Claus-Dieter Hirt: „Mein Thema ist Lodi“

Konstanz ist partnerschaftlich mit fünf Städten verbunden, eine davon ist die italienische Stadt Lodi. Im dortigen Rathaus führt seit kurzem eine Vertreterin der rechtspopulistischen Partei „Lega Nord“ Regie, einer Partei, die vor allem wegen ihrer fremden­feindlichen und rassistischen Politik immer wieder in die Schlagzeilen gerät. Sollen, dürfen wir uns darüber aufregen? Oder tut man einfach so, als wäre nichts passiert? Das wollten wir von Claus-Dieter Hirt wissen, der verantwortlich ist für die Beziehungen zu unseren Partnerstädten.

Vergangene Woche wurde in unserer Partnerstadt Lodi mit Sara Casanova eine Vertreterin der Partei Lega Nord zur Bürgermeisterin gewählt. Hat Sie das überrascht?
Nur etwas. Ich hatte aber eher bei der letzten Wahl 2013 mit einem Erfolg der Lega und ihrer Verbündeten gerechnet. Damals wechselte die langjährige Vizebürgermeisterin von Lodi, Giuliana Cominetti, übrigens eine engagierte Europäerin, vom sozialdemokratischen Bündnis ins bürgerliche Lager, weil ihre eigene Partei sie nicht zur Spitzenkandidatin gekürt hatte. Unterstützt von Berlusconis Leuten vor Ort und der Lega scheiterte sie aber knapp, bei den aktuellen Wahlen wurde Cominetti mit einer eigenen Liste in den Stadtrat von Lodi gewählt.

Ich will damit aufzeigen, dass sich die Parteienlandschaft in Lodi in heftiger Bewegung befindet. Bei der Wahl von Ende Juni dürfte ein Hauptgrund für die Wahl von Casanova in der generellen Parteienverdrossenheit in Lodi bestehen: Über ein Jahr lang wurde die Stadt von einem Präfekten, dem „Commisario Preffettizio“, ferngesteuert, nachdem der bisherige Bürgermeister von Lodi, Simone Ugetti, wegen Korruptionsverdacht verhaftet und ins Gefängnis von Pavia eingeliefert wurde. Die enorme politische Brisanz bestand darin, dass Ugetti ein enger Parteifreund von Lorenzo Guerini, seinem Vorgänger im Amt als Bürgermeister und stellvertretender Generalsekretär der mitregierenden Partito Democratico (PD) in Rom ist.

Hinzu kommt u.a. die grundsätzliche Forderung der Lombarden und damit auch der Lodigiani nach Änderung des zentralistischen Steuersystems mit seinen Umverteilungsmechanismen und der Wunsch der Lombardei nach mehr Unabhängigkeit von Rom in Form der Übertragung exklusiver Kompetenzen des italienischen Zentralstaates auf die italienischen Regionen. Der Autonomiegrad der Kommunen in Italien und damit auch des Stadtrates von Lodi ist spürbar geringer als in deutschsprachigen Ländern.

Die Lega Nord ist eine Partei, die als rechtspopulistisch oder gar rechtsextremistisch eingeordnet wird. Seit Jahren hetzen deren Mitglieder vor allem gegen Flüchtlinge in einer Art und Weise, wie man sie hierzulande aus rassistischen und fremdenfeindlichen Pegida- oder AfD-Kreisen hört. Macht Sie das nicht nachdenklich? Sollte man da nicht über Konsequenzen nachdenken, wie die LLK jüngst in einer Pressemitteilung gefordert hat?
Zunächst grundsätzlich: Die Lega Nord ist, wie alle anderen genannten Parteien, keine verbotene Partei. Das ist aber nicht mein Thema. Mein Thema ist Lodi und die dort nun politisch Verantwortlichen. Ich kenne die neu gewählte Bürgermeisterin unserer italienischen Partnerstadt nicht und kann mir deshalb kein Bild von ihren persönlichen politischen Überzeugungen machen. Sie muss nun die Chance bekommen, sich zu artikulieren und nur das zählt meiner Meinung nach für uns konkret. Wenn man von „Konsequenzen“ spricht, dann hätte man die schon Mitte/Ende der 90-iger Jahre ziehen müssen oder können. Damals nämlich wurde mit Dr. Segalini erstmals ein Vertreter der Lega Nord zum Bürgermeister von Lodi gewählt. Und „Konsequenzen“ wären falsch gewesen, denn Segalini erwies sich als ausgesprochener Europäer, der die Städtepartnerschaft zu Konstanz überdurchschnittlich förderte, einen Stadtrat speziell für die Koordination internationaler Kontakte einsetzte und Konstanz regelmäßig, zuletzt beim Jubiläum 2016, besuchte. Bei der aktuellen Wahl wurde Segalini, angesehener Arzt in Lodi, zum Stadtrat wiedergewählt und ist heute Fraktionschef der Lega Nord im Stadtrat von Lodi. Rassistische oder fremdenfeindliche Äußerungen habe ich in all den Jahren von Segalini nie vernommen.

In einem Vorgespräch haben Sie erklärt, die Städtepartnerschaften hätten kaum etwas mit Politik zu tun und seien ausschließlich dazu gedacht, die Menschen aus den verschiedenen Städten zusammen zubringen. Macht man es sich da nicht zu einfach? Wie Sie wissen, hat der Konstanzer Gemeinderat eine Resolution verfasst, die sich eindeutig gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ausspricht. Gilt das nun bei der Städtepartnerschaft mit Lodi nicht mehr?
Die Städtepartnerschaften leben von den Bürgerinnen und Bürgern, den Einwohnerinnen und Einwohnern, den Vereinen und Verbänden, den Kirchen und den Interessensgruppen und natürlich auch von den Parteien, die, wie ausgeführt, volatil sind. Hinzu kommt: Frau Casanova wurde bei einer Wahlbeteiligung von 51 % mit knapp 57 % der Stimmen gewählt. Anders ausgedrückt: Nur die Hälfte der Stimmberechtigten hat ihr Parteienbündnis, aus welchen Gründen auch immer, gewählt.

Europa und damit auch die Städtepartnerschaft zu Lodi, das wissen wir alle, lebt von unten. Und da gibt es seit vielen Jahren, ja Jahrzehnten, so zahlreiche und wertvolle Kontakte und Initiativen zu Lodi, die man nicht aufgrund einer OB-Wahl grundsätzlich in Frage stellen darf.

Noch ein letzter Versuch: Fremdenfeindliche, völkische und rassistische Parteien sind in ganz Europa auf dem Vormarsch. Wäre es da nicht an der Zeit, auch im Rahmen der Städtepartnerschaften gegenzusteuern und Farbe zu bekennen? Wie im Südkurier zu lesen war, hat auch Oberbürgermeister Uli Burchardt Frau Casanova zu ihrer Wahl seine Glückwünsche übermittelt, anscheinend ohne einen moderat-kritischen Wink mit dem Zaunpfahl. Ist das nicht geradezu fahrlässig in Zeiten, wo hierzulande Flüchtlingsheime brennen und auch Vertreter der Lega Nord bis in die jüngste Vergangenheit mehrfach gefordert haben, auf „Illegale“ sogar zu schießen?
Die Stadt Konstanz hat bisher, und ich meine aus gutem Grund, auf ein Statement zu Entscheidungen/Wahlen des Souveräns in unseren Partnerstädten verzichtet. Ich kann keine Fahrlässigkeit erkennen, wenn man Frau Casanova und ihre eigenen, konkreten politischen Ziele noch gar nicht kennt. Im übrigen zeigt sich Casanova auf dem ersten offiziellen Photo auf der Homepage von Lodi auch vor der europäischen Fahne; das lässt hoffen.

Das Gespräch mit Claus-Dieter Hirt führte Holger Reile

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