Das Ende des Chérisy-Schandmals
Die Tage des martialischen Hakenkreuz-Krieger-Denkmals am Haupteingang der Konstanzer Chérisy-Kaserne scheinen gezählt: Am kommenden Sonntag, am Tag vor dem Antikriegstag, wollen Mitglieder der FriedensInitiative Konstanz den steinernen Soldaten verhüllen und damit eine Diskussion über den Umgang mit solchen „Denkmalen“ anstoßen. Mehr noch: Wie man hört, soll der Chérisy-Soldat ohnehin im Zuge der Neubaumaßnahmen in dem Areal abgeräumt werden
„Dieses Nazi-Monument darf so nicht bleiben“ fordert die Konstanzer FriedensInitiative in einem Flugblatt, das schon seit Tagen auf dem Chérisy-Areal kursiert. Auf der Titelseite ist dann auch bereits skizziert, wie man sich eine Umwidmung vorstellen kann (s. Foto): Aus dem Flaggenstab wird eine Krücke, der Arm des Nazi-Soldaten ist verbunden.
Diese Darstellung basiert auf einem Entwurf des Tuttlinger Künstlers Andreas Schönian, der vor fast 30 Jahren schon auf diese Weise das Schandwerk seines Kollegen Paul Diesch umgestalten wollte. Wie es überhaupt schon häufig Versuche gab, dem Stein-Soldaten seine Propaganda-Funktion zu nehmen: Einige wollten Anfang der 1990iger Jahre „den Schandfleck einfach wegsprengen“, andere später durch ein Gegendenkmal ergänzen. Auch der Konstanzer Gemeinderat vertrat Ende der 90iger Jahre mehrheitlich die Meinung, da müsse etwas geschehen. Doch die weiteren Ausschuss-Beratungen verliefen im Sande – geschehen ist bis heute nichts.
Nun aber soll in einer Aktion am Sonntag ab 14 Uhr eine Plane das ohnehin schon reichlich besprühte „Kunstwerk“ verhüllen und, so Vertreter der FriedensInitiative (FI), zu einem DenkMal machen, das zeigen soll, wie die kriegerische Wirklichkeit verfälscht wurde. Denn, so noch einmal die FI: „Die Vergangenheit lässt sich nicht wegsprengen. Besser ist es, die Propaganda dieser Statue kenntlich zu machen“. Und damit die Diskussion über solche Art der Vergangenheitsbewältigung zu eröffnen. Eine erste Wirkung haben die Friedensapostel bereits erzielt: Sogar das Heimatblatt wurde so auf das Thema gestoßen und beeilte sich noch an diesem Wochenende, mit einer Umfrage bei Prominenten der Stadt offensichtlich Meinung gegen eine Umwidmung zu machen.
Womöglich aber läuft die wackere FI-Aktion ohnehin ins Leere. Wie man hört, gibt es sehr konkrete Pläne, dass der Steinsoldat einem verbreiterten Fußweg weichen soll. Nur auf diese Weise, so das städtische Bauamt, könne man dem nach der Fertigstellung der Neubauten noch stärkerem Fussgängerverkehr begegnen. Noch aber, wie man auch hört, will das Denkmalamt ein Wörtchen mitreden. Aber schon hat, wie man überdies hört, der Reservistenverband sein Interesse bekundet, das Schandmal in seinem Vorgarten aufzubauen. Aber – auch das hört man – noch fehle das Geld für den Transport der immerhin über drei Meter hohen Statue. Doch – sogar das wird gemunkelt – das Technische Hilfswerk THW stehe schon „Gewehr bei Fuß“, um helfend beizuspringen.
Was jahrelanger Protest nicht schaffte, bewirkt heutzutage also ein schnöder Bebauungsplan: Die Tage des Krieger-Denkmals am Haupteingang der Konstanzer Chérisy-Kaserne jedenfalls scheinen endgültig gezählt.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: hpk
Danke Ralph für dein sehr bedachtes Bekenntnis zu Erinnerung und Verantwortung gegenüber Faschismus und mörderischem Militarismus.
Als Pazifist ist es nicht immer einfach zu sagen, dass Soldaten Mörder sind, aber so ist es. Wir leben nicht in einer heilen Welt, also braucht es auch keinerlei Schönfärberei. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Die von der Friedensinitiative geplante Verhüllung des Chérisy-Soldaten erinnert an die Reichstagsverhüllung und gibt Anstoß zum Nachdenken. Das wirkt so wie ein Aufschrei gegen die inhumane Koalition der willigen Rüstungsproduzenten und wildentschlossenen Waffenschieber.
Contra: Wider das Vergessen der Schande „in unserer schönen Stadt“
Der gnädig schützenden Bäume entkleidet, steht der Krieger nun im Licht. „Von oben“, also seitens der Stadtverwaltung, hat man ihn bislang negiert , nämlich weder als Verkehrshindernis beseitigt noch ihn als Denkmal eingetragen und geschützt – nur das Hakenkreuz wurde in den 80ern ausgemeißelt. Allen Versuchen „von unten“, ihn niederzureißen (ich selbst war an zweien beteiligt), hat der Koloss bislang widerstanden. Inzwischen meine ich: zu Recht.
Gerade weil er ein abschreckendes Schandmal ist, sollte der Soldat erhalten bleiben, zur Erinnerung an die Schande der (Welt)kriege, als Mahnung für den Frieden. Mir sagt er jeden Tag beim Vorbeigehen: So bitte nicht! Umso mehr, da heute deutsche Waffen und Soldaten von Kurdistan bis zum Hindukusch im Einsatz sind.
Wer die Vergangenheit durch Entsorgung verarbeiten will, macht es sich zu einfach. Zukunft braucht Erinnerung, und der Krieger ist ein geeigneter Erinnerungsort, identitätsstiftend heute nicht mehr für Nazis und Militaristen, sondern für die Gegner dessen, was er ursprünglich verherrlichen sollte. Deshalb fordert die Friedensinitiative zu Recht die Umgestaltung, nicht den Abriss.
Was lange währt, kommt endlich weg.
Eine erfreuliche, aber eindeutig überfällige Nachricht. Ein Schandfleck weniger in unserer schönen Stadt.