und nicht überwiegend KonstanzerInnen – in den Diskussionsprozess einbringen.
Allen im Saal war klar, dass die Wohnungsnot in Konstanz schnelle Lösungen braucht. Umso verwundeter waren dann viele, als Baubürgermeister Langensteiner-Schönborn seinen Zeitplan vorstellte. Mit einem ersten Planungsentwurf rechnet er Mitte 2018, für den Bebauungsplan veranschlagt er ein weiteres Jahr, der Baubeginn sei kaum vor 2022 zu erwarten. Ob auch das klappt?
hpk