Chefarzt-Kündigung: Weisschedels Mahnungen verpufften

Ewald Weisschedel, Fraktionsvorsitzender der FWG im Konstanzer Gemeinderat, gilt als einer der kompetentesten Gesundheitspolitiker im Landkreis. Als er über Ostern an seinem Urlaubsort erfuhr, dass Chefarzt Gert Müller-Esch gekündigt werden sollte, warnte er Bürgermeister Boldt und seine Ratskollegen per Mail davor, die Kündigung mitzutragen. Ohne Erfolg. Mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und FGL wurde Müller-Esch handstreichartig entsorgt. Hier im Wortlaut der Aufruf von Ewald Weisschedel:

„26.4.2011

Sehr geehrter Herr Boldt,

liebe Ratskolleginnen und Kollegen,

Während meines Urlaubs erreicht mich die Information, dass am kommenden Donnerstag eine Sondersitzung des Gemeinderats einberufen werden soll. Dabei soll über das weitere Vorgehen beraten werden, nachdem die Kolleginnen und Kollegen des Zentrums für Innere Medizin in einem offenen Brief an alle Mitarbeiter des Klinikums ihre Sorge um den Fortbestand Ihrer Klinik artikuliert haben. In diesem Brief werden erhebliche Vorwürfe gegenüber der Verwaltung und dem ärztlichen Direktorium geäußert. Dies soll jetzt zu dienstrechtlichen Konsequenzen führen, ja, es ist sogar die fristlose Kündigung des früheren ärztlichen Direktors Prof. Müller-Esch im Gespräch.

Nachdem ich inzwischen den offenen Brief lesen konnte, kann ich das eilige Vorgehen der Verwaltung erst recht nicht verstehen. Erneut wird wegen einer Fristwahrung während der Schulferienzeit eine Sitzung einberufen, die eine Kündigung zum Inhalt hat. Ich kann nur an die leidvollen Erfahrungen in der Causa Lukoschek und Heipertz erinnern, die für das Klinikum nicht gerade ruhmvoll geendet hat.

Viel wichtiger sind mir aber die inhaltlichen Bedenken. Hier hat sich doch eine der wichtigsten Abteilungen eines Klinikums, das Zentrum für Innere Medizin, auf einem eher ungewöhnlichen Weg zu Wort gemeldet, weil sie offensichtlich keinen anderen Weg sieht, gehört zu werden. Und alle Kolleginnen und Kollegen dieser Abteilung haben diesen Brief unterschrieben.

Die Verwaltung wendet ein, dass man schon genug Zeit und Geduld aufgebracht habe, die Bedenken und Argumente von Herrn Prof. Müller- Esch anzuhören, aber, wenn ich lese, dass die auch meiner Erfahrung nach gut funktionierende innere Aufnahmestation einer pulmologisch-thoraxchirugischen Station Platz machen soll und dies ohne Absprache mit Herrn Müller-Esch, dann verstehe ich die Einwände sehr.

Im Übrigen wollen wir Gemeinderätinnen und Räte ja vor allem ein Klinikum in kommunaler Hand, um auf das Leistungsspektrum der Klinik Einfluss nehmen zu können, die ja schlussendlich für die Versorgung der Bürger der Stadt Konstanz da sein sollte. Wenn neue Leistungsspektren eröffnet werden sollen, dann sollte zumindest der Krankenhausausschuss hierüber informiert werden.

In einer zukünftigen Holding haben wir eh nichts mehr zu sagen, was die Gesundheitsökonomen ja lebhaft begrüßen, ich aber persönlich sehr bedauere (was bedeutet denn dann noch kommunaler Einfluss?) Durch den Sturz von Herrn Müller-Esch durch eine durchaus engagierte Chefarzttruppe, die von der Verwaltung gestützt worden ist, ist leider genau das eingetreten, was ich befürchtet habe. Intern ist dieser Vorgang nie aufgearbeitet worden. Keiner traut deshalb dem anderen mehr über den Weg, der früher guten, kollegialen Zusammenarbeit ist Misstrauen, Missgunst und Angst vor Übervorteilung gewichen, und die Verwaltung versucht auch noch, daraus Gewinn zu schlagen. Divide et impera. Viele der Mitarbeiter des Klinikums, so jedenfalls mein Eindruck, haben unter diesen Bedingungen keine Lust mehr, sich über das normale Maß für das Klinikum Konstanz zu engagieren, machen eben ihre Arbeit und damit hat sich´s.

Eine Kündigung von Prof. Müller-Esch, der ja bis vor kurzem vom Gemeinderat und auch der Verwaltung hoch gelobt worden ist, vielleicht sogar noch eine fristlose Kündigung, wird meiner Auffassung nach katastrophale Folgen haben, für das Klima in der Klinik, für das Vertrauen der Patienten in die Klinik, für das Verbleiben wertvoller Mitarbeiter, für die Kooperationsgespräche, die ja gerade erst begonnen haben, für die Verwaltung (Maultasche) und nicht zuletzt wird ein solches Vorgehen Herrn Prof. Müller-Esch, der bei allen Ecken und Kanten sich meiner Auffassung nach große Verdienste um das Klinikum Konstanz erworben hat, nicht gerecht.

In dieser wieder einmal ausgesprochen verworrenen Situation sollte man nicht mit Kündigungen drohen, die vermutlich nur Unheil anrichten, sondern das tun, was wir schon so häufig gefordert haben, einen externen Moderator benennen, der die offensichtliche Sprachlosigkeit auf allen Seiten zu lösen versucht.“

Ewald Weisschedel