Das sagen die OB-KandidatInnen. Oder auch nicht

Die Linke Liste Konstanz (LLK) hat politische Eckpunkte für die Oberbürgermeister-Wahlen am 1. Juli erarbeitet und sie den Kandidatinnen und Kandidaten vorgelegt mit der Bitte, dazu Stellung zu nehmen. Ein wichtiger Schritt zur Versachlichung des Wahlkampfs. Das ist verdammt viel Lesestoff, doch wir finden: Für eine vernünftige Wahlentscheidung am kommenden Sonntag können diese Antworten – oder Nicht-Antworten – eine Hilfe sein.

Reaktionen gab es von acht KandidatInnen: Klaus Springer kündigte an, er werde alsbald Antworten liefern, die aber bis heute auf sich warten lassen; die Antworten von Sabine Reiser kamen für eine Veröffentlichung zu spät; die Ehefrau von Henning Tartsch verwies auf das Wahlprogramm auf dessen Homepage. Ausführliche Stellungnahmen kamen hingegen von den Kandidatinnen Sabine Seeliger und Sylvia Grossmann sowie von Sven Zylla, Mykola Neumann und Martin Luithle, der jedoch nur einen Teil beantwortet hat. Wir dokumentieren die LLK-Prüfsteine (kursiv) sowie die Ausführungen der KandidatInnen.

Die LLK fordert eine deutlich andere Akzentuierung der städtischen Sozialpolitik. Zwar hat der scheidende OB, auf Druck nicht zuletzt der LLK, einige zögerliche Anläufe unternom­men, das ist für uns aber angesichts der wachsenden Probleme von Menschen mit wenig Geld bei weitem nicht ausreichend. Deshalb messen wir alle Kandidatinnen und Kandidaten daran, ob sie überzeugende Konzepte für eine soziale und solidarische Stadt haben.

Sozialpass verbessern: Wir wollen weitere Verbesserungen beim Sozialpass, z.B. für die Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs, bei dem es bislang nur Ermäßigungen für Ein­zelfahrscheine gibt. Außerdem ist nicht einzusehen, dass die Teilübernahme von Vereins­beiträgen nur für Minderjährige gilt. Wir lehnen auch die Einschränkung der Gültigkeit des Passes auf sechs Monate ab, das betrachten wir als Schikane, die bei den Betroffenen ein Gefühl der Demütigung hervorrufen muss. Angemessen wären mindestens ein, besser zwei Jahre.

Martin Luithle: Ich stimme überein, dass dieser sich zumindest an der offiziellen Armutsgrenze orientieren sollte. Soweit diese sich bei jedem einzelnen Bürger ohne grossen Verwaltungsaufwand anhand konkreter schriftlicher Nachweise feststellen lassen, können die Voraussetzungen für einen Sozialpass entsprechen ausgeweitet werden. Aber nur dann, denn wir sind als Kommune und Sozialhilfeträger auf Einnahmequellen unserer öffentlichen Einrichtungen angewiesen.

Wegen dem hohen Prozentsatz alleinerziehender Mütter (bzw. Väter), welcher fast dreissig Prozent beträgt, halte ich hingegen folgendes für angezeigt: Diese haben es oft schwer das Geld für die Existenz von sich und ihrer Kinder zu verdienen. Die Kinder sind tagsüber und auch oft abends auf Betreuung angewiesen, aber auch oft allein. Wir sollten minderjährigen Kinder bis zu einer Altersgrenze von 12 Jahren das freie Busfahren gewähren, damit sie zumindest sicher nach Hause kommen.

Des weiteren habe ich gegenüber der „Tatenbörse“ die verbindliche Zusage gemacht, dass ich dem Gemeinderat für den Fall meiner Wahl eine Beschlussvorlage zur Einrichtung einer Stabsstelle zur Koordination der ehrenamtlichen bürgerlichen Engagements vorlegen werde, weil ich davon überzeugt bin, dass dieses angesichts der knappen Kassen immer wichtiger werden wird und ausserdem den Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft fördert, was auch für eine lebendige Demokratie lebenswichtig ist. Ausserdem würde sich eine solche Stelle innerhalb kürzester Zeit amortisieren, da die Menschen angespornt werden sich in Notlagen selbst zu helfen und somit auch langfristig nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen sind.

Sabine Seeliger: Bezüglich der Überprüfung und Verbesserung der mit dem Sozialpass verbundenen Leistungen, insbesondere der Ermäßigung von Monatsfahrkarten und Vereinsmitgliedschaften, stimme ich zu, eine Verlängerung der Gültigkeit auf ein Jahr ebenso. Ich rege darüber hinaus an, den Sozialpass zur Vermeidung von Stigmatisierung zukünftig im Format einer Chipkarte zu gestalten.

Sylvia Grossmann: Der Nahverkehr muss billiger werden, denn das ist nicht nur bürgerfreundlicher, sondern hilft auch bei der Lösung unseres Verkehrsproblems. Die Stadtwerke erwirtschaften sehr viel Geld mit dem Fährbetrieb. Man sollte den Transport von Autos auf der Fähre verteuern und dafür Fußgänger kostenlos befördern. Das würde ebenfalls zur Lösung des Verkehrsproblems beitragen.

Sven Zylla: Eine Verlängerung der Gültigkeit des Passes auf ein Jahr kann ich mir gut vorstellen. Auch eine Ausweitung der Ermäßigungen im ÖPNV halte ich für sinnvoll.

Unsere Hauptkritik gilt aber den Kriterien für die Anspruchsberechtigung. Bisher sind nur BezieherInnen von ALG II, von Sozialhilfe und Grundsicherung im Alter, von Wohngeld, von Kinderzuschlag und von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz antragsbe­rechtigt. Diese Einschränkung wird in keiner Weise den sozialen Realitäten gerecht. Auch in Konstanz wächst der Niedriglohnsektor rasant, auch in unserer Stadt sind immer mehr Menschen arm, obwohl sie einem oder mehreren Billiglohnjobs nachgehen müssen. Die LLK fordert, dass sich die Anspruchsberechtigung an den sozialen Realitäten, mindestens aber an der offiziellen Armutsgrenze orientiert und nicht an bürokratischen Zuweisungen, die Elendsverhältnisse zementieren.

Mykola Neumann: Der Sozialpass gilt gerade für Bedürftige. Die Frage wann jemand bedürftig ist, muss geregelt sein, damit es hier keine Willkür gibt. Wo die Einkommensgrenze für den Sozialpass gesetzt wird, orientiert sich an der geltenden Gesetzeslage sowie den wirtschaftlichen Möglichkeiten. Es sollten aber die ALG II Sätze öfter überprüft werden, gerade, weil z.B. die Energiepreise explodieren.

Sabine Seeliger: Ich bin sehr daran interessiert, ein leicht nachweisbares Kriterium zu finden, das zusätzlich zu den Bewilligungsbescheiden zum Sozialpass berechtigt. Der Sozialpass könnte dann über die Gruppe der „working poor“ hinaus auch für bedürftige Studierende geöffnet werden. Noch wichtiger erscheint mir, dass alle Anspruchsberechtigten für den Sozialpass hierüber auch informiert werden, dass sie bei Aushändigung eines der Bewilligungsbescheide auch auf den Sozialpass hingewiesen werden. Ebenso sollten insbesondere Migranten umfassende Hilfe bei der Vielzahl der notwendigen Anträge erhalten.

Sylvia Grossmann: Dem stimme ich zu.

Sven Zylla: Ich halte die bestehende Anspruchsregelung für vertretbar.

Gettobildung entgegenwirken: Die LLK setzt sich dafür ein, Gettobildung entgegenzu­wirken. Das Beispiel „Soziale Stadt“ im Berchengebiet hat gezeigt, dass dies möglich ist. Das mit Bundes- und Landesmitteln geförderte Projekt läuft jetzt aus, die Aufgabe bleibt. Für uns ist es ein Kernpunkt kommunaler Daseinsvorsorge, soziale Brennpunkte zu befrie­den. Wir erwarten, dass der neue OB dafür sorgt, dass die Stadt Geld in die Hand nimmt, um hier weitere Fortschritte zu ermöglichen. Wir fordern, dass Konzepte dafür erarbeitet und die Mittel deutlich aufgestockt werden.

Martin Luithle: Die „Soziale Stadt“ im Berchengebiet ist ein tolles Beispiel dafür wie man Gettobildung begegnet. Soweit dies notwendig wird sollte dies von der Stadt zukünftig falls notwendig finanziell gefördert werden, falls tatsächlich weder Bundes- noch Landesmittel zu Verfügung stehen.

Mykola Neumann: Die Stadt Konstanz ist sehr bemüht, gerade keine Gettobildung zuzulassen. Wenn man noch mehr dort investieren will, muss man auch sagen, wie das finanziert, d.h. wo gekürzt werden soll, wenn die Stadt rückläufige Einnahmen hat.

Sabine Seeliger: Ich sehe die Entwicklung des Berchen-/Öhmdwiesen-Quartiers im Rahmen des Projekts Soziale Stadt ebenfalls als vorbildlich. Damit der neue gegründete Verein „Miteinander in Konstanz e.V.“ die Aufgaben übernehmen kann, wäre die Unterstützung durch eine städtische Koordinierungsstelle für Bürgerschaftliches Engagement sinnvoll. Für eine solche Stelle setze ich mich ein. Auch zur Sicherung des Wissens und der Erfahrung und damit zur Übertragung auf andere Quartiere wäre diese Stelle sinnvoll.

Ebenso wie die sozialpolitischen Aspekte muss die Stadt auch die stadtplanerischen Erkenntnisse in anderen Quartieren umsetzen. Maßnahmen gegen Verwahrlosung des öffentlichen Raums, Konflikten aufgrund beengten Wohnraums, schleichende Ghettoisierung.

Sylvia Grossmann: Mit einem Projekt ist man nie am Ende, es muss ständig den sich verändernden Bedingungen angepasst werden. Somit muss nicht nur Geld in die Hand genommen werden, um weitere Fortschritte zu ermöglichen, sondern auch, um den (guten) Status quo zu erhalten. Ich würde mich als OB dafür einsetzen.

Sven Zylla: In Konstanz gibt es Gott sei Dank keine Ghettos, aber in einzelnen Gebieten gibt es soziale Probleme. Die „Soziale Stadt“ ist ein Erfolgsprojekt und ein gutes Beispiel für den Umgang mit sozialen Problemen. Ich denke dabei vor allem an das Quartierszentrum Berchen-Öhmdwiesen und die starke Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in den Umgestaltungsprozess des Quartiers sowie an die Arbeit der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter.

Sozialen Wohnungsbau fördern: In der Wohnungsbaupolitik verlangt die LLK, dass nach Jahren der Förderung von Wohnraum für Gutbetuchte jetzt auch Konzepte für die Wie­derbelebung des Sozialen Wohnungsbaus in öffentlicher Hand erarbeitet werden. Dazu muss die Wobak finanziell deutlich besser ausgestattet werden. Wir schlagen z.B. vor, dass auf dem Döbele-Areal statt dem x-ten Parkhaus (auch verkehrspolitisch ja hochgradiger Un­sinn) Sozialwohnungen gebaut werden. Auch können wir uns gut vorstellen, dass im Bereich des Büdingen-Parks Wohnungen für Menschen mit wenig Geld entstehen.

Martin Luithle: Es ist völlig richtig dass in der jüngsten Vergangenheit tatsächlich vorwiegend eine Förderung von Wohnraum für Gutbetuchte stattgefunden hat. Hierbei ist auch das Wirken der WOBAK als städtischer Wohnungsbaugesesellschaft zu überprüfen. Ich befürworte aber keinerlei feste Bebauung auf dem Döbele, sondern lediglich falls unbedingt notwendig ein rückbaubares Parkhaus. Auch ist es wegen dem hohen Grundstückspreis und der Seenähe völlig unrealistisch im Areal Büdingen Sozialwohnungen zu bauen.

Mykola Neumann: Der Büdingen Park ist in privater Hand und – Wohnraum wird dort nie billig sein können, weil das Gelände teuerst zurückgekauft werden müsste. Ein Parkhaus am Döbele oder eine Tiefgarage mit darüber befindlicher Wohnbebauung, gerne auch mit Wohnungen aus dem sozialen Wohnungsbau halte ich für sinnvolll.

Sabine Seeliger: Ich stimme grundsätzlich zu, dass günstiger Wohnraum nur innerstädtisch entstehen kann, wo Infrastruktur und Erschließung bereits vorhanden sind, nicht „auf der grünen Wiese“. Ich setze Hoffnung in die grün-rote Landesregierung, dass Mittel für sozialgebundenen Wohnraum wieder bereit gestellt werden. Wenn nicht, muss es tatsächlich die Stadt tun. Döbele als Ort hierfür ist vorstellbar, Büdingen nicht, da allein der Grunstückserwerb zu teuer würde.<br>

Ein weiteres Instrument für sozialen Wohnungsbau sehe ich im Erbbaurecht. Ich werde mich gegen die Veräußerung von Erbbau-Grundstücken aussprechen, da das Erbbaurecht es ermöglicht, auch die Nutzung der Grundstücke zu beeinflussen. In jedem Fall kann die Stadt über ihr Vorkaufsrecht verhindern, dass Erbbaugrundstücke auf dem freien Markt zu Höchstpreisen verkauft werden.

Sylvia Grossmann: Auf dem Döbele (da zentrumsnah!) würde ich mir Wohnungen wünschen -von der Wobak gebaut – die für SeniorInnen ausgestattet und für alternative Wohnformen geeignet sind. Mit alternativen Wohnformen meine ich Senioren-WGs oder auch das Zusammenleben von jung und alt. Ich bin gegen den Neubau von Parkhäusern für den Fremdenverkehr.

Für den Büdingen-Park würde ich mir eine Allzweckhalle für Konzerte und Kongresse wünschen und/oder ein Hotel. Wir müssen die letzten Sahnestückchen-Areale, die uns die missratene Baupolitik der vergangenen Jahr(zehnt)e gelassen hat, so einsetzen, dass sie für die Allgemeinheit zugänglich sind. Ein Haus, das Platz für Veranstaltungen vieler Art (nicht nur Philharmonie-Konzerte) bietet, kann in der Nebensaison die Attraktivität unserer Stadt erhöhen und Menschen herbringen. Dies brauchen wir, damit wir die finanziellen Grundlagen haben, um den sozialen Wohnungsbau voranzutreiben.

Sven Zylla: Die WOBAK wird ein sozial orientiertes Wohnungsbauunternehmen bleiben. Priorität hat für mich beispielsweise Wohnraum für junge Familien, die nach ihrem Studium gerne in Konstanz bleiben möchten. Für das Döbele-Areal sehe ich eine Kombination aus bezahlbaren Wohnungen und Parkraum als sinnvollste Lösung an.

Bezahlbarer Wohnraum: In Konstanz gibt es momentan einen gravierenden Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Darunter leiden Menschen mit niedrigen Einkommen ebenso wie Studierende. Eines der ersten Probleme, mit dem sich die/der neue/r OberbürgermeisterIn beschäftigen muss, wird der enorme Anstieg der Studierendenzahlen in Konstanz sein: Auf­grund der doppelten Abiturjahrgänge und der Abschaffung von Wehr- und Zivildienst wird davon ausgegangen, dass sich bis Herbst die Zahl von jetzt 14000 auf ungefähr 17000 Stu­dierende steigern wird. Hier bedarf es konkreter Maßnahmen, um die Wohnungsnot vor Ort zu verringern und (nicht nur) den StudentInnen bezahlbaren Wohnraum zu bieten.

Martin Luithle: Der richtige Ansatz hier sind keine Versprechungen, die nicht eingehalten werden können. Die Infrastruktur (d.h. Busverbindungen vertaktet mit dem Seehas) zu den vorhandenen billigeren Zimmern und Wohnungen auf dem Bodanrück, in Litzelstetten, Dettingen, Reichenau (Waldsiedlung) bis nach Singen muss verbessert werden, d.h. Schaffung von Busverbindungen tagsüber und bis zum Ende der Sperrzeit. Konstanz allein ist zu klein um diese Probleme zu bewältigen.

Mykola Neumann: Kurzfristig Umwidmung Gewerberaum zu Studiwohnungen. Aktivierung von Ferienwohnunginhabern, Langfristig Bau von neuen Studiwohnungen.

Sabine Seeliger: Als Akut-Maßnahme für das Wintersemester 2012/13 schlage ich vor, die noch verfügbaren Geschosse im Telekomhochhaus anmieten und zu Unterkünften für Studierende umzurüsten. Auch städtische Liegenschaften, wie beispielsweise die nicht vermietete erste Etage der Villa Prym, sollen auf Eignung dafür geprüft werden. Zudem unterstütze ich die Ausweitung des Studientickets, um das Wohnen im Umland attraktiver zu machen Wichtig vor allem der Wiederaufbau des Wohnheims in der Jacob-Burckhardt-Straße West durch Seezeit.<br>

Für manche Studierende käme vermutlich auch das Modell „Wohnen mit Hilfe“ in Frage, das in anderen Städten bereits sehr gut funktioniert. Studierende „zahlen“ ihren Wohnraum bei Senioren, eventuell auch bei Familien, auch mit Hilfe im Alltag. Ich werde mich dafür einsetzen, ein solches Modell auf den Weg zu bringen.

Sylvia Grossmann: Schon als ich 1981 zum Studium an die Uni kam, gab es zu wenig Studentenzimmer. Ich zog damals aus diesem Grund nach Kreuzlingen. Dass TROTZ steigender Studierendenzahlen -die aus den verschiedenen Gründen gestiegen sind, wie etwa sozialer Wandel, geburtenstarke Jahrgänge, Elite-Uni, mehr Studienangebote etc.- es IMMER NOCH zu wenig Wohnraum für Studierende gibt, ist mehr als traurig, denn man konnte die Entwicklungen eigentlich rechtzeitig erkennen. Als Sofortmaßnahme würde ich an die Bevölkerung herantreten und eindringlich bitten, leerstehende Zimmer wenigstens vorübergehend an Studierende zu vermieten, zudem würde ich eine Bestandsaufnahme leerstehender Häuser und Gewerbegebäude (einschl. Telekom-Hochhaus oder Nycomed-Gebäude) durchführen, um zu prüfen, inwiefern dort ohne viel Umbau Studierende untergebracht werden können.

Sven Zylla: Mein Konzept für Wohnraum in Konstanz fußt auf zwei Säulen: Nachverdichtung und die Erschließung neuer Bauflächen. Konstanz braucht Beides. Denn: Nur eine Nachverdichtung mit Augenmaß in Kombination mit der Erschließung neuer Wohngebiete, z.B. auf dem Döbele-Areal sowie Gerstäcker und Heilsbrunn, kann den Bedarf von mehr als 300 Wohnungen pro Jahr decken. Die WOBAK hat über 100 studentische Wohnungen geschaffen. Hier sind die seezeit und das Land mit einer veränderten Wohraumförderung in der Pflicht.

Mehr städtische Angebote für Kinder und Jugendliche: Die zunehmende Armut trifft vor allem auch immer mehr Kinder und Jugendliche. Wir fordern für die davon Betroffenen deutlich mehr kommunale Angebote wie Jugend- und Begegnungszentren, Bildungs- und Kultureinrichtungen. Bei Freizeit- und Bildungsmöglichkeiten darf das Einkommen der El­tern keine Rolle spielen.
Dank Landes- und Bundesmitteln hat sich in den letzten Jahren endlich bei den Kitaplätzen und den Schulen endlich etwas getan. Wir setzen uns dafür ein, dass der Ausbau von Kitas und Schulen fortgesetzt wird, auch unabhängig von staatlichen Mitteln. Dabei muss sicher­gestellt werden, dass sozialverträgliche Regelungen für den Zugang geschaffen werden.

Mykola Neumann: Ausbau ist richtig, muss aber finanzierbar sein.

Sabine Seeliger: Einen innenstadtnahen Jugendtreff wie in Radolfzell mit längeren Öffnungszeiten als der Jugendtreff Berchen und JUZE finde ich wünschenswert, damit Jugendliche sich auch bei schlechtem Wetter abends in der Stadt treffen können und dafür nicht in eine Kneipe gehen müssen. In einem solchen Jugendtreff sollen natürlich auch Bildungs- und kulturelle Angebote laufen.<br>

Der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung ist in meinen Augen ein wichtiger Schritt zur Chancengleichheit, da sich herausgestellt hat, dass die Empfehlung häufig auch von Vorurteilen beeinflusst wurde. Ich hoffe, dass auch „bildungsferne“ Eltern die Chance für ihre Kinder ergreifen. Damit solche Anregung und Ermutigung bei den Adressaten ankommen, sind Quartiers- und Begegnungszentren wichtig.

Die Gemeinschaftsschule ist eine wichtige Errungenschaft für Konstanz. Die Tatsache, dass Lehrerinnen und Lehrer nicht mehr von der Schule verweisen können, wird zu mehr Sorgfalt im Umgang mit „schwierigen“ Schülern führen. Einschränkend ist für Konstanz natürlich zu sagen, dass die bisherige Arbeit an der Gebhardschule sich auch schon an diesem Prinzip orientiert hat. Ebenso ist hier auch das Konzept der Inklusion bereits vor der Umwandlung zur Gemeinschaftsschule verwirklicht.

Beim Neubau der Pestalozzi-Schule spreche ich mich dafür aus, dass die Stadt mit eigenem Geld über das Raumprogramm des Landes hinaus geht und die notwendigen Räume für das Inklusions-Konzept schafft. Ich setze mich dafür ein, die Kindertagesstätten entsprechend dem Bedarf der benötigten Plätze als auch der Öffnungszeiten auszubauen. Die Vergabe der Plätze muss und nach nachvollziehbaren Kriterien und transparentem Verfahren erfolgen.

Sylvia Grossmann: Das trifft zu. Die Bildungsgutscheine sollten mehr „beworben“ werden. Zum Punkt Kita-Plätze: Auch dem stimme ich zu. Mit dem Geld, das augenblicklich für die OB-Wahlwerbung verpulvert wird, hätte man zahlreiche neue Kita-Plätze schaffen können.

Sven Zylla: Den Ausbau von Kitas und Schulen unterstütze ich, wobei ich Land und Bund neben der Kommune in der Pflicht sehe. Vor allem im Bereich der Kinderferienbetreuung muss noch viel getan werden. Eltern müssen die Möglichkeit haben Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Außerdem will ich ein Bildungsnetzwerk Konstanz spannen. Ich werde alle, die Bildung, Aus- und Weiterbildung gestalten, an einen Tisch bringen. Sie sollen gemeinsam, insbesondere allen Kindern und Jugendlichen bessere Bildungschancen eröffnen.

Konzepte gegen Folgen der Altersarmut entwickeln: Der Niedriglohnboom wird auch in Konstanz in den kommenden Jahren zu einer drastischen Zunahme der Altersarmut füh­ren. Deshalb sind auch hier dringend kommunalpolitische Konzepte gefragt. Die Stadt muss Betreuungs- und Pflegeangebote entwickeln, die diesen Menschen unabhängig von ihrem Einkommen ein menschenwürdiges Leben im Alter ermöglichen.

Mykola Neumann: Ich bin für gemischtes Wohnen Jung und Alt im Alter, Ich bin für ein soziales Jahr für jeden jungen Menschen, wobei davon viele in der Pflege arbeiten könnten.

Sabine Seeliger: Über die vier Pflegeheime, das betreute Wohnen und den Pflegedienst der Spitalstiftung hat die Stadt Konstanz die Möglichkeit qualitätsvolle Pflege zu vergleichsweise geringen Eigenleistungen anzubieten. Momentan befinden sich die spitälischen Heime allerdings preislich im Mittelfeld der Pflegeheime in Konstanz.

Ich setze mich dafür ein, auch alternative Wohnprojekte wie Pflegewohngemeinschaften sowie unterschiedliche ambulante Betreuungsformen, die einen möglichst langen Verbleib in der eigenen Wohnung ermöglichen, in Konstanz und den Teilorten anzusiedeln. Eine Vielfalt an Betreuungsangeboten wird am ehesten auch den sehr unterschiedlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten der Senioren gerecht.

Sylvia Grossmann: Als OB würde ich mich persönlich in den Betrieben für die Beschäftigung von Arbeitnehmern 50+ einsetzen. Ein Potential dieser Größenordnung dürfen wir nicht ungenutzt lassen. Eine Berufstätigkeit der 50+-Generation bis zur Rente würde zur Senkung der Altersarmut beitragen.

Sven Zylla: Ich möchte allen gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere Senioren, die Teilhabe am sozialen Leben ermöglichen. Dies kann durch verschiedene Wohnformen und Betreuungsangebote gewährleistet werden. Dazu zählt für mich auch eine barrierefrei Stadt. Daran muss z.B. am Sternenplatz und am Bahnhof noch gearbeitet werden.

Beschäftigungspolitik: Aufträge nur bei Tariflöhnen: Die Stadt Konstanz hat die Möglichkeit, Maßnahmen ge­gen den ausufernden Niedriglohnsektor zu ergreifen. Im Jahr 2006 hat das Bundesverfas­sungsgericht letztinstanzlich entschieden, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge davon abhängig gemacht werden könne, dass die entsprechenden Unternehmen Tariflöhne zah­len. Das muss auch für die Stadt Konstanz gelten.

Mykola Neumann: Es dürfte m.E. nur sehr schwer möglich sein, Unternehmen zu finden, die diese Voraussetzungen erfüllen. Auch dürfte das geltende Vergaberecht entgegenstehen, da diese Unternehmen vermutlich grundsätzlich teurer sein müssen. Wo immer finanzierbar sollten Tariflöhne bezahlt werden.

Sabine Seeliger: Ich stimme vollkommen zu, die Auftragsvergabe durch die Stadt muss an diese Kriterium gebunden werden.

Sylvia Grossmann: Unbedingt ja

Sven Zylla: Ich werde mich als OB dafür einsetzen, dass die Stadt keine Aufträge mehr an Unternehmen vergibt, die unter dem Tariflohn bezahlen.

Keine Leiharbeit: Auch in den Betrieben der Stadt Konstanz gibt es Leiharbeitnehmer-Innen und ZeitarbeiterInnen. Die LLK fordert: keine Leih- und Zeitarbeit bei der Stadt Kon­stanz, in den städtischen Betrieben und GmbHs.

Mykola Neumann: Die Zeit und Leiharbeit sollte nicht die Regel sein, sondern die Ausnahme und nur für eine befristete Zeit.

Sabine Seeliger: Ich stimme nicht zu; Leiharbeit kann auch ein Weg in die Festanstellung sein. Wichtig ist, dass keine bisher festen Anstellungen in Leiharbeitsstellen umgewandelt werden und dass Leiharbeit immer Übergangslösung ist, nicht Dauerlösung. Hier kann die Stadt mit gutem Beispiel vorangehen.

Sylvia Grossmann: Dem schließe ich mich an.

Sven Zylla: In besonderen Lagen halte ich Leiharbeit begrenzt für vertretbar, nicht jedoch als breites Dauerinstrument.

Wirtschaftsförderung: Städtische Wirtschaftsförderungsmaßnahmen sollen außerdem darauf ausgerichtet werden, regionale Wirtschaftskreisläufe zu fördern und zu stärken. Bei öffentlichen Aufträgen sind deshalb regionale Anbieter zu bevorzugen, die klar definierte so­ziale und ökologische Kriterien erfüllen.

Mykola Neumann: Ich halte das für sinnvoll, wird aber aufgrund der geltenden Gesetze nicht so einfach möglich sein, da die billigste Ausschreibung den Zuschlag erhalten muss.

Sabine Seeliger: Ich stimme zu. Die Stadt soll alle Möglichkeiten, die das Wettbewerbsrecht zulässt nutzen, um Aufträge auch nach diesen Kriterien zu vergeben.

Sylvia Grossmann: Das wird nicht immer einfach sein, denn meist muss aus finanziellen Erwägungen der günstigste Anbieter genommen werden.

Sven Zylla: Ich will den Wirtschaftsstandort Konstanz gezielt weiterentwickeln. Dabei setze ich auf diese lokale Wirtschaft. Ich werde sie in einem Konstanzer Wirtschaftsforum einbeziehen, vernetzen und aktivieren. Um diese Stärke zu erhalten steht für mich Bestandspflege und Förderung der ortsansässigen Unternehmen ganz oben. Dabei müssen regionale Anbieter und soziale und ökologische Kriterien mit berücksichtigt werden.

Förderung öffentlicher Beschäftigung: Die Stadt Konstanz muss mehr für den Aufbau eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors tun.

Mykola Neumann: Die Stadt bietet sehr viel Arbeitsplätze. Wie soll ein „Mehr“ finanziert werden?

Sabine Seeliger: Unter der Voraussetzung, dass es gelingt Kofinanzierung von Land und Bund für geförderte Beschäftigungsverhältnisse zu erhalten, spreche ich mich dafür aus. Zu beachten ist allerdings, dass es starke Überschneidungen mit dem in Konstanz stark ausgeprägten bürgerschaftlichen Engagement gibt. Ich möchte keine funktionierende Freiwilligen-Arbeit ersetzen. Ein weiteres Handlungsfeld für die Stadt ist das Anbieten von fair bezahlten, qualifizierenden Praktika.

Sylvia Grossmann: Hier würde sich die Stärkung des Tourismussektors eignen, um BürgerInnen in Arbeit zu bringen.

Sven Zylla: Das ist m.E. nicht notwendig und leistbar. Wichtiger ist das konstruktive Miteinander bei Initiativen wie der Fachkräfteallianz des Landkreises.

Verkehrspolitik: Die LLK tritt für eine autofreie Stadt ein. Alle Maßnahmen, die kurz- bis langfristig diesem Ziel dienen, werden von ihr unterstützt. Dazu gehören vor allem: Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs: Aktivere Unterstützung von P+R und Carsharing; Verbilligung der ÖPNV-Tarife bis hin zum kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, finanziert zunächst durch private Sponsoren (z.B. durch den Einzelhandel und womöglich Gastronomie) und später durch die Stadt (wie z.B. in Hasselt); zusätzliche Angebote durch Fahrradverleih für Touristen (s. City-Bike in London, Amsterdam, Hamburg, Brüssel und an­derswo).

Mykola Neumann: Die (fast) autofreie Stadt kommt Schritt für Schritt. Den Ausbau des ÖPNV begrüße ich ebenso wie den Fahrradverleih. Ich bin aber auch für Elektromobilität.

Sabine Seeliger: Ich trete für den kostenlosen Shuttlebus vom P+R Schänzlebrücke und möglichst auch Zollhof ein. Auch der ticketlose ÖPNV ist für mich eine Option, die ich prüfen möchte. Um die Akzeptanz zur Umsetzung von neuen Verkehrskonzepten zu erhalten schlage ich eine stufenweise Einführung vor, beginnend mit den Samstagen und Brückentagen. Shuttlebusse und Stadtbusse fahren ticketlos, finanziert durch einen Aufschlag auf die Parkgebühren linksrheinisch. Der Einzelhandel sollte den Anreiz zum Umstieg auf den Bus durch zusätzliche Angebote für die Umsteiger verstärken. Wenn sich dieses System bewährt kann über die Ausweitung auf alle Wochentage entschieden werden. Ich werde ebenfalls energisch den Aufbau eines leistungsfähigen Car-Sharing-Angebotes (Ziel: 30 Stationen im Stadtgebiet, da dann One-Way-Option besteht), sowie eines Leihrad-Systems voran treiben. (Diese beiden Maßnahmen zielen allerdings auf die Einwohnerinnen und Einwohner, nicht auf Touristen.)

Sylvia Grossmann: Ja, denn anders geht es nicht. Wir müssen das Verkehrsproblem lösen, denn es ist heute an Stoßtagen bereits unerträglich, und mit Beginn des Konziljubiläums wird der Verkehr noch zunehmen. Ich würde Anreize in Form von Gutscheinen (kann alles mögliche beinhalten, vom Gratis-Popcorn, über billigeren Therme-Eintritt bis hin zu Einkaufsgutscheinen) schaffen, damit die Besucher ihr Auto so weit wie möglich von der Stadt entfernt lassen. P+R ist ok, aber besser mit Gutschein-Anreizen P+R in Weinfelden oder Singen, als P+R ohne Anreize am Schänzle oder Flugplatz.

Sven Zylla: Das Park&Ride-Angebot muss ausgebaut werden, gerade zu Stoßzeiten und an den hochfrequentierten Tagen. Dabei kann auf die Erfahrung der Adventssonntage im vergangenen Jahr zurückgegriffen werden. Das Angebot einer Mobilitätszentrale im Bahnhof ist sehr sinnvoll.

Verkehrsberuhigung: Flächendeckende Geschwindigkeitsbegrenzungen im Innen­stadtbereich, verschärfte Polizeikontrollen der bereits bestehenden Gebote (z.B. Markgra­fenstraße und Niederburg), verbunden mit empfindlicheren Bußgeldern (Beispiel: Schweiz). Aktuelle Ideen zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Laube, verbunden mit einem sinn­vollen, einseitigen Ringverkehr, werden unterstützt. Von der „Begegnungszone“ reden wir mal nicht, von zusätzlichen Parkhäusern auch nicht: Die innerstädtischen Freiflächen, wie. z.B. das Döbele, müssen für Wohnbebauung, nicht für Parkplätze genutzt werden.

Mykola Neumann: Döbele kann für beides genutzt werden, Parken und wohnen. Geschwindigkeitsbegrenzung in vielen Bereichen auf 30 km/h oder 40 km/h wo zulässig halte ich für sinnvoll.

Sabine Seeliger: Gleiches wie für das Döbele gilt für den Lutherplatz. Ringverkehr kann nochmals geprüft werden, sehe ich aber skeptisch wegen der Umwege, die erzwungen werden. Geschwindigkeitsbegrenzung ist auch auf der Mainaustraße notwendig, um die Anwohner vom Lärm zu entlasten.

Sylvia Grossmann: Ja, ja und ja! Beim Bahnhofplatz bin ich jedoch nicht so skeptisch, denn ich verbringe da meine Tage und erlebe ständig, wie da um die Ecke gerast wird. Die 20-km-Zone löst natürlich nicht das Verkehrsproblem, trägt aber zur Aufwertung des Bahnhofplatzes bei.

Sven Zylla: Die oben aufgeführten Vorschläge unterstütze ich nicht, sondern sehe andere Möglichkeiten der Verkehrsberuhigung.

Letztlich: City-Maut: Sollten all diese Maßnahmen nicht greifen, was zu befürchten ist, treten wir für eine linksrheinische City-Maut ein, die Ausnahme-Regelungen für Anwohner und den Zulieferverkehr einschließt.

Mykola Neumann: Ich halte nichts von einer „City-Maut“. Die ist richtig unsozial.

Sabine Seeliger: Ich sehe die City-Maut als alternatives Finanzierungskonzept für den ticketlosen Shuttlebus und Stadtbus (zunächst an Samstagen und Brückentagen), wenn man ein ausgefeilteres System als den Aufschlag auf die Parkgebühren einführen möchte. Hier werden auch die Anwohnerinnen und Anwohner eingeschlossen, die ja auch zum Stau beitragen. Ausgleichend wird in den Städten mit City-Maut zumeist ein Anwohner-Rabatt von 90 Prozent gewährt.

Sylvia Grossmann: City-Maut bestraft alle. Besser billigen oder kostenlosen ÖPNV und mittels Bonussystem (ihr bekommt von uns was geschenkt, wenn ihr eure Stinkekisten zu Hause oder sonstwo lasst!) an die Schnäppchenjäger-Geiz-ist-geil-Mentalität unserer Besucher (Schweizer sind letztendlich auch nur Schwaben ;-)!) appellieren. Mit einem Löffel Honig fängt man mehr Fliegen als mit einem Eimer Essig.

Sven Zylla: Die Entscheidung über eine City-Maut kann nicht isoliert getroffen werden. Wichtig ist, dass die Verkehrsproblematik in Konstanz mit einem Gesamtkonzept angegangen wird, das alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt berücksichtigt. Zum jetztigen Zeitpunkt lehne ich eine City-Maut ab.

Perspektiven Jugendlicher: Glasverbot: Wir lehnen das Glasverbot am Seerhein strikt ab. Es gibt sinnvollere und nachhaltigere Methoden, um Umweltverschmutzung, Scherben etc. zu verhindern, vor al­lem da wir fest davon überzeugt sind, dass das Glasverbot lediglich ein Werkzeug zur Ver­drängung von Jugendlichen von den „schönen“ Flecken der Stadt zugunsten von Besserverdienenden und Touristen ist.

Mykola Neumann: Ich bin dafür Glas zertrümmern zu verbieten, statt ein pauschales alle kriminalisierendes Glasverbot.

Sabine Seeliger: Ich habe die Klage gegen das Glasverbot finanziell unterstützt und hoffe, dass sie erfolgreich sein wird. Damit wäre in Konstanz die Diskussion wieder von Anfang an zu führen. Da dieser Konflikt auch in anderen Städten besteht, liegt es für mich nahe zu recherchieren, mit welchen Lösungen andernorts gute Erfahrungen gemacht wurden. Danach können wir in Konstanz gemeinsam mit den Betroffenen diskutieren, welche für uns geeignet erscheinen und diese – vielleicht auch zunächst auf Probe – umsetzen. Auf diese Weise hoffe ich, das Thema einvernehmlich lösen zu können.

Sylvia Grossmann: Ich auch. Mehr Glascontainer und mehr Mülleimer! Mein Sohn ist 17 und findet Scherben am Ufer auch nicht gut.

Sven Zylla: Das Glasverbot ist kein geeignetes Mittel, um Exzesse einzelner Gruppen sinnvoll zu verhindern. Im Übrigen ist das auch nur ein ganz kleiner Teil der Jugend. Der Dialog zwischen Jugendlichen und Anwohnern, die Vereinbarung von Regeln, Schlichtung durch die Nachtwanderer und Durchsetzung von Recht und Ordnung sind bessere Mittel zur Konfliktvermeidung und -lösung. Als Rettungsschwimmer ist mir die Glasscherbenproblematik im Flachwasser sehr bewusst. Wenn ein Glasverbot hier helfen soll, dann muss es überall am Wasser gelten.

Zivilklausel: Wir unterstützen weiterhin die Bestrebungen von jungen Leuten an Kon­stanzer Schulen und der Universität (wo es zwar eine solche Klausel gibt, die Rektor Rüdiger aber vermutlich mit seinem EADS-Kooperationsvertrag unterläuft) für die Durchsetzung ei­ner wirksamen Zivilklausel. Militär, militärische Vereine und Betriebe sowie Rüstungsunter­nehmen haben unserer Ansicht nach nichts an öffentlichen Bildungseinrichtungen zu suchen und stehen unserer Vorstellung einer friedlichen, selbstbestimmten und zivilen Ge­sellschaft entgegen. Es interessiert uns, wie die Kandidatinnen und Kandidaten zu diesem Thema stehen, ob sie wirtschaftlichen Interessen an den Schulen strikt Vorrang gewähren würden oder ob sie Vorstellungen zur verbesserten Durchsetzung von Zivilklauseln haben.

Mykola Neumann: EADS baut nicht nur Waffen. Ich kann eine Waffe auch zur Verteidigung nutzen (Ich bin kein Fan der Rüstungsindustrie.)

Sabine Seeliger: Ich würde zur Voraussetzung einer möglichen Kooperation mit einem Rüstungskonzern machen, dass an der betreffenden Schule eine breite Debatte mit einer Reihe von Veranstaltungen mit Befürwortern und Kritikern stattfindet. Am Schluss des Meinungsbildungsprozesses sollten die Schülerinnen und Schüler sowie das Lehrerkollegium über die Kooperation in einer Urabstimmung beschließen.

Sylvia Grossmann: Das unterstütze ich vorbehaltlos.

Sven Zylla: Der Senatsbeschluss zur Zivilklausel aus dem Jahr 1991 hat weiter Bestand. Diesen befürworte ich. Die Universitätsgremien müssen jeweils entscheiden, was die Zivilklausel für konkrete Kooperationen bedeutet.Die Kooperation zwischen Schulen und Firmen sollen Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler entscheiden, gerne auch in kontroverser Debatte.

Integration: Integration voranbringen: In Konstanz leben rund 10.000 Einwanderer und Einwande­rinnen, die nicht im Besitz eines deutschen Passes sind. Insgesamt haben etwa 30% der Konstanzer einen Migrationshintergrund. Viele dieser Menschen können sich bisher nur be­grenzt am gesellschaftlichen und kulturellen Leben beteiligen, arbeiten im Niedriglohnbereich und leben in schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen. Diese Men­schen müssen mit all ihren Erfahrungen, ihrem Wissen und ihrer Kultur gleichberechtigt am Leben in Konstanz teilnehmen können. Deshalb fordert die LLK den Ausbau von Integrati­onskonzepten. Dazu zählen vor allem Maßnahmen zur Sprachförderung für alle Einwande­rInnen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, sowie Bildungs- und Berufsförderungsmaßnahmen, insbesondere für junge Menschen unter 25 Jahren.

Mykola Neumann: Integrationskonzepte finde ich gut.

Sabine Seeliger: Ich verweise nochmals darauf, dass die Stadt Konstanz fair bezahlte und qualifizierende Praktika in ihren verschiedenen Betrieben anbieten sollte. Praktika helfen außer jungen Menschen auch manchen, die eigentlich eine Qualifikation aus ihrem Heimatland mitbringen, hier aber nur jobben, weil sie kein qualifiziertes Angebot bekommen. Die gering qualifizierten Migranten, darunter viele Frauen, arbeiten sehr häufig in prekären und schlecht bezahlten Jobs, z.B. in der Gastronomie – hier einzugreifen, sind die Möglichkeiten der Stadt begrenzt. Am Ehesten geht dies über Projekte der Integrationsbeauftragten wie Stadtteilmütter oder „Mama lernt deutsch“.

Sylvia Grossmann: Ja, Integration muss in allen Bereichen gefördert werden.

Sven Zylla: Integration ist für mich ein Herzensthema. Nicht erst seit ich meine heutige Frau Dilbar aus Usbekistan kenne, weiß ich um die spezifischen Herausforderungen, aber auch um die Bereicherungen durch Migrantinnen und Migranten. Ich möchte deswegen im Dialog mit den Migrantinnen und Migranten klären, welche weiteren Anstrengungen ggf. notwendig sind.

Schutz vor Diskriminierung und Gewalt: Diskriminierung von und Gewalt gegen Men­schen mit Migrationshintergrund sind auch in Konstanz traurige Realität. Wir fordern eine Politik gegen Vorurteile und Rassismus aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht, nationaler Zu­gehörigkeit oder weltanschaulicher Überzeugung ein. Dazu ist unserer Meinung nach die Einrichtung einer unabhängigen Antidiskriminierungsstelle nötig.

Mykola Neumann: Eine Antidiskriminierungsstelle ist Unsinn. Diskriminierung verschwindet nicht durch Einrichtung einer weiteren „Behörde“. Es gibt bei Diskriminierung z.B. am Arbeitsplatz Gesetze und Gerichte.

Sabine Seeliger: Ich denke, dass Menschen, die Diskriminierung erfahren, sich an ganz unterschiedliche Vertrauenspersonen wenden. Wichtig ist, dass in der Stadt alle Menschen, die als Vertrauenspersonen in Frage kommen (Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Lehrerinnen und Lehrer, andere städtische Angestellte und Angestellte der WOBAK) sich eindeutig verhalten und die richtigen Maßnahmen für die Betroffenen einleiten. Für diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter muss unter Umständen eine Fortbildung in dieser Hinsicht angeboten werden.Dieses Thema finde ich zur Zeit bei der Integrationsbeauftragten und der Chancengleichheitsbeauftragten gut aufgehoben, glaube daher nicht, dass eine Antidiskriminierungsstelle notwendig ist. Persönlich werde ich immer eindeutig Stellung beziehen gegen jede Form von Diskriminierung.

Sylvia Grossmann: Ist das nicht bereits der Aufgabenbereich von der Integrationsbeauftragten?

Sven Zylla: Das geltende EU-Recht muss von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung umgesetzt werden.

Lebensbedingungen von Flüchtlingen verbessern: AsylbewerberInnen aus Kriegs- und Krisengebieten werden in Konstanz in einer Gemeinschaftsunterkunft unter erbärmli­chen Bedingungen untergebracht. Es stehen pro Person nur 4,5 qm Wohnfläche und ge­meinschaftliche Sanitäranlagen und Küchen zur Verfügung. Es gibt keine Rückzugsmöglichkeiten für Jugendliche oder Spielzimmer für Kinder. Das muss sich ändern. Die LLK fordert, dass Flüchtlinge dezentral untergebracht, das System der Lebensmittel­marken abgeschafft und gesetzliche Handlungsspielräume konsequent zugunsten der Be­troffenen ausgeschöpft werden.

Mykola Neumann: Die Verhältnisse müssen mindestens den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Was darüber geht muss finanzierbar sein.

Sabine Seeliger: Am wichtigsten erscheint mir das Eingreifen und die Unterstützung durch die Stadt zu dem Zeitpunkt, an dem Asylbewerber aus der Gemeinschaftsunterkunft ausziehen dürfen. Hier muss die Stadt verhindern, dass die Unerfahrenheit der Menschen sie zu Verlierern im schwierigen Wohnungsmarkt in Konstanz macht.

Sylvia Grossmann: Das wäre wünschens- und erstrebenswert.

Sven Zylla: Die beste Unterbrignung muss im Einvernehmen mit den Betroffenen organisiert werden.

Kein Raum für Nazis: Beunruhigenderweise ist in letzter Zeit die rechtsradikale Szene in unserer Region er­starkt. Es hat sich u.a. ein NPD-Kreisverband gebildet, die „Jungen Nationaldemokraten“ haben einen „Stützpunkt“ im Kreis eingerichtet und die so genannte freie Kameradschaft „Freikorps Baden“ zeigt Präsenz. In anderen Städten der Bodenseeregion sind diese Kräfte sehr aktiv. Auch in Konstanz versuchen die Neonazis, den Fuß in die Tür zu bekommen. Während der diesjährigen Fasnacht konnten sie, angeblich unerkannt, ihre widerliche Pro­paganda verbreiten. Dagegen muss schnell und entschlossen gehandelt werden. Wir brau­chen eine regionale Kooperation gegen das Treiben des braunen Mobs. Konstanz muss lokale, regionale und überregionale antifaschistische und antirassistische Initiativen konti­nuierlich und auch finanziell unterstützen.

Mykola Neumann: Ich habe etwas gegen Gewalt und radikale Gruppierungen, egal ob von Links oder Rechts oder (pseudo) religiös motiviert.

Sabine Seeliger: Die Arbeit und Aufklärung durch die antifaschistischen Initiativen ist wichtig. Ich würde versuchen, sich bietende Anlässe für öffentlichkeitswirksame Aktionen und solche mit möglichst großer Reichweite in die Bevölkerung hinein zu initiieren, zu unterstützen oder daran teilzunehmen.Schleichende „Verrohung“ gegenüber Migrantinnen und Migranten in „normalen“, nicht als reaktionär angesehenen Bevölkerungsschichten bereitet mir am meisten Sorge.

Sylvia Grossmann:
Eine finanzielle Unterstützung kann erfolgen über eine Vereinsgründung. Da kann die Stadt Räume und Material zur Verfügung stellen. Der Kampf gegen Rechts ist nach wie vor wichtig und dringend, das hat die sog. „Zwickauer Terrorzelle“ eindringlich gezeigt.

Sven Zylla: Die vergangenen Jahre habe ich in Mecklenburg-Vorpommern gelebt und dadurch erlebt, wie schrecklich die Präsenz rechtsradikaler Kräfte sogar im Landtag ist. Ich möchte nicht, dass diese auch in Konstanz Fuß fassen und sehe mich darin mit nahezu allen Konstanzerinnen und Konstanzern einig.