Bürgerentscheid in Lindau: Streit um den Inselbahnhof

Und wieder ein Bürgerentscheid. Und wieder geht es um die Bahn und um einen Bahnhof. Dieses Mal in gut einer Woche in Lindau. Die Lindauerinnen und Lindauer sind aufgerufen, am 11. Dezember im Rahmen eines Ratsbegehrens zur Lösung der lange Jahre oft intensiv diskutierten Lindauer Bahnhofsfrage Stellung zu beziehen. Wie seemoz mehrfach berichtete, geht es letztlich um die Erhaltung des Inselbahnhofs.

Zur Abstimmung gestellt ist die „Kombilösung“. Sie besteht im Kern aus dem Erhalt des Hauptbahnhofes beim Stadtzentrum auf der Insel sowie einer bis 2017 neu zu errichtenden, kleinen Bahnstation am Rande des Stadtteils Reutin für die Nahverkehrszüge von und nach Bregenz und für die in Lindau haltenden Fernzüge.

Chance für Bodensee-S-Bahn

Zu den größten Vorteilen der Lindauer „Kombilösung“ gehöre, so die „Aktionsgemeinschaft Inselbahnhof“, dass damit die Einwohner des Stadtteils Reutin nach 30 Jahren Unterbrechung wieder einen direkten Zugang zu den Zügen von und nach Vorarlberg und in die Schweiz hätten. Außerdem könnten sie von Reutin aus mit den Fernzügen direkt nach Memmingen und München fahren. Auch wären die Menschen im Stadtteil Reutin dann mit dem Zug in rund drei Minuten beim Stadtzentrum auf der Insel. Dies bietet auch die Chance für eine deutliche Entlastung der Insel vom PKW-Verkehr. Dazu zählt angesichts der sich langsam zuspitzenden Klimakrise auch, dass jeder per Bahn statt mit dem PKW gefahrene Kilometer im Durchschnitt nur rund 30% der Menge der PKW-CO2-Abgase verursacht.

„Der Erhalt des Hauptbahnhofes auf der Insel mit dessen verkehrlicher Erschließungsfunktion des kulturellen, gesellschaftlichen und touristischen Zentrums der Stadt ist ein weiterer großer Pluspunkt der „Kombilösung“, sagt Karl Schweizer, Sprecher der Aktionsgemeinschaft.

Zur zukünftigen städtebaulichen Entwicklung stellt diese Kombilösung außerdem rund 2 Hektar bisheriger Bahnflächen auf der Insel plus rund 6,8 ha in Reutin zur Verfügung. Die mittelfristig angestrebte Einrichtung einer Bodensee-S-Bahn auch am deutschen Bodenseeufer kann dann problemlos und schnell am Hauptbahnhof auf der Insel und an der Bahnstation in Reutin Halt machen.

Bleibt der Bahnbetrieb, wie bei der Kombilösung vorgesehen, bei der Deutschen Bahn AG und der ÖBB, ist die DB AG auch für den Unterhalt des Bahndammes weiterhin verantwortlich und kann keine zusätzlichen 15,1 Mio Euro von der Stadt Lindau dafür verlangen. Bei einem eingleisigen Bahnanschluss von Reutin auf die Insel aber, wie von der CSU vorgeschlagen, müsste die Stadt Lindau diese 15,1 Mio Euro für die Benützung und Instandhaltung des Bahndammes zusätzlich bezahlen.

Fährt auch weiterhin ein Großteil der Regionalzüge nur auf die Insel, werden die Anwohnerinnen und Anwohner an der Bahnstrecke zwischen Holdereggen und Bahnübergang Bregenzer Straße nicht von massiv gesteigertem Bahnlärm belästigt, der entstehen würde, wenn alle Züge aus Westen und Norden nur noch nach Reutin und von dort wieder zurück fahren würden.

Andererseits sieh Karl Schweizer bei der Kombilösung durchaus den Nachteil, dass das künftige Umsteigen aus einem Teil der Regionalzüge in die Fernzüge durch die Trennung von Regional- und Fernzügen teilweise erschwert würde und die Fahrgäste etwas mehr Zeit kosten wird. Eine endgültige Bewertung dieses Problems sei allerdings erst möglich, wenn die neuen Zugfahrzeiten auf Grund der Einführung der Neigetechnik im bayerischen Allgäu, der Elektrifizierung der Strecke über Memmingen nach Lindau und die Elektrifizierung der Südbahn von Ulm über Friedrichshafen nach Lindau bekannt sind.

Wie in Konstanz: Bahn will für den Bahnhof nicht zahlen

Die auf die Stadt Lindau zukommenden Kosten von bis zu 7,8 Mio. Euro innerhalb von fünf Jahren durch die Kombilösung stellen durchaus eine Belastung der städtischen Finanzen dar, die allerdings von ihrer Höhe her tragbar und im Sinne einer zukunftsfähigen Verkehrslösung notwendig und verantwortbar sind.

Würde allerdings der Lindauer Bahnhof vollständig nach Reutin verlegt, brächte dies eine voraussichtliche Erhöhung allein des jährlichen Defizits des Lindauer Stadtbusses von derzeit 1,6 Mio. Euro auf dann 2,1 Mio. Euro für die Einrichtung einer weiteren Buslinie von Reutin auf die Insel mit sich. Dies hätte eine grundsätzliche Gefährdung dieser vorbildlichen städtischen Verkehrseinrichtung zur Folge und wäre damit unverantwortlich. Von den Lindauer Politikerinnen und Politikern erwartet die Aktionsgemeinschaft über den Tag des Bürgerentscheides hinaus, dass sie dem Management der Deutschen Bahn AG in aller Schärfe klar machen, das es das Aussehen und die Funktionstüchtigkeit der Bahnhofsgebäude auf der Insel und am Rande des Stadtteiles Reutin umgehend renovieren muss.

Für die Aktionsgemeinschaft Inselbahnhof Lindau überwiegen die positiven Seiten der „Kombilösung“ bei der Lindauer Bahnhofsfrage eindeutig. Sie spricht sich deshalb für die zur Abstimmung gestellte „Kombilösung“ aus und bittet die Lindauerinnen und Lindauer, am 11. Dezember 2011 zur Abstimmung zu gehen und für diese Lösung zu stimmen.

Autor: PM/hpk

Weitere Links:

Traum einer Bodensee-S-Bahn darf weiter geträumt werden

Spielt die Bahn – in Lindau und anderswo – mit falschen Karten?

Rückzieher der Bahn? Zunächst nur in Lindau