Das Glück dieser Erde …
Die Radwegweisung in Konstanz ist über die Jahre lückenhaft geworden, teils auch veraltet oder unsinnig und entspricht längst nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik. Deshalb wird sie jetzt aufwändig erneuert, teils vom Land, teils von der Stadt. Außerdem schreiten die Bauarbeiten am neuen Radweg durchs Tägermoos erfreulicherweise und für alle sichtbar voran. Auch die Wissenschaft bleibt im Frühling nicht untätig, sondern beweist: Das Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Drahtpferde.
Im Frühjahr schießen nicht nur die Blumen, sondern auch die Baustellen allüberall aus der Erde, und manche davon haben viele von uns schon seit langem sehnlich erwartet. Die Rede ist natürlich nicht vom Vincentius- oder Siemens-Gelände, sondern vom Radweg nach Tägerwilen.
Im Tägermoos geht es voran
Im Tägermoos wird noch bis in den Herbst 2019 hinein am neuen Rad- und Fußweg und dessen Anschlüssen auf der Konstanzer und der Tägerwiler Seite gebaut. Dabei soll auf Konstanzer Seite dort, wo der Radweg von der Brücke herunterkommt, auch eine Mittelinsel entstehen, um das Überqueren der Straße zu erleichtern (weitere Details finden Sie hier). Während der Bauarbeiten kommt es zu erheblichen Einschränkungen für Fußgänger und Radfahrer entlang der Konstanzerstrasse, auf deren Autospur RadlerInnen schon jetzt begeistert das Fahrgefühl auf frischem Asphalt ausprobieren.
Der Bau sieht derzeit schon imposant aus (siehe Foto oben) und vermittelt einen ersten Eindruck davon, wie breit der Weg, für den ja einige lästige Bäume fallen mussten, künftig ausfallen wird. Der derzeit teils unbefestigte und nur knapp einen Meter breite Rad- und Fußweg soll im Rahmen der Baumaßnahme auf seiner gesamten Länge von 1.310 Metern durchgehend auf eine Breite von 3,50 Metern (so die aktuelle Vorhabenliste, der Gemeinderatsbeschluss von 2016 sah noch 3,00 Meter vor) ausgebaut werden. Am Gottlieber Zoll gibt es ja bereits seit einigen Monaten einen verbesserten Anschluss aus der Schweiz. Gespannt darf man sein, ob es trotz des zu erwartenden hohen Verkehrsaufkommens zu einem friedlichen Miteinander von FußgängerInnen und RadfahrerInnen kommt und ob im Bereich der Grenze der Übergang auf die andere Straßenseite tatsächlich problem- und gefahrlos zu bewerkstelligen sein wird. Abzuwarten bleibt natürlich auch noch, ob die verbesserte Fahrbahn nicht so viel mehr Rad- und Fußverkehr anlockt, dass sie bald schon wieder aus allen Nähten platzt.
Der grüne Verführer
Zeit für eine verbesserte Wegweisung für Radfahrer ist es allemal, auch wenn viele einheimische Radler im Stadtgebiet ihren Weg natürlich auch im Schlaf finden. Also werden vor allem Touristen und alle, die es auf dem Rad in die Region hinauszieht, von der anstehenden Neuausschilderung profitieren, die dem aktuellen deutschlandweiten Standard entspricht. Künftig stehen Zielwegweiser an Kreuzungspunkten und Verzweigungen und geben die Ziele mit Kilometerangaben an. Besondere Routen wie z.B. der Bodenseeradweg oder die europäische Eurovelo 15 (Rheinradweg) werden durch Einhängen von sogenannten „Routenplaketten“ am unteren Schilderrand gekennzeichnet.
Zwischen den großen Kreuzungspunkten des Radnetzes werden kleinere Zwischenwegweiser verwendet, die nur die Fahrtrichtung angeben. Wir sich schon mal ein Bild machen will: Entlang des Bodenseeradweges hängen bereits Schilder nach diesem Standard.
Für Konstanz ist die neue Radwegweisung eine komplette Neuplanung. Das Stadt- und Verkehrsplanungsbüro Kaulen aus Aachen, das bereits das Handlungsprogramm Radverkehr und den Fahrradstadtplan für Konstanz erarbeitet hat, erhielt auch den Auftrag zur Entwicklung des neuen Wegweisungskatasters (das ist eine Art Landkarte, in die alle Verkehrszeichen eingetragen werden). Der Verkehr wird im Wesentlichen auf die Hauptrouten des Radverkehrsnetzes aus dem Handlungsprogramm Radverkehr geführt, die alle Stadt- und Ortsteile miteinander verbinden. Damit die Angaben auf den Schildern möglichst eindeutig sind, werden keine Parallelrouten ausgewiesen, auch wo diese existieren und von Ortskundigen rege genutzt werden.
In Konstanz stellt übrigens nicht nur die Stadt, sondern an bestimmten Routen auch das Land solche Schilder auf. Dabei müssen 223 Standorte – 66 durch das Land und 157 durch die Stadt – mit insgesamt rund 750 Schildern versehen werden. Das Aufstellen der Schilder im städtischen Netz soll nach der Beantragung und Gewährung von Fördermitteln möglichst im Herbst 2019 beginnen und wird mehrere Monate dauern. Aufgrund der großen Anzahl an Schildern wird die Montage dann Stadtteil für Stadtteil erfolgen und soll bis 2020 abgeschlossen werden. Allein die städtischen Schilder kosten etwa 94.000 Euro, von denen die Stadt rund 60.000 Euro selbst bezahlen muss.
Weniger Stress
Wer das Fahrrad zur Arbeit nimmt, ist oft entspannter als die autofahrenden Kollegen und arbeitet konzentrierter, teilt die Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e.V. (AGFK) mit und verweist auf einige aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen, die nahelegen, dass Fahrradpendler glücklicher als Autopendler sind.
Adam Martin von der University of East Anglia in Norwich wertete in einer Langzeitstudie die Daten von 18.000 Personen aus und fand heraus: Während die generelle Zufriedenheit von Autofahrern mit steigender Dauer des Arbeitswegs abnimmt, ist es bei Fahrradpendlern genau umgekehrt – je weiter der Weg, desto größer das Wohlbefinden. Außerdem gaben Autopendler um 13 Prozent häufiger als Radfahrer an, ständig unter Stress zu leiden und sich auf der Arbeit schlecht konzentrieren zu können.
Auch Wissenschaftler der Uniklinik Tübingen konnten die positive Wirkung des Fahrradfahrens auf die menschliche Psyche medizinisch belegen. Sie untersuchten das Blut gesunder und depressiver Personen vor und nach einer 30-minütigen Radel-Einheit. Waren die relevanten Blutwerte der depressiven Personen zuvor noch deutlich schlechter als die der gesunden Vergleichsgruppe, hatten sich die Werte nach dem Fahrradfahren normalisiert. Der Grund: Der Körper schüttet beim Radfahren verstärkt Glückshormone aus.
Besonders viele Glückshormone fluten den menschlichen Körper übrigens – aber das ist wissenschaftlich nicht bewiesen, sondern entspringt der allgemeinen Lebenserfahrung – in dem Moment, in dem man als Radler wieder einmal nur ganz knapp den Autoreifen und der Stoßstange eines achtlosen Rechtsabbiegers entkommen ist und dem rücksichtslosen Gewalttäter, der einem freudig erregt den Stinkefinger zeigt, alle Lieblingsflüche hinterherschreit, obwohl die ja eigentlich den HundebesitzerInnen vorbehalten bleiben sollten.
O. Pugliese/MM (Bilder: Stadt Konstanz, O. Pugliese)
Der Fahrradstadtplan für Konstanz kann hier heruntergeladen werden. Er ist auch gegen eine Schutzgebühr von 3,00 Euro in gedruckter Form im Baupunkt (Obere Laube 24, 3. Etage) erhältlich. NeubürgerInnen erhalten ihn zudem kostenlos.
Weitere Informationen unter www.agfk-bw.de
Der neue Fuß- und Radweg durchs Tägermoos nimmt weiterhin Gestalt an und wird im Mittelteil schon rege genutzt. So sieht er derzeit aus:
Bild 1
Bild 2
Hier ein informativer Artikel über das simple Vermeiden von Dooring-Unfällen und weitere Erfahrungen mit der (Rad-)Verkehrskultur in den Niederlanden.
Artikel in „Die Zeit“ zur Radverkehrssicherheit
Ein aktueller Nachtrag zum Thema Fahrrad … Gewisse Betonköpfe kritisieren Maßnahmen zur Unfallverhütung wie bessere Sicherheitsabstände und ein langsameres Rechtsabbiegen von LKWs, damit die weniger FußgängerInnen und RadlerInnen plattmachen, als „ungerechtfertigte Privilegierung“ (der potenziellen Todesopfer).
Artikel zur Radverkehrssicherheit in „Der Spiegel“