Burchardts Rückzieher „zutiefst undemokratisch“
Das Verhalten des Konstanzer Oberbürgermeisters sorgt auch zwei Tage danach immer noch für Unmut in der Stadt. Stellvertretend für zahlreiche kritische Äußerungen veröffentlichen wir eine Stellungnahme der Linken Liste Konstanz (LLK) im Wortlaut:
Scharfe Kritik üben die beiden StadträtInnen der Linken Liste Konstanz (LLK) am Verhalten von Oberbürgermeister Ulrich Burchardt, der während der Sitzung des Gemeinderats am 20. 12. die Vorlage der Verwaltung zurückgezogen hatte, künftig ein Amtsblatt zur Information der Bürgerinnen und Bürger herauszugeben.
„Mit dieser Entscheidung hat er nicht nur die umfangreichen Vorarbeiten der eigenen Verwaltung mit einem Schlag zunichte gemacht“, ärgert sich Stadträtin Anke Schwede, sondern missachte auch das Votum des Haupt- und Finanzausschusses, in dem das Amtsblatt eine Mehrheit gefunden hatte. „Hanebüchen“ sei die Begründung Burchardts für den Rückzieher, die erwarteten 55 Prozent Ja-Stimmen seien ihm zu wenig: „Sollen Tagesordnungspunkte in Zukunft etwa nur noch behandelt werden, wenn das Abstimmungsergebnis dem OB genehm ist?“, fragt die LLK-Rätin. Dieses „zutiefst undemokratische“ Agieren des Stadtoberhauptes dürfe nicht Schule machen.
Holger Reile weist darauf hin, dass Burchardts Rolle rückwärts in Sachen Amtsblatt nur das jüngste Beispiel für ein zunehmend selbstherrliches Gebaren des Oberbürgermeisters sei. Der LLK-Stadtrat erinnert in diesem Zusammenhang an die Querelen um die Richtlinien zur Bürgerbeteiligung. „Auch dabei hat der OB eine mehr als unrühmliche Rolle gespielt, weil er kurzerhand die engagierte Arbeit der Vorbereitungsgruppe in den Papierkorb geworfen hat“, so Reile. Mit Sorge beobachte er, dass die Politik des Konstanzer Stadtoberhauptes „zunehmend autokratische Züge“ annehme.
Die LLK-Mandatsträger kündigten gleichzeitig an, die Initiative für ein Amtsblatt weiterverfolgen zu wollen. „Nicht jedeR ist online und will oder kann sich den Südkurier leisten“, sagt Anke Schwede, deshalb habe sich auch der Stadtseniorenrat für ein solches Mitteilungsorgan stark gemacht. Es fördere – bei bescheidenen Kosten – kommunalpolitische Transparenz und sei damit auch ein Mittel gegen Politikverdrossenheit. „Wenn Uli Burchardt glaubt, damit sei das Kapitel Amtsblatt beendet, hat er die Rechnung ohne uns gemacht“, so Holger Reile abschließend.
Linke Liste Konstanz (LLK)
Jürgen Geiger
Uli Burchard mag ja ein „Meister“ sein, ganz sicher aber kein Meister für den Bürger. Ganz im Gegenteil, so mein ganz persönlicher Eindruck. Aber was beschweren wir uns, wenn wir an Wahltagen nun doch wieder das übliche „Kreuzchen“ machen, und selber halt nicht den Mut haben „neue Besen“ zu wählen.
Für diesen (Bürger) Meister sind Bürger mit ihren Wünschen nur störend und lästig, er ist halt nur für das „Grosse“ zu haben, was dann halt auch mal zum Wahn ausarten kann.
Wundert sich noch irgendwer über das undemokratische Verhalten des Uli Burchhardt? Er zieht die Fäden seiner Marionetten. Bis auf rühmliche Ausnahmen lässt sich die Mehrheit der angeblichen „Bürger-Vertretung“ auf der Nase herumtanzen, hofiert ihn und segnet selbst die riskantesten, absurdesten Forderungen, Wünsche, Pläne ab, die chaotische Wirklichkeit vor der Rathaustür wird ausgeblendet. Längst ist die Kontrolle über das Oberhaupt und dessen bürgerfernen Führungsstil verloren gegangen und damit auch das Vertrauen eines nicht unerheblichen Teils der Bevölkerung in den Rat.
Über den Sinn eines Amtsblattes(wie soll ich mir das vorstellen?), kann man sich deshalb streiten, aufgrund mangelnden Interesses und einer „Lokalpolitikverdrossenheit“würde dieses wohl größtenteils direkt im Papiermüll landen. Die mir bekannte gängige Meinung, die nach und nach jeden Bürgerprotest zu ersticken droht, ist inzwischen vermehrt ohnehin: „die machet jo doch wa se wennd“, „des bringt doch sowieso nix“, „do ka mer nint mache“. Zu viele Menschen in Konstanz fühlen sich nicht mehr wahrgenommen. Und angesichts der vom Rat mehrheitlich abgenickten positiven Entscheidungen selbst unsinnigster Planungen( mit vorhersehbar verheerenden Folgen), Gegewart und Zukunft unserer Stadt betreffend, kann ich die Resignation, die sich breit macht, verstehen. Akzeptieren werde ich sie nicht und hoffe sehr für ein „Kritisches Konstanz“ ist es noch nicht zu spät.
Die wahren Motive des OB bleiben Spekulation. Ein paar denkbare weitere Möglichkeiten:
1. Der OB diszipliniert die Abweichler im Gemeinderat, dadurch, dass diesen dann der schwarze Peter in die Schuhe geschoben wird. Mir kommt hier auf einmal das ähnlich unsägliche Panorama-Thema in den Sinn. Man muss wohl inzwischen nicht einmal Verschwörungstheoretiker sein, um hier eine Verbindung uu ziehen.
2. Der OB ist im Wahlkampfmodus und hat Angst Entscheidungen zu treffen, die ihn dann im Wahlkampf von den Gegenstimmenden angreifbar machen.
3. Ein konformer Gemeinderat mag der Traum eines OB sein, für jeden Demokraten, aber ein Albtraum.
4. Er nutzt eine Ausrede, um ein sowieso nicht geliebtes Projekt nicht durchführen zu müssen
5. Über die SK-OB Connection möchte ich hier gar nicht spekulieren, es mag denkbar sein, aber Beweise würden sich wohl nie finden lassen
Motive, die den OB als Stadtoberhaupt überzeugen lassen, wollen mir zumindest nicht in den Sinn kommen.
Liebe Gisela Kusche,
Veto, denn erstmals wurde bei der Klausurtagung im Herbst 2014 über ein Amtsblatt geredet und auch von der FGL gab es keine nennenswerten Widerstände. Viel wichtiger aber scheint mir, dass Oberbürgermeister Burchardt in autokratischer Manier einfach das Thema von der Tagesordnung nimmt. Da hätte ich mir von der FGL – ob sie nun für oder gegen ein Amtsblatt ist – Einspruch erwartet. Doch kein Laut kam von Euch. Müssen wir uns nun in Zukunft darauf einstellen, dass Entscheidungen nur getroffen werden können, wenn es dafür eine satte Mehrheit gibt? Merkt Ihr denn nicht, dass wir als gewählte VolksvertreterInnen immer öfter im Nasenring durch die gemeinderätliche Manege gezogen werden sollen?
Lieber Holger Reile,
da wäre es aber doch fair zu erwähnen, dass große Teile der FGL von Anfang an gegen das Amtsblatt waren – nur sitzen die vielleicht nicht im HFA. Ich persönlich habe bisher noch kein Amtsblatt gesehen, dass mich inhaltlich überzeugt hätte, und befürchte eher, dass das Blatt samt Werbung und Anzeiger in den Mülltonnen verschwindet.
Was die Abstimmung selbst betrifft – deren Ausgang war ja durchaus im voraus nicht klar, und von uns aus hätten wir gerne eine klare Aussage des Gemeinderats zu dem Thema gehabt.
Liebe Frau Hähl,
Ihre Einschätzung teile ich in der Hauptsache. Aber nicht „der Gemeinderat“ in Gänze hat dieses selbstherrliche und autokratische Vorgehen des Oberbürgermeisters „wohltemperiert“ hingenommen, sondern vor allem die Freie Grüne Liste (FGL), für die ja auch Sie einst im Rat gesessen haben. Das könnte bei der nächsten Zusammenkunft der FGL ja durchaus ein Thema sein. Ein Tipp noch meinerseits: Im kleinen Kreis, da ging es um das Amtsblatt, hat FGL-Rätin Anne Mühlhäußer Folgendes in die gemeinderätliche Runde geworfen: „Der Südkurier hat doch auch bei Euch angerufen“. Bei uns (LLK) gab es keinen Anruf, bei der FGL anscheinend schon, denn anders ist diese Aussage nicht zu verstehen. Dieser interessante Hinweis darauf, dass sich hinter den Kulissen einiges abgespielt hat, wäre meiner Meinung nach eine Nachfrage innerhalb der FGL wert. Finden Sie nicht?
Ob man nun für oder gegen ein Amtsblatt ist…, einen Tagesordnungspunkt zu Beginn einer Sitzung abzusetzen mit der Begründung, eine Zustimmung von erwartbaren 55% sei nicht ausreichend – das empfinde ich als zutiefst undemokratisch. Dass der Gemeinderat das so wohltemperiert hingenommen hat, ist für mich nicht
nachvollziehbar.
Die Konstruktion des Bürgermeisters in der Kommunalverfassung von Baden Württemberg ( § 42 ff.) stellt dem Grunde nach bereits einen Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip der Demokratie dar. Das hat grün-rot seither wenig interessiert und die Liberalen schweigen sowieso zu politischer Illiberalität.
Die Spitze der Verwaltung kann nicht auch die Spitze des Parlamente sein. Stimmen in der Literatur, die den Gemeinderat zum Verwaltungsrat degradieren, folgen der anti-demokratischen Theorie von der „mittelbaren Staatsverwaltung“.
Kurzum: Absetzungen von der Tagesordnung können während einer laufenden Sitzung von der Sitzungsleitung nicht eigenmächtig erfolgen.
Ein Gemeinderat der so etwas mitmacht, ist in der Tat kein Repräsentant mehr.
Das dürfte der Ba Wü Staatsgerichtshof ähnlich sehen. Man müsste ihn nur anrufen: In Hessen wäre das längst geschehen. Es erscheint, es braucht eine neue Bewegung in der Konstanzer Kommunalpolitik. Mal sehen, ob es Interessenten dafür gibt: „Kritisches Konstanz“. Das wäre eine Marke und ein Markenzeichen – ohne marktorientiertes Marketing.