Burchardts Problemfelder: Offenheit und Öffentlichkeit

42 Tagesordnungspunkte (TOP) von teils stadtbestimmender Bedeutung haben die Konstanzer StadträtInnen in der letzten Gemeinderats-Sitzung vor der Sommerpause am Donnerstag abzuarbeiten. Doch beherrscht wird die Sitzung vom Thema: Philharmonie, dem allein vier TOPs gewidmet sind. Und dabei verheddert sich OB Burchardt immer mehr im Dickicht von Zensur und Zuständigkeiten

Da wird auf der GR-Sitzung am kommenden Donnerstag ein neuer Bürgermeister vereidigt, über Wohnen in Konstanz und die Deckelung der Mieten wird beraten, der Hangabrutsch Hohenegg wird zum Thema sowie die Frage nach dem Verfahren zur Wiederbesetzung der Stelle der/des Zweiten Beigeordneten. Und Jahresberichte der Stadtwerke und der Tourist-Information werden beschlossen, und der Münsterplatz und das Döbele stehen im Mittelpunkt der Verkehrsdiskussionen. Doch über allem schwebt schon seit Tagen das Damoklesschwert der Philharmonie-Diskussion: Wer darf was wann und in welcher Offenheit diskutieren? Und was darf an die Öffentlichkeit?

Warum geht die Öffentlichkeit leer aus?

Zumal Uli Burchardt eigens eine Pressekonferenz zu diesem Thema einberufen hatte, auf der die Themen Offenheit, Öffentlichkeit und Transparenz zwar Thema waren, aber nicht wirklich thematisiert wurden. Es wurde höchstens informiert, dass die Öffentlichkeit nicht informiert wird.

Zum Finanzdesaster der Philharmonie liegen mittlerweile drei Prüfberichte vor: einer der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA), der teilweise geschwärzt den StadträtInnen vorliegt, was schon seit Wochen für Unmut sorgt; neuerdings einer des städtischen Rechnungsprüfungsamtes (RPA) sowie eine Organisationsuntersuchung des städtischen Hauptamtes – ein 26seitiger Bericht mit 62 Verbesserungsvorschlägen. Nur dieses letzte Papier wird frei gegeben, die beiden anderen erreichen ausschließlich die Gemeinderatsmitglieder und nur in wesentlichen Passagen mit Schwärzungen (allerdings liegt ein Exemplar unzensiert für Gemeinderatsmitglieder im Rathaus aus). Ausnahmsweise wird der RPA-Bericht jeder GR-Fraktion nur einmal und ungeschwärzt zur Verfügung gestellt. Die Presse, die üblicherweise die Sitzungsunterlagen vorab erhält, geht leer aus – und damit auch die Öffentlichkeit.

Wer blickt da noch durch?

Dieses Durcheinander von Zensur und Zuständigkeiten wird noch getoppt durch die Geheimniskrämerei in den Sitzungen: Am 18.7. tagt der GR-Orchesterausschuss in nicht öffentlicher Sitzung; danach der Gemeinderat in öffentlicher Sitzung, allerdings nur auf Grundlage der geschwärzten Unterlagen. Wer blickt da noch durch??

Oberbürgermeister Burchardt erklärt dieses Hickhack mit seiner Verpflichtung, die Rechtsposition der Stadt nicht schwächen zu dürfen: „Ich habe einen Eid geschworen, Schaden von der Stadt Konstanz abzuwenden“. Welchen Schaden, welche Rechtsposition? Offensichtlich hat Ex-Intendant Riem ein Arbeitsgerichtsverfahren gegen die Stadt angestrengt, zusätzliche Verfahren sind zudem vom Riem-Anwalt angedroht. Doch über die Inhalte der Klagen – Abfindungsforderung? Schadensersatz? Rufschädigung? – erfährt man auch nichts. Wieder mit Hinweis auf die laufenden Verfahren. Alles klar??

Wann verplappert sich jemand?

Ob sich diese Informationspolitik voller Widersprüche durchhalten lässt, darf bezweifelt werden. Denn über die Diskussionen zumindest im öffentlichen Teil der GR-Sitzung wird wie gewohnt seemoz wenigstens in aller Ausführlichkeit berichten. Und da wird es dann schon spannend zu beobachten sein, ob die StadträtInnen und Verwaltungsmitarbeiter und selbst der Sitzungsleiter sich im Durcheinander von öffentlichen und nichtöffentlichen Informationen, von zensierten Passagen und freigegebenen Passagen nicht irgendwann verheddern. Oder sich schlicht verplappern?

Und weitere Fragen stehen im Raum: Soll nur Schaden von der Stadt abgewendet werden oder nicht auch von einzelnen Verantwortlichen? Werden da in den einzelnen Prüfberichten einzelne Vorwürfe einzelnen Personen zugeordnet, die nicht an die Öffentlichkeit dringen sollen? Von amtierenden Amtsträgern oder bereits ausgeschiedenen? Noch steht eine Stellungnahme des Ex-Intendanten aus, auch ein persönliches Erscheinen von Florian Riem am 18. Juli ist eher unwahrscheinlich. Entschuldigt für die GR-Sitzung ist auch Ex-Bürgermeister Boldt – von ihm aber liegt wenigstens eine schriftliche Stellungnahme vor. Ob die wohl veröffentlicht wird?

Was ist Burchardts Absicht?

Nächste Frage: Lassen sich die GemeinderätInnen dieses Katz-und-Maus-Spiel auf Dauer gefallen? Werden nicht einige dafür plädieren, die ganze Philharmonie-Diskussion auf einen Zeitpunkt nach einer gerichtlichen Entscheidung zu vertagen? Und damit auf einen mittelfristigen Sankt-Nimmerleins-Tag?

Letzte Frage: Ist vielleicht gerade das Uli Burchardts Absicht?

Autor: hpk