CSD und die Phantom-Schmerzen der Konstanzer CDU
„Durch die Liebe zum Facettenreichtum fühlen sich ganz normale Familien an den Rand gedrängt“, kritisierte Guido Wolf im Januar 2015 bei einem CDU-Landesparteitag die damalige grün-rote Landesregierung unter dem Applaus der CDU-Basis. Zum Facettenreichtum in Konstanz wiederum gehört der alle zwei Jahre stattfindende Christopher Street Day (CSD). In dessen Mittelpunkt steht eine Parade für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen (LSBTTI).
Kürzlich hat die CDU-Fraktion erneut die Mentalität gezeigt, die durch die Aussage von Herrn Wolf deutlich wurde, und einem Förderantrag des CSD-Vereins im Kulturausschuss des Gemeinderats die Zustimmung verweigert und damit gezeigt, dass sie sich immer noch schwer tut mit dem Facettenreichtum der Gesellschaft.
Es ging um die institutionelle Förderung des Vereins mit 7 100 €. Mit dieser Summe soll der CSD 2017 unterstützt werden, der von den Vereinsmitgliedern ehrenamtlich organisiert wird. Die Stadtverwaltung befürwortete diesen Antrag und der Kulturausschuss stimmte einmütig zu – bis auf zwei CDU-Räte, die sich der Stimme enthielten. Dieses Abstimmungsverhalten steht in krassem Widerspruch dazu, dass Uli Burchardt beim letzten CSD 2015 die Schirmherrschaft übernahm und bei einer Rede während des Veranstaltungsprogramms im Stadtgarten Liberalität und Offenheit der Stadt Konstanz hervorhob. Umso enttäuschender nun, dass sich Burchardts CDU-Basis im Rat nicht zu einer Zustimmung durchringen konnte.
Bei dem konservativen Denkmuster, das immer wieder deutlich wird, schwingt die empörende Unterstellung mit, dass den heterosexuellen „Normalos“ etwas weggenommen wird, wenn sich Akzeptanz und Toleranz gegenüber LSBTTI durchsetzt. Wenn Regenbogenfamilien nicht mehr diskriminiert werden und etwa eine Gleichstellung im Adoptionsrecht erfolgt, so schwächt dies die klassische Familie überhaupt nicht, sondern stärkt die Gesellschaft insgesamt. Ebenso stellt der Christopher Street Day eine Bereicherung für unsere Stadt dar.
Am Samstag, dem 15. Juli 2017, wird der Bodensee-CSD erneut als grenzübergreifende Veranstaltung stattfinden. Schon traditionell startet der Demonstrationszug in Kreuzlingen und endet mit einer politischen Kundgebung auf der Konstanzer Marktstätte, wobei im Anschluss ein Kulturprogramm im Stadtgarten und schließlich die Abschlussparty im Konzilgebäude stattfindet. Der Konstanzer CSD ist dabei eine in vielfacher Hinsicht „attraktive“ Veranstaltung und eine gelungene Mischung aus Politik und Kultur.
Till Seiler (Foto: tomontour.com)
Näheres ist auch auf der Homepage des CSD-Vereins zu finden: www.csd-konstanz.de.
Lieber Dennis,
hast du schon mal mit bekommen, dass sich Mitglieder der CDU an der Vorbereitung des CSD beteiligt haben? Wenn sie schon eventuell nicht mit der Form des Ganzen einverstanden waren?
Ich kann mich nicht erinnern! Also lassen wir das Gerede!
Was stört die Konstanzer CDU-Greise das Geschwätz ihres Guido Wolf.
Die Einordnung empfinde ich doch als weitgehend oberflächlich und auch überaus einseitig. Denn: Es ist legitim und immer wieder neu von Bedeutung, die Frage zu stellen, ob ein CSD, wie er heute gefeiert wird, tatsächlich auch weiterhin diesen Anspruch an eine integrierende und vor allem Toleranz stärkenden Versammlung erfüllen kann, den man ihm noch vor zehn Jahren zugesprochen hat.
Wer eine Förderung kritisch überdenkt, der muss dies nicht zwingend daher tun, weil er die vorgegebenen Ziele solch einer Veranstaltung wirklich ablehnt. Viel eher kann die Enthaltung auch ein Symbol dafür sein, dass die Form des aktuellen CSD möglicherweise nicht von allen mit dem Zweck in Verbindung gebracht werden kann, den der Antrag gleichsam suggeriert.
Fair wäre gewesen, selbstreflektiert zu hinterfragen, ob die Demonstration noch die Kriterien erfüllt, die für eine finanzielle Unterstützung eines kulturellen Events festgelegt und damit eben verpflichtend sind. Ich habe auch meine Probleme, mich durch den CSD vertreten zu fühlen und bin mir nicht sicher, ob einige seiner bewusst ausgewählten Provokationen nicht eher die Ausgrenzung vorantreiben, also vielleicht gar eher das Gegenteil von dem bewirken, was man eigentlich doch erreichen will.
Deshalb mag es zwar einfach sein, der CDU ein konservatives Verhalten vorzuwerfen und sich damit gegen den OB gewendet zu haben. Vielleicht wäre es aber deutlich ehrlicher gewesen, das Gespräch zu suchen und ernsthaft zu fragen, ob es vielleicht Gründe für diese Entscheidung gegeben hat – abseits der unterstellten Ideologie.