Das Gedenken lässt die Armenier zusammenstehen

Einen sehr persönlichen, emotionalen Eindruck gewann Christoph Linge von dem Gedenk-Treffen zum armenischen Völkermord, das letzten Freitag Deutsche und Armenier in Konstanz zusammen führte. Der Anfang eines armenischen Miteinanders hierzulande?

Natürlich war es erstmal ein „liturgisches Event“. Aber dann kam die Verlesung von Namen der Ermordeten, vorgetragen von ihren Enkeln, auch Urenkeln. Dazu die bemerkenswerten Redebeiträge der Konstanzer SPD-Gemeinderätin Zahide Sarikas und der Vertreterin der armenischen Community, Anush Yeghiezeryan – letztere bedankte sich ausdrücklich für die Solidarität derer, die diese als Nicht-Armenier durch ihr Dabei-Sein ausdrückten.

Auf dem Weg zum anschließenden „Beisammensein“ gab es eine kleine Ausstellung mit Fotos, Zeitungsberichten, die das damals Geschehene illustrierten (oft an der Grenze des Erträglichen, weil eben gerade die letzte Phase der Entmenschlichung der Sterbenden/schon Toten zu sehen war), zeitgenössisch, aber auch aktuell, auch aus der Türkei, welche belegten, dass dort die Menschen heute auf der Straße in der Bewertung, was das nun war damals, viel weiter sind als ihre Regierung.

Interessant auch noch einmal die „Rechtfertigung“ eines Enver Pascha gegenüber dem damaligen US-Botschafter an der Hohen Pforte, Henry Morgenthau, warum man all das so gemacht habe:

Das erste Argument war, dass die Armenier die Türken betrogen und sich auf deren Kosten bereichert hätten. Das reflektiert die Tatsache, dass Armenier im Ganzen modern, westlich, intellektuell, damit eher kosmopolitisch als „schollen-gebunden“ lebten/orientiert waren. Da klingelt es einem doch in den Ohren, genau das hat man ja wenig später „den“ Juden zum Vorwurf gemacht: Die Nazis nannten sie „Luftmenschen“, unter Stalin wurden sie als „Kosmopoliten“ angeklagt…

Und, nur am Rande: Es ist wohl derselbe Henry Morgenthau, der angesichts dessen, was die in die KZs einrückenden alliierten Soldaten als „Arbeitsnachweis“ Nazi-Deutschlands haben vorfinden dürfen, seinen Masterplan für die Zukunft des besiegten Deutschlands vorschlug: dessen konsequente De-Industrialisierung und Entvölkerung. Vielleicht kommt man auf solche Entwürfe wirklich erst dann, wenn man direkter Zeuge zweier Völkermorde geworden ist…

Das Gespräch mit einem armenischen Gegenüber war sehr aufschlussreich: Auf meine Frage, wie er denn nun das „Danach“, also das „Weiter“ für Armenier nach dem „magischen“ Datum einschätze, wie denn seine Community damit umgehen werde, sagte er überraschenderweise, dass es hier auf lokaler Ebene eine solche in organisierter Form bislang gar nicht gäbe. Die allermeisten Armenier hätten sich anlässlich eben dieses Abends zum ersten Mal richtig gesehen. Jetzt werde man sehen, was (vielleicht) komme. Wenn also aus dem Abend sich was ergeben könnte, die (armenische) Geschichte weitergeht, dann doch umso besser…[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]