Das liebe Geld

Die Budgets mancher Hollywood-Filme reichen aus, äquatornahe Kleinstaaten samt ihrer notorisch kleptokratischen Diktatoren­familien zu sanieren, und die luxuriöse Lebensweise vieler Filmmogule ist legendär. Daher sprechen wir im letzten Teil unserer Interviewreihe mit dem Filmemacher Douglas Wolfsperger über seine Finanzen. Wie und wo verbrät er die Millionen für seinen neuen Film? In welchem seiner 23 güldenen Schlafzimmer hat er heute sein Verdauungs­schläfchen gehalten – und mit wem?

seemoz: Die Filmindustrie ist ein Mega-Business, nicht ganz so mega vielleicht wie die Rüstungsindustrie, aber dafür wesentlich beliebter, auch wenn die anderen die bessere Pyrotechnik haben. Schaut man sich Angelina Jolie, Harvey Weinstein und Robert De Niro an, habt Ihr Filmmenschen auch noch neben all dem Zaster ein wesentlich abenteuerlicheres Leben als normale Rüstungsmanager.

Douglas Wolfsperger: Ich tret‘ Dich gleich!

Die Produktion von „Scala Adieu! – Von Windeln verweht“ hätte unter den üblichen Produktionsbedingungen mit vernünftigen Autoren-, Produzenten- und Mitarbeiterhonoraren insgesamt etwa 350.000 Euro gekostet. Die hatte ich aber nicht und habe sie auch heute noch nicht. Dafür hätte ich im Vorfeld zwei Jahre lang von Pontius zu Pilatus laufen müssen, um das Geld aufzutreiben. In diesem Fall war aber daran wegen des Zeitdrucks gar nicht zu denken. Meine Entscheidung, diesen Film zu machen, fiel im Dezember 2015, als der Bürgerprotest gegen die für Ende 2016 drohende Scala-Schließung Fahrt aufnahm. Ich hatte absolut keine Zeit, mich um eine Kalkulation und jahrelange Finanzierungsdebatten zu kümmern.

Um mein Filmprojekt zu starten, musste ich sofort loslegen, koste es, was und wen es wolle. Ich bin damit volles Risiko gegangen, und das heißt natürlich auch: Volles finanzielles Risiko, das ging alles auf meine Kappe. Ich startete eine Crowdfunding-Kampagne und eine Spendenaktion, um mein Filmteam zumindest für die ersten Aufnahmen bezahlen zu können. Ich wollte diesen Film einfach machen. Plötzlich kamen dann Gelder aus der Schweiz, vom Thurgauer Lotteriefonds, während die Konstanzer sich noch wanden. Die Schweizer sind da wesentlich besser und fackeln nicht lange, wenn es um Qualität geht.

seemoz: Wie macht man einen Film, ohne Geld dafür zu haben?

Douglas Wolfsperger: Mir blieb nichts anders übrig, als etappenweise Geld aufzutreiben. Am Ende wurden es zehn Dreh-Etappen, und wenn eine zu Ende war, wusste ich meist noch nicht, womit ich auch nur den Anfang der nächsten bezahlen sollte. Es gab insgesamt 30 Drehtage! Echtes Kopfzerbrechen hat mir dann die Postproduktion bereitet, also Schnitt und Bild- und Tonbearbeitung, die insgesamt 16 Wochen gedauert haben. Diesen Teil stellen sich Zuschauer immer viel zu einfach vor.

Am Ende habe ich für diesen Film etwa 165.000 Euro ausgeben können, auch weil viele MitarbeiterInnen sich darauf eingelassen haben, dass ich ihnen einen Teil des Honorars erst später zahle. Und ich habe bisher zwar einige Förderungszusagen, aber noch nicht mal dieses Geld komplett auf dem Konto, und ich habe mir selbst null Honorar ausgezahlt. Ich habe heute sogar noch Schulden von diesem Film. In diesen Jahren habe ich von Tantiemen für frühere Projekte wie „Brundibar“ gelebt.

seemoz: Du hast für diesen Film also erst einmal alle Leute angepumpt, die nicht bei drei auf den Bäumen waren?

Douglas Wolfsperger: Es war für mich sehr ermutigend, dass rund 30.000 Euro durch Spenden von ganz vielen Menschen zusammengekommen sind.

seemoz: Wie sieht es mit der Filmförderung aus?

Douglas Wolfsperger: Selbst beim Dokumentarfilm wollen die Fördergremien mittlerweile vorher genau wissen, wie der fertige Film am Ende aussehen wird. Aber dies ist ja ein Dokumentarfilm und kein Film mit einem festen Drehbuch, das alle möglichen Gremien begutachten können, um über Fördergelder zu entscheiden. Ungewissheit mögen diese Entscheider aber gar nicht, weshalb ich von vornherein schlechte Karten hatte.

Die Filmförderanstalt hat sofort gesagt, dass sie nicht mitmacht, wenn der Kinobetreiber nicht mit im Boot ist, und der hätte mich ja am liebsten bis zu den Knien in Beton eingegossen und in den See geschmissen. Bei der MFG [Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg mbH, Filmförderung des Landes] in Stuttgart sitzen seit gefühlt hundert Jahren dieselben Leute, die zum Teil fachlich wenig mit Dokumentarfilm zu tun haben, und die haben ganz bestimmte Vorstellungen, wie ein Film sein muss. Wenn das im Manuskript nicht genauso drinsteht, dann bist Du draußen, also hat ein Film wie meiner dort auch kaum eine Chance.

seemoz: Für Dich als Filmemacher wird es also immer schwieriger?

Douglas Wolfsperger: Ja, die Situation verschärft sich. Ich komme mit meinen Filmen nur über die Runden, weil ich sie auch selbst produziere. Daher habe ich die Rechte daran und kann sie mit etwas Glück ans Fernsehen verkaufen. So hat sich etwa „Wiedersehen mit Brundibar“ getragen, weil dieser Film in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Israel im Fernsehen lief.

seemoz: Ausgerechnet das Fernsehen rettet also am Ende einen Kinofilm über ein altes Lichtspieltheater?

Douglas Wolfsperger: Ganz so einfach ist es nicht. Für mich ist vor allem problematisch, dass das Fernsehen bei Filmen wie meinem oft erst einsteigt, wenn sie fertig sind, ich kann also nicht von Anfang an mit irgendwelchen Fernsehgeldern kalkulieren. Schau‘ Dir außerdem mal die dritten Programme an, die bringen spannende Dokumentarfilme erst irgendwann ab Mitternacht, das zeigt die geringe Wertschätzung, die Qualität dort genießt. Zur besten Sendezeit gibt es Schlager und Ratespielchen oder Kochshows und den ganzen Scheiß, das ist einfach schlimm. Wenn ich sehe, mit welch unvergleichlich viel höheren Minuten-Budgets abends irgendwelcher Müll gesendet wird, sind die Gelder, die ich für einen Qualitätsfilm bekomme, blamabel.

seemoz: Der SWR ist nun einmal der Heimatsender hier unten und hat einen ganz guten Ruf.

Douglas Wolfsperger: Der SWR hat in Bezug auf diese Region wenig zu bieten, was mehr als nur eine oberflächliche Betrachtung wäre, er spiegelt die Wirklichkeit nicht wider. Ich habe mittlerweile den Eindruck, der SWR benutzt das Land nur noch als Kulisse. Es wird alles in fünf Minuten verhackstückt, und das war’s dann. Ich habe wegen der Kino-Schließung mit einer Redakteurin gesprochen, die ich von einem früheren Film her kannte, aber das Thema hat sie einfach nicht interessiert. Menschen, ihre Lebensweise und ihr Denken in dieser Landschaft wirklich zu zeigen, das ist beim Fernsehen nicht mehr angesagt.

Hier vor Ort sieht es nicht besser aus: Der Kulturbürgermeister Dr. Osner hat ja vor einiger Zeit ein teures Gutachten in Auftrag gegeben, welchen finanziellen Schaden denn wohl die Tabori-Aufführung am Konstanzer Stadttheater angerichtet hat. Dabei sieht der Blinde mit dem Krückstock, welchen Schaden die Übertragung der Konstanzer Fasnacht im SWR für das Image der Stadt angerichtet hat, die Stadt Konstanz sollte den SWR verklagen! Das war allerunterste Schublade, sexistisch und primitiv! Damit wurde Konstanz wirklich Schaden zugefügt. Aber der OB und noch ein paar andere Honoratioren saßen in der ersten Reihe, machten einen auf Mäschgerle und kamen auf diese Weise weit über Baden-Württemberg hinaus in die Glotze. Vermutlich war das der ganze Sinn dieser Sendung: Die wollten einfach mal ins Fernsehen und Volksnähe demonstrieren.

seemoz: Was hat Dich bei der Arbeit an Deinem Film am meisten enttäuscht?

Douglas Wolfsperger: Die geringe Unterstützung durch die Stadt Konstanz. Ich wurde irgendwann zu einer Gemeinderatssitzung eingeladen, bei der erst mal diskutiert wurde, ob ich überhaupt etwas sagen darf. In der Sitzung wurden dann massenhaft Argumente gegen eine Förderung ins Feld geführt, und das von Leuten aus Verwaltung und Politik, die von Film augenscheinlich nicht die geringste Ahnung haben. Es war, wenn ich mich recht entsinne, ausgerechnet der für Kultur zuständige Bürgermeister, der dem Projekt jeglichen „kulturhistorischen“ Wert absprach, obwohl es noch keine einzige Minute fertigen Film gab und er nichts über meine Ideen wusste. Dann trugen ein paar Gemeinderäte die Befürchtung vor, ich könne die Stadt in ein schlechtes Licht rücken. Ein weiteres Argument war, das Kinosterben sei ein allgemeines Phänomen, gegen das man nichts machen könne, und das habe nichts mit Konstanz zu tun. Eine Gemeinderätin und äußerst engagierte Mutter schließlich ging aus feministischen Gründen gegen mich auf die Barrikaden, weil ich den Film „Der entsorgte Vater“ gedreht habe und seither ein rotes Tuch für sie und ihresgleichen bin. Außer der Väterfeindin klangen große Teile der Ratssitzung, als habe irgendein Immobilienhai das Drehbuch geschrieben und Regie geführt.

Ich war übrigens äußerst unangenehm überrascht: Die im Gemeinderat wussten schon 2016 alles, wirklich alles über meinen Film, viel mehr als ich selbst. Es war zu diesem Zeitpunkt noch nicht eine einzige Minute fertig, ich habe mit dem Schnitt und den Nachdrehs erst im Sommer 2017 begonnen, also eineinhalb Jahre später, es gab damals kaum mehr als die Idee, etwas zu diesem Thema zu machen. Von diesen Leuten hatte auch noch niemand mit mir geredet, was ich eigentlich vorhabe. Ich kam mir vor wie ein des Geldklauens verdächtiger Schüler vor der Lehrerkonferenz. Ich habe einen gewissen Background als Filmemacher und kann auf einige renommierte Auszeichnungen verweisen. Die meisten Gemeinderatsmitglieder haben mir aber nicht mal einen Hauch von Respekt entgegengebracht, sondern so getan, als sei ich irgendein Anfänger, der seinen ersten Schülerfilm machen will.

seemoz: Beruhig‘ Dich. Politik überlebst Du nervlich nur dann unbeschadet, wenn Du nichts persönlich nimmst. Du solltest bald mal Thomas Manns „Tod in Konstanz“ verfilmen. Da können sie sich den Roman vorher durchlesen und werden sagen, streich‘ die schwulen Anspielungen und film‘ die Seestraße nur bei herrlichstem Wetter. Dann kriegst Du von denselben Leuten 50.000 Euro nachgeschmissen.

Douglas Wolfsperger (lachend): Es war allerdings eine schöne Erfahrung, dass es Möglichkeiten jenseits der herkömmlichen Finanzierung gibt. Ich fand es toll, wie der schweizerische Kanton Thurgau, obwohl das Thema ja mit der Schweiz nur am Rande zu tun hat, sofort mit dabei war. Und ich möchte mich natürlich ganz herzlich bei allen Spenderinnen und Spendern bedanken, deren Unterstützung für mich weit über das Finanzielle hinaus extrem wichtig war und mich sehr berührt hat. Manchmal war ich angesichts all der Widerstände und Anfeindungen kurz vor dem Aufgeben, und da hat mir der Gedanke an diese Menschen die Kraft zum Weitermachen gegeben.

seemoz: Fast hätte ich’s vergessen – bestell‘ bitte dem Komponisten ein dickes Lob. Die Musik passt einfach und schafft Atmosphäre! Und damit habe endlich auch mal ich als der Interviewer das letzte Wort .

Das Gespräch führte Harald Borges.
Fotos © Douglas Wolfsperger Filmproduktion


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