Christentum und Sozialismus – Feindliche Geschwister?

Der Kreuzlinger Café-Treff Philosophie diskutiert über Trennendes und Verbindendes der beiden Denk- und Gesellschaftsentwürfe Christentum und Sozialismus. Trotz seiner engen Bindung an die Kirche versteht sich der Treff als eine religions- und konfessionsunabhängige Bildungsveranstaltung, bei der seit Jahren immer wieder große Ideen der Geistesgeschichte auch für Laien verständlich verhandelt werden.

Seit 2016 bereichert der Café-Treff Philosophie den Open Place der evangelischen Gemeinde in Kreuzlingen-Kurzrickenbach. Gegründet wurde er von Renata Egli-Gerber und ihrem inzwischen verstorbenen Mann Urs Egli. «Die Idee ist, am Open Place neben Seelsorge und Hilfe bei der Grundversorgung zusätzlich Bildung anzubieten, und zwar auch jenen Menschen, die sich selbst als eher kirchenfern betrachten», so die Leiterin des Programms. In den letzten Jahren ließ sie bereits Fachleute zu Themen wie Emotionen, Menschenwürde, Sprache oder Wahrheit zu Wort kommen. Nun soll es um das Verhältnis von Christentum und Sozialismus gehen. «Wir haben uns als Open Place das ganze Jahr über dem Thema ‘Arm und Reich’ gewidmet», sagt Pfarrer Damian Brot. Der Gedanke, sich als Christ mit dem alternativen Denkmodell Sozialismus auseinanderzusetzen, lag also nahe, denn beide Modelle vertreten durchaus einige gemeinsame Werte, auch wenn beide ihre eigenen Schattenseiten haben.

Um fundiert philosophieren zu können, braucht man Wissen. Das vermittelt am 25. März Pfarrer Johannes Bardill aus Horgen, der einem breiteren Publikum als Teil des Radiopredigt-Teams von SRF bekannt ist. Er referiert über die Einstellung der evangelisch-reformierten Kirche zur Arbeiterbewegung. Die Industrialisierung vor 120 Jahren brachte einen gesellschaftlichen Umbruch mit sich. Die Kirche musste – und muss bis heute – darauf reagieren. Am 29. April wird Markus Ries, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Luzern, sprechen. «Wir wollten auf jeden Fall auch die katholische Seite zu Wort kommen lassen», so Renata Egli-Gerber. «Und Professor Ries ist nicht nur bewandert in katholischer Soziallehre, Befreiungstheologie und dem Antikommunismus in der katholischen Kirche, sondern außerdem ein Thurgauer.» Am 1. Mai wird die Thurgauer Kantonsrätin und SP-Politikerin Nina Schläfli bei einem Dialog-Gottesdienst um 10 Uhr eine Ansprache in der Kirche Kurzrickenbach halten. Der Raum nötigt ihr durchaus Respekt ab, aber sie nimmt die Gelegenheit gern wahr, sich einmal abseits des politischen Alltagsgeschäfts mit Grundsätzlichem auseinanderzusetzen.

Bis zu fünfzig Teilnehmer kommen erfahrungsgemäß zu den abendlichen Gesprächsrunden in der Kirche in Kurzrickenbach. Sie dürfen nach dem 50-minütigen Einführungsreferat selbst mitdiskutieren oder Fragen stellen. Dementsprechend gibt es auch bereits einen Plan für die zweite Jahreshälfte: Dann geht es um die fundamentalen Themen ‚Tod und Sterben‘. Eine der Fragen wird es dann sein, wann die Menschen darüber sprechen und wann sie darüber schweigen.

Freitag, 25. März, 20 Uhr
Einführungsreferat: Pfarrer Johannes Bardill, Horgen: Die Industrialisierung vor 120 Jahren brachte einen großen Umbruch in der Gesellschaft. Wie reagierte die evangelisch-reformierte Kirche auf die Arbeiterbewegung? Wie ist es heute?

Freitag, 29. April, 20 Uhr
Einführungsreferat: Prof. Dr. Markus Ries, Luzern: Welche Rolle spielen heute in der katholischen Kirche Antikommunismus, katholische Soziallehre und Befreiungstheologie? Wie wirken sie sich auf das kirchliche Leben aus?

Sonntag, 1. Mai, 10 Uhr
Dialoggottesdienst mit Pfarrer Damian Brot und der Thurgauer SP-Präsidentin und Kantonsrätin Nina Schläfli.

Alle Veranstaltungen in der Kirche Kurzrickenbach, Bleichestrasse 11, CH-8280 Kreuzlingen, www.open-place.ch
Bei den Veranstaltungen wird kein Eintritt verlangt, es gibt aber jeweils eine Kollekte.

Text: MM/red, Bild: Inka Grabowsky, v.l.n.r.: Renata Egli-Gerber (Leiterin Café-Treff Philosophie), Damian Brot (Pfarrer, Seelsorger im Open Place), Nina Schläfli (Kantonsrätin, Präsidentin SP Thurgau).