BUND-Kritik am HPW: „Das Ziel wurde verfehlt“
Gerade noch rechtzeitig zur heutigen Sondersitzung des TUA meldet sich der BUND-Vorstand mit seiner Kritik am Handlungsprogramm Wohnen (HPW) zu Wort. „Das Ziel (…) die Mietpreise auf einem für Familien und Normalverdiener verträglichem Maß zu halten, wurde verfehlt“ meint der BUND und spricht von einem Versagen der städtischen Wohnungsbau-Politik. Hier die Stellungnahme:
Wenn die Stadtverwaltung in Ihrer Zusammenfassung für den TUA am 10.10.2017 von einer „Wohnbedarfsprognose“ von Empirica spricht, so ist dies falsch ausgedrückt. Selbst Empirica stellt fest: Es ist eine Potentialanalyse, die die maximale Obergrenze der Bebauung darstellt, die auf den von der Stadt vorgegebenen Flächen erstellt werden kann. Es ist Sache der Politik den tatsächlichen Bedarf für die Zielgruppen mittels einer Studie festzustellen und den Zuzug durch entsprechende Angebote bedarfsgerecht zu steuern. Diese Studie wäre sozusagen die Flächen schonende, minimale Ausbauvariante, die auch von den Naturschutzverbänden mitgetragen werden könnte. (http://www.bund-konstanz.de/themen/stadtentwicklung/stellungnahmen- 2014/handlungsprogramm-wohnen/)
Das Ziel des Handlungsprogramms Wohnen (HPW), die Mietpreise auf einem für Familien und Normalverdiener verträglichem Maß zu halten, wurde verfehlt. Im Gegenteil: Die teuren Mieten im Neubau ziehen auch den Mietpreis der Bestandsmieten im freien Wohnungsmarkt deutlich nach oben. Neubau ist nicht die Lösung, sondern Teil des Problems. Nur städtische Bauträger und Genossenschaften schaffen in Konstanz bezahlbaren Wohnraum. Die Wirkung der erhofften Sickereffekte auf die Zielgruppe Familien ist sehr gering. Profiteure der Sickereffekte sind vor allem gut verdienende Singlehaushalte (hier vor allem Rentner) und Studenten WGs.
Umso wichtiger ist es, Familien über den preisgebundenen Wohnbau (Wobak) vermehrt entsprechende Angebote zu machen. Die Preisspirale dreht sich weiter. Im HPW wurden 2014 Preissegmente zugrunde gelegt, die schon damals reinem Wunschdenken entsprachen. Diese Tradition wird fortgesetzt! Die neuen Empfehlungen von Empirica für die Stadt gehen von einer Preisstruktur aus, die sich in den Marktpreisen nicht abbilden lassen. Bereits die Herstellungskosten liegen über den vorgeschlagenen Verkaufspreisen für das untere Segment.
Alle im HPW gebauten Eigenheime und 96% der Wohnungen lagen im oberen Segment und der Preis wird weiter steigen. Das Bauträgergeschäft dient insofern nicht den anvisierten Zielgruppen. Es fördert den Preisanstieg und versiegelt zusätzlich wertvolle Naturflächen. Durch den Neubau wurde nicht nur in absoluten Zahlen mehr Fläche versiegelt, sondern auch die Fläche pro Kopf nahm zu. Hier hat auch der Wahlspruch „Smart wachsen! Qualität statt Quadratmeter!“ vollkommen versagt.
BUND/Vorstand
Bild: Antje Boll, BUND-Geschäftsführerin
Bei manch einer Aussage aus Politik und Verwaltung hat man tatsächlich den Eindruck, als gehe es nicht um eine gesunde Stadtentwicklung, sondern um das Ziel des alleinigen Wachstums. Dabei ist tatsächlich die Frage noch nicht gestellt: Gibt es überhaupt Bedarf für dieses Wachstum? Denn zwischen ihm und dem Potenzial, das theoretisch möglich ist, liegt die ehrliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Nachfrage“. Und eine authentische Antwort kann man hier nicht aus dem Bauchgefühl heraus geben, das uns natürlich sagt: „Ja, jeder will ja nach Konstanz, also gibt es auch Bedarf“.
Denn wahrhaftig scheinen es nach objektiver Betrachtung insbesondere die höheren Preissegmente, die in ihrer großen Mehrheit bedient werden. Die Nachfrage durch zahlungskräftige Interessenten erdrückt den Wunsch der restlichen Bewerber aus den niedrigeren Gehaltsklassen. Kaum jemand hat bisher gefragt, was denn die Bürger der Stadt Konstanz tatsächlich wollen. Den Willen von Teilen der Politik und der Verwaltung kennen wir nun, aber ist das auch die Vorstellung der Konstanzer, wenn es darum geht, wie ihr Lebensumfeld in zehn, zwanzig und dreißig Jahren aussehen soll?
Denn ich bin recht überzeugt, dass sich hier eine Diskrepanz in den Meinungen auftun würde, die man im demokratischen Sinne zumindest diskutieren müsste. Gerade bei der Stadtentwicklung ist Bürgerbeteiligung wichtiger denn je, immerhin geht es um das, was vor der Haustüre geschieht. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Konstanzer Bevölkerung auf eine Durchmischung ihrer Einwohnerschaft verzichten will, nur, um vielleicht irgendwann einmal die 100.000-Einwohner – Marke zu knacken.
Größe um der möglichen Vorteile willen, die ein Wachstum für die Stadt, ihr Ansehen und die Stadtkasse eventuell bringen würde, das kann nicht Leitlinie für eine ernsthafte Fortschreibung der Stadtentwicklung sein. Steuerungsmechanismen müssen immer an vielen Schrauben drehen, um zu einem ausgewogenen Ergebnis zu kommen. Da genügt es nicht, eine Blase an immer neuem Wohnraum zu schaffen, der aber nicht sozial durchdacht ist, sondern lediglich eine erahnte Nachfrage befriedigt. Nicht nur Quantität, sondern auch Qualität der Stadt – das sollte das Credo für die weitere Auseinandersetzung mit dem Entwicklungsprozess von Konstanz sein.