Das hochnotpeinliche Schmierentheater zu Singen

Der Druck war zu groß: Das Singener Wochenblatt rudert zurück und feiert seinen Politischen Aschermittwoch nur noch mit den Kandidaten der Landtagsparteien. Damit findet ein zweiwöchiges Schmierentheater ein immerhin befriedigendes Ende: Den Neonazis aus NPD und Rep wird auf der Bühne der Scheffelhalle in Singen kein öffentliches Podium geboten. Doch das Rumgeeiere war für – fast – alle Beteiligten hochnotpeinlich.

Nachdem seemoz am 19. Februar exklusiv und erstmals von der Einladung der rechten Kandidaten Benjamin Hennes (NPD) und Simone Bek (Rep) zum Politischen Aschermittwoch in der Scheffelhalle berichtet hatte, liefen die Drähte beim Veranstalter, dem Singener Wochenblatt, bei der Polizei, bei den eingeladenen Landtags-Kandidaten und der Stadt Singen heiß. Es hagelte Proteste von Gewerkschaften und Parteien, von Jugendverbänden und von der VVN/BdA. Wurde zunächst öffentlich noch abgewiegelt (Moderator Lichtwald: „Zu einer Nazi-Veranstaltung wird der 9. März in Singen nicht“; Polizeisprecher Aschenbrenner: „Der Polizei liegen keine Hinweise vor, dass es … zu Straftaten oder Ordnungsstörungen kommen könnte.“), wurde hinter den Kulissen bereits an Gegenstrategien gebastelt.

Polizei aktiv

So glich die Polizei die Namen der Eintrittskarten-Besitzer mit ihren Dateien ab – wohl um einem Ansturm von NPD-Parteigängern vorzubeugen. So verlangte das Wochenblatt von den Geladenen plötzlich eine schriftliche Erklärung, dass sie „sich im Rahmen der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland“ auch auf der Podiumsdiskussion bewegen würden – ein untauglicher Versuch, der Veranstaltung ein demokratisches Mäntelchen zu schneidern. Schließlich kam den veranstaltenden Steigbügelhaltern die bescheuerte Idee, zwei Diskussionsrunden zu veranstalten – eine für die „Großen“ CDU, SPD, FDP und Grüne; eine zweite danach für die Kleinen von Die Linke, ÖDP, Piraten, NPD und Rep.

Das endlich wurde dann einigen der Eingeladenen doch zu dumm: Als erster sagte Michael Krause von der Partei Die Linke seine Teilnahme ab, später folgten der grüne Udo Engelhardt und der ÖDP-Vertreter. Die übrigen Diskussionsteilnehmer trafen sich hinter verschlossenen Türen mit den Wochenblatt-Verantwortlichen und baldowerten eine Notanker-Lösung aus: Am Montag, 7.3., wurde verschämt verkündet, jetzt diskutierten nur noch CDU, SPD, FDP und Grüne am Aschermittwoch auf der Bühne der Scheffelhalle.

Was bleibt? Am 9. März findet eine politische Podiumsdiskussion statt, wie es derzeit im Wahlkampf schon Dutzende gibt – die Öffnung solcher Veranstaltungen für rechte Parolen findet hingegen nicht statt. Ansonsten nur Blamagen zuhauf: Das Wochenblatt scheitert kläglich mit dem Versuch, rechte Wähler- und Leserkreise zu ködern. Die Stadt Singen, die noch zwei Tage vor der Veranstaltung auf ihrer homepage gänzlich unkritisch mit einem Text des Moderators für eben diese wirbt, stiehlt sich aus ihrer Verantwortung.

Kandidaten inaktiv

Vor allem aber die Landtagskandidaten mit ihrer kläglichen Vorstellung: Mit Ausnahme von Michael Krause (Die Linke) begründet kein Möchtegern-Abgeordneter seine Absage politisch (Krause: „Es kann nicht sein, dass wir Parteien eine öffentliche Bühne geben, die unseren Rechtsstaat mit Füßen treten.“). Die Kandidaten von CDU und FDP hatten offensichtlich nichts gegen die Teilnahme von Rechten an ihrer Gesprächsrunde, SPD-Mann Storz hatte immerhin angekündigt, während der Diskussion eine Protestnote verlesen zu wollen. Unübertroffen in ihrer politischen Argumentation jedoch die Piratenpartei: Sie beklagt, an „den Katzentisch“ zu den „Kleinen“ verbannt worden zu sein (mit Verlaub: Da gehört sie hin) – gegen einen Talk mit NPD und Rep. hatte sie keine Einwände.

Letztlich: Weder Moderator Lichtwald noch Verantwortliche des Wochenblattes oder der Singener Stadtverwaltung waren aktuell für Stellungnahmen zu erreichen. Aber das will selbst der kritische Schreiber am Rosenmontag nicht kritisieren.

Autor: Hans-Peter Koch

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