Container für Flüchtlinge: Und es gibt sie doch
Wohin mit den Flüchtlingen, die fast täglich auch nach Konstanz kommen? Schon ist die Rede davon, dass ab Herbst die ersten Turnhallen als Unterkünfte dienen sollen. Container, so hieß es schon mehrmals von Seiten des Landratsamtes und auch der Stadtverwaltung, seien kaum mehr aufzutreiben, weil weitgehend ausgebucht. Doch stimmt das überhaupt? seemoz hat nachgefragt.
Die Stadt Konstanz muss bis zum Jahresende bis zu 400 weitere Unterbringungsplätze für Flüchtlinge nachweisen. Zwei Örtlichkeiten, an denen Unterkünfte geplant sind, hat man sich bereits ausgesucht: Das leerstehende Gebäude auf dem Transco-Gelände an der Max-Stromeyer-Straße könnte bis zu 100 Personen aufnehmen, am Mühlenweg im Zergle hätten etwa 80 Menschen Platz. Doch bis diese Vorhaben umgesetzt sind, dürfte ein Jahr vergehen, denn vorab müssen die Unterkünfte erstmal hergerichtet oder gar erst neu gebaut werden. Die Zeit drängt also, schnelle Lösungen sind gefragt.
Adieu Willkommenskultur?
Gerne vor allem von der Stadt Konstanz stolz vor sich hergetragen wie eine Monstranz, könnte sich die viel zitierte Willkommenskultur schnell in ihre Einzelteile auflösen. Vor allem dann, wenn ab Herbst die ersten Turnhallen als Flüchtlingsunterkünfte herhalten müssen und deshalb Turnunterricht ausfällt oder nur noch teilweise in anderen Hallen angeboten werden kann. Wer sich auf islamophoben und fremdenfeindlichen Foren im Internet, beispielsweise auf Pegida BW oder Pegida Konstanz, umschaut, dem schlägt der pure Hass auf alles Fremde entgegen. Oft gesteuert von Rechtsradikalen, die auf diesen Seiten ihr braunes Süppchen kochen und es – in mittlerweile abgeschwächter Form – immer noch auch auf Südkurier Online geschickt anrühren dürfen. Da braut sich einiges zusammen. Derlei ist den politischen Entscheidungsträgern vor Ort aber völlig fremd, sie informieren sich größtenteils über die Printausgabe der hiesigen Tageszeitung und haben schlichtweg keine Ahnung, was sich da im Netz abspielt und viel übel riechenden Zündstoff in sich birgt.
Container angeblich ausgebucht
Bei der Gemeinderatssitzung Ende Juni schlugen mehrere RätInnen vor, sich umgehend um Kauf oder Anmietung von Containern zu kümmern, um bis Jahresende die geforderten Plätze für Flüchtlinge sicher bereitstellen zu können. Die Vorschläge stießen vor allem bei der Verwaltung nicht auf Gegenliebe. CDU-Oberbürgermeister Uli Burchardt lehnte die Idee rundweg ab, denn auch Container bräuchten eine Infrastruktur in Form von verschiedenen Anschlüssen, die auf der Gemarkung Konstanz nicht vorhanden sei. Von anderen rathäuslichen Schreibtischen war sogar zu hören, Container seien zur Zeit nicht zu bekommen, man müsse deswegen notgedrungen auf Turnhallen ausweichen oder auf Zelte zurückgreifen. Diese Tatsachenbehauptung wurde allgemein hingenommen, mehrere schüchterne Nachfragen wurden eher schroff abgeledert.
Ein Fachmann hilft weiter
Stephan Grumbt, Behindertenbeauftragter der Stadt Konstanz und im Hauptberuf erfahrener Logistiker, der seit Jahren Containertransporte in ganz Europa organisiert, hat andere Erfahrungen gemacht. Nach drei kurzen Telefonaten mit einer Fachfirma hatte er bereits mehrere Angebote auf dem Tisch. Zum Beispiel das eines Anbieters aus dem benachbarten Österreich: 15 bis 20 Container, ausgestattet mit kleiner Küche und Sanitärbereich zum monatlichen Stückpreis von rund 400 Euro und auch schnell lieferbar. „Dabei“, so Grumbt auf Anfrage, „habe ich noch gar nicht richtig recherchiert“. Auch in der Schweiz gebe es Firmen, die Container anbieten und wer, wenn es nicht anders geht, an Zeltstädte denke, „findet wahrscheinlich bei den Logistikzentren der Bundeswehr ideale Zeltkonstruktionen“. Einen passenden Standort für ein Containerdorf in Konstanz hat Grumbt auch schon im Blick: „So tragisch wir es alle finden, dass das Schwaketenbad abgebrannt ist: Dort, auf dem befestigtem Parkplatz, ist die benötigte Infrastruktur vorhanden, also Anschlüsse für Wasser, Strom und Gas. Die Bushaltestelle ist um die Ecke und Einkaufsmöglichkeiten sind auch nicht weit. Das könnte kurzfristig machbar sein“.
Nachbemerkung: Bei der kommenden Gemeinderatssitzung am 23.7. soll über die Flüchtlingsunterbringung informiert und gegebenenfalls debattiert werden. Doch es gibt keine Vorlage dazu. Noch Freitagvormittag hieß es aus dem Rathaus, die Sitzungsvorlage sei zwar „weitgehend fertig“, aber einige „Änderungen“ von OB Burchardt müssten noch „schnell“ eingearbeitet werden. Das ist nun drei Tage her.
H. Reile
@Frau Bernecker: Da haben Sie natürlich Recht. Mir ging es nur um schnelle Lösungen. Das „weltfremd“ bezog sich lediglich auf die Zeit, nicht auf das Objekt. So leicht entstehen Missverständnisse…
zu Herrn Greis: natürlich geht es jetzt erstmal um direkt zu realisierende Möglichkeiten, was wohl jede Stadt vor Probleme stellt. Turnhallen in einer Stadt, in der der Sport ohnehin vernachlässigt wird, sind sicher keine längerfristige Lösung. Sie halten sich an Herrn Grumbts Container-Lösung. Aber dort wollen Sie die Flüchtlinge idoch wohl nicht lassen? Also sollte doch jetzt schon nach Alternativen gesucht werden, die dann für die Flüchtlinge ein Zuhause werden könnten – und zwar bevor die Stadt sich sämtliche frei stehenden oder frei werdenden Gebäude krallt – wir wissen wofür. Was ist so schlecht oder Ihrer Ansicht nach „weltfremd“ am Krankenhaus? Alles vorhanden, sogar Großküche und pro Zimmer Sanitäranlagen- da gibt es sicherlich schlechter geeignete Gebäude. Oder sollen die Flüchtlinge alle irgendwo in neu zu bauenden Lagern an den Randgebieten verschwinden? WGs mit Sozialarbeitern und notwendigen Unterstützern sind sicherlich die bessere Lösung . Jetzt wird sich zeigen, wie „bunt“ Konstanz und wie tolerant und menschlich die SV tatsächlich ist – freundlch lächelnd mitmarschieren kann jeder.
@Luana Thalmann: Das „Beispielgebend ist Griechenland: wieviele Geflüchtete werden dort mit Solidarität und Menschlichkeit aufgenommen und das, obwohl es Griechinnen und Griechen wirtschaftlich total mies geht“ ist ja hoffentlich nicht ernst gemeint. Falls doch sehen „Solidarität und Menschlichkeit“ so aus, dass auf griechischen Inseln hunderte Flüchtlinge in Lagern festsitzen, in denen es weder genügend Platz – oft nicht einmal ein Zelt – keine Duschen, völlig verdreckte WCs, keine Nahrungsmittel und Getränke für sie gibt . Die Lager auf dem Festland sind so mies, dass die Verhältnisse 2011 vom Europ. Gerichtshiof für Menschenrechte beanstandet wurden und Deutschland und die Schweiz (im Rahmen des Dublin-Abkommens) seit 2012 keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland zurück schaffen. Die Aufnahme in Griechenland ist also schon seit Jahren nicht besonders „menschlich“. Dass die Griechen derzeit mit dem Flüchtlingsansturm überfordert sind, ist nachvollziehbar. Dass die EU weder Griechenland noch Italien helfen will, ist ein Armutszewugnis. Aber die griechische Flüchtlingspolitik ist nicht erst seit Neuestem eine mittlere Katastrophe. Viele der dort Gestrandeten würden wohl einen Wohncontainer in Konstanz den Zuständen auf Lesbos jederzeit vorziehen.
@Herr Hülsmeier
Das Vincentius-Krankenhaus zieht 2018 um – so weltfremde Ideen sind sicher nicht gefragt. Da sollte viel besser der Vorschlag von Stephan Grumbt geprüft werden.
@Herr Beringer
Alle von Ihnen genannten Beispiele befinden sich nicht in städtischem Besitz, also keine schnelle Lösung möglich, oder streben sie etwa Enteignung an? Was ist gegen Container als schnelle vorübergehende Lösung einzuwenden? Die Menschen sind bestimmt auch für solche Unterkünfte dankbar und erwarten einfach Hilfe und nicht unbedingt optimale Bedingungen.
Auf längere Sicht gedacht, gäbe es auch noch das demnächst leer stehende IHK-Gebäude, das nach Umzug ebenfalls zur Verfügung stehende Vincentius-Krankenhaus, sicher beide sanierungsbedürftig, aber nicht abbruchreif – denn beide Gebäude werden ansonsten ohnehin abgerissen und durch Neubauten ersetzt, die vor allem wirtschaftlich rentabel sind. Noch ist der erste Spatenstich nicht gesetzt. Da also die Mieten ohnehin nicht im notwendigen sozial verträglichen Bereich liegen werden: wir brauchen keine weitere Nachverdichtung mit hausgemachtem Verkehr in der überlasteten Innenstadt. Die Belegung der ohnehin raren Turnhallen ist eine Verlegenheitslösung und wird vorhersehbar nur zu unnötigen Spannungen führen. Gute Arbeit imVorfeld ist deshalb unerlässlich, um Vorurteile abzubauen. Nicht vergessen darf man jene Konstanzer, die schon lange auf der Suche nach günstigem Wohnraum sind. Eventuell besteht die Chance gemeinsamen Wohnens in einer „bunten Mischung“ toleranter Menschen im „bunten Konstanz“? Interessant wäre zu erfahren, wie sich die Situation in der Luisenstraße entwickelt hat – um zu lernen, was gut ist und was man besser machen könnte.
Von einer Freundin E.D. einer ehemaligen Krankenschwester, ist die Idee eingebracht worden, das Vincentius Krankenhaus für die Aufnahme von Flüchtlingen einzusetzen. Es gibt wohl leicht über 200 Betten in kleinen Zimmern mit vielen „Nasszellen“, Gemeinschaftsküchen auf den Stockwerken, Grossküche, Helferräume, Mitarbeiterwohnungen.
Die Nutzung könnte für viele Monate ohne grosse vorherige Baumassnahmen laufen, bis dann wirklich private Investoren die Gebäude abbrechen und bürgerliche Wohnungen errichten.
Dr.Henning Hülsmeier
Folgendes Gebäude steht ebenfalls leer:
Verwaltungs- und Wohngebäude in der Zeppelinstraße 9, ehemals Kassenärztliche Vereinigung.
Dort wäre Platz für ca. 50-60 Flüchtlinge.
Ich finde, auch das Villenviertel von Konstanz sollte einen Beitrag leisten.
Unsere Verwaltung mit Unterstützung des OBs ist z.B schnell im Absägen von Bäumen (= destruktiv)!
Konstruktiv sollte es für Menschen, die beinahe ihr Leben verloren haben, zumindest aber ihr Heim, oft nahe Angehörige, all ihr Hab und Gut, doch menschenwürdige Lösungen geben. Hier in einem Land, einem Bundesland, einer Stadt, die zu den reichsten Orten in Europa gehören. Beispielgebend ist Griechenland: wieviele Geflüchtete werden dort mit Solidarität und Menschlichkeit aufgenommen und das, obwohl es Griechinnen und Griechen wirtschaftlich total mies geht (dank unseres Finanzminister = destruktiv im höchten Maß!).
Wo ein Wille und Mitgefühl ist, sind viele Wege gangbar den Menschen, die hier Hilfe suchen zu helfen wieder menschenwürdig leben zu können und zwar dauerhaft!
Hm? Irgendwie will ich nicht so recht glauben, daß wir in Konstanz keinen Platz, keine geeigneten Gebäude hätten, und zur Flüchtlingsunterbringung nun gar auf Zelt- oder Containersiedlungen zurückgreifen müßten oder Schulsport vs. Flüchtlinge ausspielen müßten…
Ständig ist die Rede davon, wieviel Gewerbefläche in Konstanz leersteht, manche davon mag zum Wohnen tatsächlich nicht geeignet sein, bei vielen aber scheint dies jedoch nur mit kleinen Umbauten ohne weitere Probleme machbar.
Mal ein paar davon aufgezählt (vom Anspruch auf Vollständigkeit weit entfernt):
– Die Bundesagentur für Arbeit, bzw. deren Immobilienabteilung, sucht seit Monaten verzweifelt Mieter für die leerstehenden Teile des Arbeitsamtes…
– Von den (nach überschlägiger Berechnung via Google-Earth) geschätzten rd. 12.000m² Nutzfläche des Ravensberg-Areals mögen Gebäudeteile entlang der Steinstr. tatsächlich einsturzgefährdet sein, aber zumindest mal das zugehörige Verwaltungshochhaus steht nahezu komplett leer und macht eigtl. auch nach wie vor einen nutzbaren Eindruck…
– Über die aktuelle Nutzung der 100.000² Nutzfläche des Ex-Nycomed-exAltana-exBykGulden-Areals weiß ich leider wenig; wie wird das derzeit eigtl. genutzt? (von Finanzamt und den Takeda-Resten abgesehen)
– Der Bürokomplex „Am Seerhein 6/8“ macht von außen ebenfalls den Eindruck von mind. einem Drittel Leerstand…
– Diverse weitere evtl. infrage kommende größere zusammenhängende Gebäudeflächen findet man noch in den bekannten Immobilienportalen, z.B. u.a. in der Fritz-Arnold-Str. od. im VHS-Areal am Petershausener Bhf….
Da wird sich doch wohl irgendwo Platz finden, einige hundert Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen zu können, anstatt sie in Blechcontainer pferchen zu müssen (mit deren Verleih u. Aufstellung sich blos einige wenige Unternehmer, die sich aufs Flüchtlings-Geschäft spezialisiert haben, die Taschen füllen)!
„Tatsachenbehauptung“? Diese Nachfrage ist goldrichtig. Mit den Sporthallen wird politisch spekuliert und medial auf den worst case vorbereitet. Ja, wenn die Kreisgewaltigen nicht genügend private Vermietungsangebote ( welche Folgen für den Billigsektor des Wohnungsmarkts! ) bekommen, dann geht es Euch an den Sport und Euer heißgeliebtes Freizeitvergnügen! Willkommenskultur gibt es nicht zum Nulltarif. Vor allem muss man medial vorsichtig mit dem Thema umgehen. Manches der letzten Wochen klang so wie Kriegsvorbereitung der 30er Jahre!