„Das Recht auf Wohnen steht über dem Recht auf Privateigentum“
Vier Tage dauerte im Juli die Besetzung eines leerstehenden Hauses in der Markgrafenstraße. Dann beendete ein Großaufgebot der Polizei auf Geheiß des Besitzers den Versuch, das seit Jahren dem Verfall überlassene Gebäude wieder mit Leben zu füllen. Jetzt hat das juristische Nachspiel für die BesetzerInnen der „Grafi10“ begonnen. Dagegen protestierten am Dienstagabend in Konstanz linke AktivistInnen.
Ein erster Prozess gegen einen noch minderjährigen Beteiligten endete am 15. Dezember vor dem Freiburger Jugendgericht glimpflich mit einer Verwarnung. Weitere Verfahren gegen insgesamt 14 Beteiligte werden folgen. In Konstanz hatte der Grafi10-Unterstützerkreis am Abend desselben Tages zu einer Solidaritätskundgebung für die Betroffenen mobilisiert. Rund 30 Leute, darunter AnwohnerInnen, bekundeten nahe dem Ort des Geschehens ihre Solidarität mit den Angeklagten und forderten eine End der Profitmacherei mit Wohnraum.
Wir dokumentieren die Kundgebungsrede der Initiative „Solidarity City“:
Liebe Konstanzerinnen und Konstanzer, liebe Genossinnen und Genossen,
Konstanz zählt seit Jahren zu den Städten in Deutschland mit den teuersten Mieten. Für Studis sieht die Situation sogar noch übler aus – im Schnitt zahlt ein Studi in Konstanz 20 Euro Miete pro Quadratmeter – und damit am meisten in ganz Deutschland! Bei der WOBAK, der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, warten Interessent*innen oft Jahre, wenn nicht jahrzehntelang bis sie eine bezahlbare Wohnung bekommen.
Als Solidarity City Konstanz sagen wir: Das ist ein Skandal – Wohnen muss bezahlbar sein! Wohnen ist kein Privileg, Wohnen ist ein Menschenrecht liebe Konstanzerinnen und Konstanzer!
Doch was tut eigentlich die Stadt gegen das Problem? Anstatt sich des Problems anzunehmen und für mehr sozialen Wohnungsbau zu sorgen, wurden lieber über 20 Millionen in das Prestigeprojekt Bodenseeforum verschwendet. Einem Protzbau, der niemandem ein Dach über den Kopf beschert und der auch sonst keiner Konstanzerin und keinem Konstanzer zu irgendwas nützt.
Ein anderes Beispiel für das Versagen der städtischen Wohnungspolitik ist das Vincentius-Areal an der Laube. Dieses wurde vor einigen Jahren an die LBBW verkauft, dort entstehen gerade 108 neue Wohnungen. Doch nur 30 Prozent davon gehören zum geförderten oder preisgedämpften Wohnungsbau. Heißt auf gut deutsch: Der Großteil dieser Wohnungen wird für Normal- und Geringverdiener*innen nicht erschwinglich sein!
Vergangenen Sommer haben wir deshalb hier in Konstanz eine Demonstration organisiert, um gegen die städtische Wohnungsbaupolitik zu protestieren und für mehr bezahlbaren Wohnraum zu kämpfen!
Am selben Wochenende kam es in der Markgrafenstraße in Petershausen zu einer Hausbesetzung – Aktivist*innen besetzten ein seit Jahren leerstehendes Haus. Die Aktivist*innen taten damit das, wozu die Stadt Konstanz seit Jahren nicht fähig beziehungsweise nicht willig ist: Sie nahmen sich (bezahlbaren) Wohnraum selbst. Das Hausprojekt, das die Aktivist*innen Grafi10 nannten, wurde in der Nachbarschaft sehr positiv aufgenommen. Die Aktivist*innen erzählten uns, dass sich die Nachbar*innen freuten, dass endlich Leben in das leerstehende Haus einzog und waren dankbar dafür, dass die Aktivist*innen den Keller auspumpten, der voller Wasser stand, das auch die umstehenden Häuser beschädigte.
Grafi10 dauerte vier Tage, dann reagierte die Staatsmacht mit aller Härte: 200 Polizist*innen räumten das Haus mit seinen 14 Besetzer*innen und beendeten das Projekt Grafi10.
Wir als Solidarity City erklärten und erklären uns solidarisch mit Grafi10 und seinen Besetzer*innen. Grafi10 hat den Finger in die Wunde gelegt und einmal mehr das Versagen der städtischen Wohnungsbaupolitik offengelegt.
Wir als Solidarity Konstanz sagen: Es ist legitim, sich den Wohnraum selbst zu nehmen, wenn die Stadt nicht fähig ist, diesen bereitzustellen! Nicht legitim ist es hingegen, wenn ein Haus jahrelang leer steht in einer Stadt, in der sich viele Menschen keine Wohnung mehr leisten können! Das Recht auf Wohnen steht über dem Recht auf Privateigentum!
Und deshalb nochmal: Wohnen ist ein Menschenrecht liebe Konstanzerinnen und Konstanzer!
Heute beginnt nun der erste Prozess gegen einen der Besetzer*innen. Lasst uns nicht vergessen, dass es Grafi10 ohne die Besetzer*innen nicht gegeben hätte. Zeigen wir deshalb hier und heute unsere Solidarität mit den Besetzer*innen. Grafi10 ist und bleibt legitim!
Grafi kommt wieder, Grafi bleibt!
red (Quellen: facebook.com/SoliCityKN, grafi.noblogs.org, Radio Dreyeckland; Foto: privat)
Zu T. Sommer: und man denke an all die Einfamilien- und Reihenhäuschen, die er schon 2012 versprochen hat, auch in diese Richtung wird gezielt geplant. Ich kann mich noch an seine Worte vor Jahren bei einer SK-Diskussion zum Thema Wohnen erinnern: bei Euro 8.90 pro Quadratmeter sei für ihn Schluss. Lachkrampf, ich habe damals schon 10 Euro bezahlt. Auch sonst läuft das doch ganz gut, denn die willkommenen Investoren leisten ganze Arbeit, die Preise zukünftig noch weiter in die Höhe zu schrauben. In Konstanz fehlt es unter den Bürgern leider noch an Solidarität.
Ich höre immer „Versagen der Stadt“! Das stimmt doch garnicht! Ich dachte Ulis Ziel ist, eine wohlhabende Stadt mit wohlhabenden Bürgerinnen und Bürgern. Das klappt doch ganz gut! Die Stadt arbeitet doch hart daran, sie frei zu halten von der ganzen Armut. Sieht doch auch blöd aus in der Innenstadt, was sollen denn die Touristen denken. Am Ende auch noch Studenten! Gruselig. Wer will denn da noch einkaufen?
Abgesehen davon hat die Stadt grundsätzlich nichts gegen Hausbesetzungen: Wie viele Bürgerinnen und Bürger haben zusätzlich zu ihrem Verdienst auch noch ein, zwei Wohnungen besetzt, um sie als Ferienwohnungen zu vermieten.