Bürgerbeteiligung? Da könnte ja jede(r) kommen
Maulkorb für die BürgerInnen – Durchmarsch für die Gemeinderäte: In der gestrigen TUA-Sitzung war von Bürgerbeteiligung wenig zu merken. Der Technische und Umweltausschuss schaffte es, alle strittigen Punkte – vor allem Münsterplatz-Sanierung, Aufhübschung des Konzilumfeldes, Chérisy-Bebaungsplan – mehrheitlich selbstherrlich zu entscheiden. Oder gar nicht zu entscheiden
Chérisy: Die Betroffenen kamen nicht zu Wort
Bereits zu Beginn der Sitzung forderte Stadtrat Holger Reile (die Linke Liste Konstanz hat im TUA kein Stimmrecht, nur Rederecht) bei der Behandlung des TOPs 7 – Bebauungsplan Elberfeld, in dem es um das umstrittene Studentenwohnheim auf dem Chérisy-Gelände ging – eine Diskussionsteilnahme der Betroffenen. Eine Abstimmung darüber wurde vom Sitzungsleiter, Baubürgermeister Kurt Werner, erstmal verschoben; offensichtlich wollte er den Ausschussmitgliedern ob dieses überraschenden Vorschlags zunächst Bedenkzeit einräumen. Zwei Stunden später dann stimmte die große Mehrheit aus CDU, FWG, SPD und anderen, kleineren Fraktionen gegen ein Rederecht für die Chérisianer – die drei FGL-Mitglieder wurden überstimmt.
Das galt auch für die weitere Beratung dieses Themas. Werner Allweis von den Grünen (FGL) kritisierte die immerhin 70seitige Vorlage der Stadtverwaltung, „in der zu den teils berechtigten Vorschlägen der Bürger während der öffentlichen Auslegung des Plans stets der Vermerk ‚Die Bedenken werden zurückgewiesen‘ zu finden ist“. Er beantragte stattdessen für die Mehrheit seiner Fraktion erstens, sämtliche befristete Bedingungen des Vertrages zwischen Stadt und Investor von 10 auf 30 Jahre zu verlängern (damit sollte die Zweckentfremdung der Studentenbuden als Eigentumswohnungen behindert werden) und zweitens ein ‚autofreies Wohnen‘ im neuen Studentenwohnheim (damit sollte das Verkehrsproblem gelöst werden).
Mit 9:3 wurden auch diese Anträge abgeschmettert. Die Vertreter von CDU, FWG, SPD und FDP hatten schon in der Diskussion deutlich gemacht, dass sie den Investoren keine Steine in den Weg legen wollten. Der Bebauungsplan wurde dann mit 10:2 dem Gemeinderat zur letztendlichen Entscheidung anempfohlen.
Der Münsterplatz wird – wenn überhaupt – erst 2013 saniert
Die unendliche Geschichte der barrierefreien Querung des Münsterplatzes wird einmal mehr verlängert. Obwohl während des Ortstermins zahlreiche BürgerInnen eine flotte und vor allem effiziente Lösung angemahnt hatten, fand in den Augen des Ausschusses die Lösung der Stadtverwaltung mit abgeschliffenen Steinen und neuartig gefüllten Fugen keine Anerkennung. Man wolle womöglich – so der Vorschlag von Bürgermeister Werner – auf einer Rundreise andere Lösungen anderenorts in Augenschein nehmen.
Solche „Flickschusterei“ (Stadtrat Reile) soll bis 2013 verschoben werden. Entsprechende Mittel für etwaige Alternativvorschläge sollen zwar in die Haushaltsverhandlungen im Herbst eingebracht werden – doch für solche Vorschläge gibt der Ausschuss bei nur einer Enthaltung der Stadtverwaltung noch Zeit bis ins Frühjahr 2013. Ob die Befürchtungen von Baubürgermeister Werner vor einer „Verschandelung des Münsterplatzes“ bis dahin ausgeräumt sind? Eine Problemlösung ist damit jedenfalls bis weit ins nächste Jahr verschoben.
Konzilumfeld: Realisierung in kleinen Schritten
Die Kritik an der 1,2 Millionen teuren Aufhübschung des Areals zwischen Konzilgebäude und Mole hat offensichtlich gefruchtet. Immerhin verweist jetzt sogar die Baubehörde auf die Möglichkeit, die geplanten Investitionen nur stückweise zu realisieren. Und auch die TUA-Mitglieder meinten, für den „Wohlfühl-Charakter“ (FGL-Stadträtin Anne Mühlhäußer) der Neuplanung könnte vielleicht weniger ausgegeben werden. Die SPD wird wohl ebenso wie die FWG dem Grundsatzbeschluss im Gemeinderat nicht zustimmen.
Nur auf Einspruch von Martin Wichmann vom Amt für Stadtplanung und Umwelt, der vor einem Verlust von Fördermitteln warnte, kam die typisch badische Abstimmung zustande: Ja im Grundsatz (7 Stimmen), nein überhaupt (3 Stimmen), weiß nicht (1 Enthaltung). Die Diskussionen im Gemeinderat auch dazu werden spannend werden…
Autor: hpk
Ja, es ist nicht überraschend. Es wird über die Köpfe der Menschen hier einfach hinweg entschieden. Klar ist die Wohnungsnot ein dringliches Problem und überall, nur vor unserer Haustür nicht, geht auch nicht. Doch eine Verbeugung vor den Investoren auf Kosten derer die hier leben, ist nicht angemessen. Wer Geld hat, hat die Macht, deshalb ist Geld wohl wichtiger als Menschen. Es scheint Gott sei Dank nicht immer so zu sein. Immerhin stellt sich die Stadt hinter das Orchester. Ich finde das ohne Neid gut. Es ist aber bitter zu sehen, dass sehr wohl mit zweierlei Maß gemessen wird. Aus Angst, dass sich ein Investor zurück ziehen könnte, werden die berechtigten Bedenken der einfachen Leute ignoriert. Das Orchester (natürlich nicht die Musiker) das durch Mißwirtschaft und Verantwortungslosigkeit der Stadt ein Defizit von 600 000 Euro beschert hat, wird gerettet. Den Menschen hier, die sich den Eintritt für ein Konzert nicht ohne weiteres leisten können, wird eine Verschlechterung ihrer Lebensqualität ohne Kompromis zugemutet. Dem Bildungsbürgertum kann man nicht zumuten, dass es kein Orchester mehr geben könnte. Das ist kein Statement zu dessen Abschaffung, es ist eher ein Apell an die Politiker in dieser Stadt doch bitte mal richtig hin zu schauen und anstatt Prestige oben an zu stellen, lieber die Menschen oben an zu stellen, anstatt über die Köpfe der Menschen mit ihnen zu entscheiden. Man kann es nicht allen recht machen, aber gute Lösungen zu finden, ist kein Hexenwerk.
Das war doch voraus zu sehen, nach der OB Wahl. Ende der Meinungs- und Redefreiheit nach CDU Masche. Jetzt wird mit harten Bandagen gegen den Bürger entschieden. Noch mehr wie bisher.