Das Beste waren die Häppchen
Am 20. April stattete Ministerpräsident Kretschmann mitsamt seinem Kabinett Konstanz einen Besuch ab. Zusammen mit OB Burchardt lud er zu einem sogenannten Bürgerempfang ins Konzil. Der Plan, Politik und ihre Akteure hautnah zu präsentieren, aber ging schief.
Denn schon die Anmeldezahlen via Internet und Telefon blieben mäßig. Zu wenigen war bekannt, dass für den Einlass grundsätzlich eine persönliche Einlasskarte benötigt wurde, die nur unter Preisgabe aller persönlichen Daten, einschließlich E-Mail-Adresse, beim Land beantragt werden konnte. Weil die Veranstaltung ansonsten vermutlich äußerst mickrig ausgesehen hätte, wurden Passanten und sonstige wartende Gäste vor den Toren des Konzils mit Lichtbildausweis eingelassen. Auch so war der Konzilsaal nicht gefüllt. Was lernt man daraus? Wenn man die Bürgerinnen und Bürger einladen möchte, sollte man die Einladung auch medienwirksam verkünden, anstatt sie nur auf der eigenen Website zu posten.
Lobhudelei
Wer nun allerdings ein Podium mit Bürgerdiskussion und Bürgerdialog erwartete, wurde heftig enttäuscht. Stattdessen ergingen sich zuerst OB Burchardt, dann Winfried Kretschmann in Lobhudeleien ob ihrer eigenen Arbeit. Uli Burchardt betonte zum wiederholten Male die Bedeutung des Konzils und der Konzilsfeierlichkeiten für die nachbarschaftlichen Beziehungen. Er scheint dieses Jubiläums partout nicht müde zu werden …
Interessanterweise rekurrierte er nach dem Verweis auf das gemeinsame Wirtschaftskonzil mit Schweizer Unternehmern auf die EU-Außengrenze, die mitten durch die Konstanzer Altstadt verläuft. Man müsse ja auch einmal erwähnen, dass es sich ebenfalls um eine NATO-Außengrenze handele! Dem unbedarfter Zuhörer mochte der Eindruck entstehen, Konstanz befinde sich im konstanten militärischen Ausnahmezustand. Allein die passende Autobahn fehle noch, so dass Uli Burchardt noch einmal auf den Ausbau der B33 zwischen Konstanz und Markelfingen pochte.
Der Ministerpräsident knüpfte direkt an die Äußerungen des Oberbürgermeisters an. Mehrmals bezeichnete er Baden-Württemberg als zentralen Wirtschaftsstandort der Bundesrepublik. Diesen Status dürfe man nicht einbüßen, somit müsse alles für die Wirtschaft getan werden. Nach seinen Angaben konkurriere Baden-Württemberg ja nicht etwa mit Mecklenburg-Vorpommern, sondern mit international bedeutsamen Wirtschaftsstandorten – China, Singapur, Japan, Silicon Valley etc. Ich bin mir sicher, sein mecklenburgischer Amtskollege Sellering (SPD) wäre nicht gerade glücklich, wenn er hörte, sein Land sei kein bedeutsamer Wirtschaftsakteur.
Verantwortung?
Daraufhin forderte er die Europäische Union auf, das Ertrinken von Flüchtlingen im Mittelmeer zu unterbinden. Dabei ließ er offen, wie er sich eine solche Rettungsaktion vorstellt. Kretschmann ist schließlich der grüne Ministerpräsident, der mehrmals im Bundesrat Mehrheiten für erhebliche Verschärfungen des Asylrechts gestützt hat. Der sogenannte Asylkompromiss, also die schutzlose Abschiebung von beispielsweise Sinti und Roma, die in den Balkan-Herkunftsstaaten Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien systematischen Verfolgungen ausgesetzt sind und gesellschaftliche Ausgrenzung erfahren, ist nicht zuletzt wegen seiner Zustimmung zustande gekommen. Eine konsequente Flüchtlingspolitik, die Menschen in Not mit offenen Armen empfängt, anstatt Grenzen abzuriegeln und Flüchtlinge in ‚gute‘ Kriegsflüchtlinge und ‚schlechte‘ Wirtschaftsflüchtlinge zu klassifizieren, ist der einzige Weg, das Massensterben im nassen Grab Mittelmeer zu beenden. Mit Rigidität und inhaltlicher Verknappung der Asylverfahren wird ein menschliches und gerechtes Asyl nicht erreicht. Wieder einmal zeigt sich: Es ist einfach, den schwarzen Peter nach Brüssel abzuschieben. Selbst Verantwortung zu übernehmen, gestaltet sich im Gegensatz dazu äußerst schwierig.
Nach den langatmigen Redebeiträgen sollte eigentlich Gelegenheit zum Gespräch mit den Ministern und Ministerinnen geboten werden. Leider positionierten sich diese am Rand der Bühne im Konzilsaal und verteilten sich nicht im Raum. Unweigerlich bildete sich eine gewaltige Traube, durch die kein Durchkommen möglich war. Ein vernünftiges, längeres Gespräch zu führen, war aussichtslos.
Summa summarum: Das Einzige, was sich an diesem Abend wirklich gelohnt hat, waren die Häppchen …
Simon Pschorr/Fotos: N. Kienzler
Zwischen Intention und Inszenierung lag an diesem Abend ein großes komisches Potential: Bürgernähe und Demokratie zum Angreifen sollten da gezeigt werden, stattdessen erinnerten die zu mittelalterlich anmutender Flötenmusik einziehenden Damen und Herren Kabinettsmitglieder an einen Hofstaat aus Strumpfhosenfilmen. Neben der unfreiwilligen Komik untergrub die Inszenierung auch die intendierte Message. Nicht: Volksvertreter treffen ihren Souverän, sondern das Volk bittet um Audienz. Naja, die Häppchen waren in der Tat köstlich… leid tun können einem die Musiker, deren Kunst an diesem Abend keinen guten Rahmen fand und im Gläserklirren und der Freude über die Häppchen unterging.
Was soll der Burchardt auch anderes machen als auf dem Komzil rumzureiten. Eigene Lorbeeren hat er ja nicht vorzuweisen.
Der Wohnungsmarkt ist trockener als die Sahara, obwohl er mit immer wieder großen Sprüchen schnelle Abhilfe verspricht.
Statt dessen lenkt er gerne ab mit Konzerthaus und anderem unnötigen Firlefanz. Alles Holzhacken, damit er schnelle Ergebnisse sieht.
Offiziell war die Landesregierung nach Konstanz gekommen, um die Erinnerung an das Konzil zu untermauern. Inoffiziell muss jedem Bürger klar sein, dass der Besuch am Bodensee ein Jahr vor der Landtagswahl natürlich sehr viel nachvollziehbarere Gründe hatte: Ein Minister der Landesregierung will 2016 in den Landtag gewählt werden und Konstanz bleibt aufgrund seiner komplexen gesellschaftlichen und politischen Zusammensetzung ein Ort, der immer wieder das Zünglein an der Waage sein wird, wenn es darum geht, wer in Stuttgart die Mehrheit bekommt.
Man mag diese Bürgerempfänge tatsächlich auch als ernst gemeinte Zeichen von Nähe zu den Menschen verstehen. Aber selbst die Landesregierung, die die Partizipation vorangetrieben hat, ist bislang noch auf keine besseren Ideen gekommen, wie ein wirksames Anhören der Anliegen aus der Bevölkerung an die Stelle eines eher peinlichen Abends des Posierens, Wichtigseins und Darstellens rücken kann.
Dass ein Ministerpräsident und seine Riege an Ministern kaum in der Lage ist, sich in solch einem Rahmen wirklich der Sorgen der Menschen anzunehmen, kann man ihnen realistischerweise nicht übel nehmen. Aber dann sollte man das auch ehrlich kommunizieren und sich alternativ überlegen, wie verbindliche Beteiligung aussehen kann. Denn da haben Kretschmann und Burchardt tatsächlich eine Gemeinsamkeit: Guten Willen, aber keinen Plan…
Ein Gefühl für das was ankommt im erzkatholisch biedermeierlich vorderösterreichischen Konstanz hat er schon, der Nadelstreifen – Uli: Seine große Liebe zum Verbrennungsjubiläum dürfte ihm bei Hardcore – Katholiken wieder einige Stimmpunkte einbringen. Schon die Eröffnungsausstellung im Konzil deutete daraufhin, warum der 4-jährige Marathon ein Segen für die römische Amtskirche war. Grundtenor: die Ordnung innerhalb der Kirche konnte wiederhergestellt werden, wozu ja bekanntermaßen auch die Verbrennung von Hus beitrug. Als Mann des Law und Order dürfte sich Uli natürlich damit identifizieren, schließlich ist er ein Anhänger der Basta – Politik. Siehe zuletzt seine Kompromisslose Haltung zur Pappel-Allee.