Bürgerentscheid in Singen: Klinikfusion kann kommen
Beschämend – anders kann man die Wahlbeteiligung beim Singener Bürgerentscheid zur Klinikfusion nicht nennen. Trotz wochenlangen, massiven Wahlkampfs haben sich gerade einmal 9943 (von rund 33 000) WählerInnen beteiligt (29,3 Prozent): Das Quorum wurde damit deutlich verfehlt, obwohl 19,65 Prozent der wahlberechtigten WählerInnen gegen die Kreisfusion der Krankenhäuser gestimmt haben (9,6 Prozent gleich 3252 Stimmen dafür). Das heißt: Die Klinikfusion kann kommen, obwohl eine Mehrheit sich dagegen ausgesprochen hat, weil sich nicht genügend Stimmberechtigte beteiligt haben. Ein Ergebnis, dass niemanden befriedigen kann – direkte Demokratie funktioniert wohl anders…
Am Dienstag tritt der Gemeinderat in Singen zusammen, um das Ergebnis zu bewerten – morgen können Sie auf seemoz lesen, wie die Verantwortlichen in den Städten und im Kreis mit dieser verqueren Entscheidung leben wollen (hpk)
Die Bürger sind beides, enttäuscht und sie haben keinerlei Vertauen mehr in die Politik. Der Grund, sie können machen was sie wollen die Politik entscheidet nicht danach, sondern nach den fragwürdigen Politikentscheidungen, das ist das traurige. Ich denke da nicht nur an KN u. Singen sondern auch an die fragwürdige fast Entscheidung der Meldedaten. Wer will so einer Politik noch vertrauen die, die eigenen Bürger in ihren Persönlickeitsrechten verrät. Das wirkt sich alles im gesamten aus.
Wahrlich enttäuschen ist das Ergebnis der Bürgerbeteiligung an echter Demokratie und wie in diesem Fall besonders niederschmetternd für alle beteiligten Akteure.
Aber auch das ist Bürgerwille, man möge dem Bürger Unwissenheit, Trägheit oder gar Verständnislosigkeit auch verbunden mit fehlendem Wissen zur Demokratie vorwerfen. Doch nicht zu wählen ist ein grundlegender Faktor der Demokratie in unserem Land geworden.
Nicht zuletzt war es die Politik der letzten Jahrzehnte, die genau dieses Demokratieverhalten der Bürger zumindest weitgehend ignorierte wenn nicht gar förderlich für Ihr parteipolitisches und teils persönliches demokratisch legitimiertes Handeln nutzte.
Nichtwähler senkten zwar zunehmend die Wahlbeteiligung, stärkten so aber auch mächtig die eigene Wählerschaft und Klientel der einzelnen Parteien. Heute ist es in unserem Land schon normal mit einem Anteil von ca. 22% aller wahlberechtigter Stimmen das Land herrschaftlich zu führen, freilich mit dem parteipolitischen Vermerk auf die Mehrheit von weit über 30 % der abgegebenen Stimmen.
Man setzte hier aus den Reihen der etablierten Parteien in den vergangenen Jahren bewusst auf die Nichtwähler, auf die eigene Klientel war beim Wahlgang Verlass und jeder Nichtwähler steigerte sehr willkommen die eigenen Prozentzahlen.
Es liegt menschlich gesehen nahe, zu reagieren wie Frau Netzhammer dies tut, auch die persönliche Enttäuschung ist nachvollziehbar. Es wurde mit harten Bandaschen gekämpft, es wurde finanziell investiert und viel persönliche Kraft und viel Engagement eingesetzt. Persönlich schmerzt dann so ein Ergebnis um so mehr. Ein Zugewinn von über 30 % Stimmen im Vergleich zur Unterschriftensammlung vom April ist ein Spitzenergebnis und sicherlich auch eine persönliche Errungenschaft von Frau Netzhammer. Vieles spricht aber auch dafür, damit ein Endergebnis bei den möglichen zu erreichenden Stimmen aufzuzeigen.
Hier von einer zwei drittel Mehrheit zu sprechen erscheint eher politisch inkorrekt, wenn man davon ausgeht, dass die eigene gewonnene Klientel auf jedenfalls gewählt hat und sich ein Großteil der Stimmberechtigten eben durch Nichtwahl dem auf demokratisch getroffenen Weg der gewählten Bürgervertreter im Gemeinderat anschloss.
Und hier frage ich mich persönlich wie es um unsere Demokratie steht, wenn die Niederlage so persönlich gewertet wird, dass man ungeniert und öffentlich ein Ergebnis wie bei diesem Bürgerentscheid bewusst in ein Licht der eigentlichen zwei drittel Mehrheit rückt, das zeugt für mich nicht von keinem politischen Verständnis neuer Gangart.
Vielmehr erinnert mich dies Aussage an Schmerzliches, ein Gefühl der parteipolitischen Ignoranz gegenüber dem denkenden Bürger, gegenüber des demokratischen Gewichts der Bürgerbeteiligung und der Intelligenz des wählenden Bürgers.
Offensichtlich enttäuscht über die geringe Wahlbeteiligung suggeriert Frau Netzhammer mit Ihrer Aussage zur erreichten zwei drittel Mehrheit dem Bürger eine erreichbare Stimmenanzahl von ca. 22.400 Gegnern der Klinikfusion bei etwa 33.600 Wahlberechtigten.
Damit stellt sich dann auch die Frage warum sind rund 15.750 Anhänger Frau Netzhammer´s Ansichten nicht zur Wahl gegangen? Diese mündigen Bürger hätten doch wissen müssen, dass sie gegen die nicht gewollte Fusion stimmen mussten, weil diese sonst, da bereits beschlossen, kommt.
Und hier wären wir auch bei der angeblichen Komplexität des gesamten Themas angelangt.
Ausgehend davon, dass der Bürger die Sache ganz einfach sah, sagte dieser sich eben, für eine Fussion wurde bereits durch den Gemeinderat gestimmt und wer dagegen ist muss jetzt dagegen stimmen.
So gesehen könnte mann das Ergebnis dann auch mit rund 20% Gegnern und rund 80% Befürwortern zur Fussion werten.
Als Frau Netzhammer vor Jahren die Zukäufe der maroden Kliniken im Umland mit beschloss war Sie sicher auch von Ihrer demokratischen Legitimation durch Ihre Wahl in den Gemeinderat ausgegangen und hatte weder Ihre Wähler noch das gesamte Bürgertum befragt.
Sicher ist, es folgen wieder Wahlen in Singen wie z.B. die des Gemeinderats und die zum Bürgermeister. Ein persönlicher Erfolg mit oder ohne zwei drittel Mehrheit wird sich dort sicher noch in der einen oder anderen Frage verwerten lassen. Zukünftig wird sich zeigen wie persönlich die gestrige Abstimmung war und was dieses Ergebnis wem noch nutzen wird.
Jedenfalls sollte man bei Jahrzehnte langer zunehmender Abstinenz der demokratischen Bürgerbeteiligung mit Nachsicht walten, wenn die Beteiligung nicht gleich auf das gewünschte Niveau zurückkehrt, nur weil man aus welchen Interessen auch immer, jetzt zur Einsicht gelangt eine größere Bürgerbeteiligung sei auch parteipolitisch wieder erstrebenswert.
Eine bemerkenswerte sowie erschreckende Entwicklung zugleich:
Knapp 45 % der Konstanzer schaffen es an die Wahlurne, um ihren neuen Oberbürgermeister zu bestimmen; nicht einmal 30 % der Singener scheren sich um die Zukunft der gesundheitlichen Versorgung im Kreis.
Man möchte fast glauben, dass Meldungen der letzten Tage zutreffen: Demnach müht sich die (nicht mehr ganz) neue baden-württembergische Landesregierung darum, die Bürger anzuhören. Doch wie sich in einer Umfrage herausgestellt hat: Die meisten von ihnen wollen von der Politik gar nicht angehört werden.
Ist die Politikverdrossenheit schon so weit fortgeschritten, dass ein fundamtaler Flurschaden für die Demokratie entstanden ist? Sind die Bürger derart enttäuscht, so selten befragt worden zu sein, dass ihnen jede Lust an Partizipation vergangen ist? Oder ist im Landkreis Konstanz alles noch viel schlimmer, weil es den Menschen ohnehin gut geht und sich keiner um die Zukunft sorgt?
Alles wäre fatal, denn die aktuelle Singener Abstimmung zeigt: Das offenkundige Meinungsbild in der (Teil-)Bevölkerung bleibt ungehört, weil sich 70 % nicht aufraffen konnten, ihr Kreuz zu machen. Eine verlorene Stimme für die, die gewählt haben – und unveantwortlich von denen, die zuhause geblieben sind. Wie so oft steht die Politik nun vor einer Gewissensentscheidung: Wenn das Quorum eine Entscheidung verhindert, die tendenziell eindeutig war, ist das auch ein Schlag für die, die sich in Sicherheit gewogen haben. Die so oft beschworene Befürwortung weiter Teile der Bürgerschaft einer Fusionslösung ist nicht so selbstverständlich, wie sich das mancher Kreis- oder Gemeinderat erhofft hatte. Gleichzeitig beängstigt es die, die sich vor einer Privatisierung und einem Abbau der Versorgungsstrukturen gefürchtet haben: Ihre Sorgen waren nicht unberechtigt.
Für mich persönlich ist der Kreis durch das nicht erreichte Quroum mit einem „blauen Auge“ davon gekommen, wird sich doch wohl die Kreislösung durchsetzen. Aber Erleichterung kommt keinesfalls auf; viel eher bleibt das Schreckgespenst vor dem zunehmenden Verlust eines solidarischen Gesundheitssystems…
Danke für den Hinweis – schon korrigiert. hpk
Wenn ich meine bescheidenen Grundkenntnisse in Mathe anwende müsste es heißen: 20 Prozent der Wahlberechtigten (nicht der teilnehmenden Wählerinnen) haben gegen die Kreisfusion gestimmt. Zur Erfüllung des Quorums hätten mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten dagegen sein müssen.