Das Scala hat fertig
Mit einer erstaunlich großen Mehrheit hat es der Konstanzer Gemeinderat gestern abgelehnt, einen Bebauungsplan für die Marktstätte und gleichzeitig eine zweijährige Veränderungssperre zu erlassen. Der entsprechende Antrag der Grünen zielte darauf ab, den Umbau des Scala-Kinos in einen dm-markt zu verzögern oder ganz zu verhindern. Erstaunlich war die Deutlichkeit der Ablehnung, weil es einige „Umfaller“ gab, die sich in der letzten Woche noch klar pro Scala positioniert hatten.
„Wer hat uns verraten?“ Viele Menschen pflegen seit 100 Jahren auf diese Frage reflexartig mit „Sozialdemokraten“ zu antworten. Aber diese Antwort wäre in diesem Falle nicht richtig. Die zahlreichen Zuhörer*innen, die aus Anhänglichkeit ans Scala in die Gemeinderatssitzung gekommen waren, fühlten sich vom Gemeinderat insgesamt eher im Stich gelassen – richtiggehend verraten sahen sie sich nur vom Jungen Forum Konstanz.
Gewiss, die Erwartungen des Publikums, dass über den Antrag der Grünen und eine Veränderungssperre das Scala doch noch zu retten sei, hatten einen erheblichen utopischen Überschuss. Aber bei der Abstimmung im Technischen und Umweltausschuss in der letzten Woche waren die Scala-Retter mit nur zwei Stimmen unterlegen, und so schien es durchaus noch offen, ob heute nicht ein oder zwei Aus- oder Umfaller etwa in der SPD oder der leidenschaftliche Arthouse-Kino-Liebhaber Klaus-Peter Kossmehl (FWK) dafür sorgen würden, dass der Antrag der Grünen doch noch durchgeht.
Eine heftige Klatsche für die Bürgerinitiative
Das vernichtende Abstimmungsergebnis muss für die engagierte Bürgerinitiative „Rettet das Scala“ dem Weltuntergang verdächtig nahe gekommen sein. In namentlicher Abstimmung gab es 26 Nein- bei nur 12 Ja-Stimmen und 1 Enthaltung. Die Ja-Stimmen kamen von den Grünen (außer von Peter Müller-Neff, der seinen politischen Wurzeln treu blieb und mit Nein stimmte) sowie der LLK und Zahide Sarikas, die sich damit gegen ihre Partei SPD stellte. Die Enthaltung stammte von Matthias Schäfer (JFK). Alle anderen Gemeinderätinnen und -räte stimmten gegen den Antrag, insbesondere auch die anderen drei JFKler*innen sowie Oberbürgermeister Uli Burchardt.
Im Falle des JFK war die Enttäuschung im Publikum deshalb besonders groß, weil es letzte Woche im TUA noch für den Antrag gesprochen und gestimmt hatte. Thomas Buck begründete den rapiden Sinneswandel des Jungen Forums mit einer plötzlichen Erkenntnis: Er habe sich bisher emotional zum Kino und damit seiner Rettung hingezogen gefühlt und erst dieser Tage realisiert, dass ein Kino ein Gewerbebetrieb sei wie jeder andere auch und daher auch so behandelt werden müsse. Eigentlich sollte solche Ehrlichkeit ja bestraft werden, aber sei’s drum, die Wandlung vom Paulus zum Saulus macht ihm in dieser bewunderungswürdigen Geschwindigkeit kaum jemand nach. Wichtiger wäre eine Antwort auf die Frage, wer ihm wohl zu dieser Wandlung verholfen hat – wirklich nur sein unberechenbarer Gefühlshaushalt? Wir werden es nie erfahren, zumindest so lange sich sein Therapeut weiterhin in Schweigen hüllt.
Als wär’s ein Stück von mir
Ziemlich gut in Form war an diesem frühsommerlichen Nachmittag Holger Reile (LLK), der mit dem Scala ein Stück Konstanz dahinschwinden sieht. Als Reile vor 40 Jahren erstmals nach Konstanz kam (einer im Publikum: „Was? Der ist nicht von hier? Dann soll er das Maul halten!“), führte ihn sein Weg direkt ins Scala, wo er „Einer flog übers Kuckucksnest sah“, und seitdem hängt sein Herz an diesem Kino.
Reile sieht Konstanz derzeit an einem Scheidepunkt, denn die Stadt müsse sich jetzt entscheiden, ob sie nur für Touristen und Käufer da sein und auch noch den letzten Quadratmeter meistbietend an irgendwelche Spekulanten verhökern wolle – oder ob sie auch die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bürger zu erfüllen gedenke. „Nur wer gegen den Strom schwimmt,“ zitierte er in diesem Zusammenhang Immanuel Kant, „hat überhaupt eine Chance, die Quelle zu erreichen.“ [Kritik der reinen Vernunft A407/B434, Widerstreit der Gesetze (Antinomien).]
Er erinnerte auch daran, dass der Gemeinderat nicht immer so zögerlich war wie in Sachen Scala, wo ja insbesondere von Matthias Heider (CDU) massivste Bedenken wegen möglicher Schadensersatzansprüche gegen die Stadt und einzelne Gemeinderäte ins Feld geführt wurden. Als es 2011 darum ging, daran erinnerte Reile genüsslich, den Chefarzt Gert Müller-Esch zur Strafe für einige [wohl nicht unberechtigte] kritische Worte in die Wüste zu jagen, kannte die Gemeinderatsmehrheit kein Zögern – was die Stadt vor dem Arbeitsgericht dann rund eine Million Euro für Abfindungen und Anwälte kostete. Wenn’s um den Rauswurf aufklärerisch gesonnener Geister geht, das wollte Reile wohl dezent andeuten, ist den Bürgerlichen kein Preis zu hoch. Wenn es hingegen um die kulturellen Interessen der Kinofreunde geht, ist ihnen auch das kleinste Risiko zu groß.
Na ja, wer sich wie Reile bei seinem ersten Besuch in Konstanz „Einer flog übers Kuckucksnest“ ansah, musste wohl zwangsläufig früher oder später im Gemeinderat landen, der Film macht schließlich was mit einem. Manfred Hölzl (CDU) war vielleicht auch in diesem Film, denn in ihm schlummert sichtlich nicht nur ein Anhänger der Bürgerinitiative, sondern auch ein gestandener Antikapitalist. Er beklagte, dass die Konzerne und Filialriesen alles „auffressen“ und die Konstanzer Innenstadt unter deren Druck zunehmend ihre Individualität verliere, etwa ein Sortiment wie das des [bodenständigen Haushaltswaren-Allrounders] Straub gebe es dort ja leider nicht mehr. Allerdings fand er, immerhin ist er ja in der CDU, dass man dagegen nichts tun könne, und wer wisse schon, was überhaupt in 10 Jahren sei. Was in 10 Jahren ist? Herr Hölzl sollte es eigentlich wissen, denn er ist ja in der CDU und die ist bekanntlich mit höheren Mächten im Bunde.
Zum Jagen tragen
Kurz bevor es zum Ende der ausgiebigen Debatte über den Antrag „pro Scala“ kam, verschwand Zahide Sarikas aus dem Ratssaal. Klar, Gemeinderätinnen und -räte verschwinden gelegentlich, nicht nur aus Ratssälen, und manche auch für immer. Sie müssen sich die Nase pudern, Snacks nachfassen, den Kaffeeautomaten behelligen oder ihr Horoskop beim Astrologen abholen. Aber sie verschwinden selten so zeitnah vor der Abstimmung des Jahres und bleiben dann so verdächtig lange weg, während die Abstimmung dräut. Es sah für das Publikum einfach so aus, als wolle Frau Sarikas sich vor der Abstimmung drücken, weil die Courage sie verließ.
Am Ende kehrte sie dann doch noch rechtzeitig zurück, und ganz sicher sind die Behauptungen anderer Gemeinderät*innen falsch, „man“ habe einen gewissen psychologischen Druck auf sie ausüben müssen, um sie zur freiwilligen Rückkehr und Abstimmung zu bewegen. Mit ihrem Ja fürs Scala machte sie immerhin äußerst mutig das aus Sicht der Verwaltung dreckige Dutzend der Ja-Sager*innen voll, und das werden ihr die Scala-Fans sicher bei der nächsten Wahl danken. Wenn sie’s, die Wähler*innen, bis dahin nicht schon längst vergessen haben.
Schade ist nur, dass Filmemacher Douglas Wolfsperger die gewünschte Drehgenehmigung im Ratssaal nicht erhielt. Seinen Filmklassiker „Probefahrt ins Paradies“ hätte er mit der Verfilmung dieser Ratssitzung locker übertreffen können. Genug schwangere Nonnen mit handpoliertem Heiligenschein sitzen im Gemeinderat schließlich zwölf auf ein Dutzend. Und selbst ein Beffchen für den OB hätte sich in der Hosentasche von Wolfgang Müller-Fehrenbach allemal gefunden.
O. Pugliese
zu Herrn Nix
Nun mir scheint bei den vorgebrachten Argumenten allerdings der gesunde Menschenverstand zu fehlen. Herr Rabe will das Kino in der bisherigen Form auf der Markstätte so nicht weiterführen, das war zumindest zu hören. Was also soll das Ganze? Eine Sache ist es, zukunftsorientiert die weitere „Vermarktung“ der Innenstadt mit einer Reduzierung auf kommerzielle Filialbetriebe zu stoppen, das ist in der Tat eine Forderung an die Politik. Eine andere Sache ist es für einen kommerziellen Betrieb, dessen Besitzer ihn nicht weiterführen will, das Risko unverhältnismäßig großer Schadensersatzforderungen an die Stadt einzugehen. Da sind die Gemeinderäte in der Pflicht. Es kann nicht sein, dass an vielen Ecken die Mittel fehlen und dann leichtfertig unter diesen Umständen finanzielle Risiken eingegangen werden. Etwas mehr gesunder Menschenverstand kann hier wohl nicht schaden.
Es ist gut, dass die Diskussion stattgefunden hat, das hat für das Thema Innenstadtentwicklung sensibilisiert. Dass der gesunde Menschenverstand hier ungeheure Schäden hinterlässt, kann ja wohl kaum ihr Ernst sein. Außerdem haben die Konstanzer längst mit den Füssen entschieden welches Kino sie bevorzugen. Das ist Schade, doch letzlich der eigentliche Grund für das Ende des Scalas.
Es gibt zwei Mechanismen, die bei Deutschen ungeheure Schäden hinterlassen: der gesunde Menschenverstand (Herbert-Fischer) und der Eid (Buck). Aus instinktiv oder intuitiv handelnden Menschen werden plötzlich Vereidigte, aufgestiegen in die Sphäre der feudalen Beschützer neigen sie zu irrationalen Handlungen und behaupten ideologisch, sie hätten damit Schaden abgewendet von den anderen.
Dabei ist der Sachverhalt durchaus überschaubar: Nicht irgendein Irrer oder gar ein Rädelsführer (Sprachgebrauch des OB) haben in einem Gutachten und einer gutachterlichen Stellungnahme aufgezeigt, wie eine legeartis durchgeführte Bebauungsplanung die Marktstätte so gestaltet, dass Kommerz und Kunst (Kinokunst ist Kunst, auch wenn sie kommerziell betrieben wird) möglich gewesen wären.
Dr Hertel vom renommiertesten Anwaltsbüro der Republik (im Anwaltsranking Nr.1) hat Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, die niemand hören oder lesen wollte. Natürlich, das Konstanzer Büro ist einem da näher: Das Gutachten von Kues und Partner unterstellt im Sinne eines Bedenkenkataloges alle Eventualitäten und gelangt dann zum Ergebnis, bevor man was falsch macht, macht man nix. Kues und Partner arbeiten ungenau, unterstellen Anknüpfungstatsachen, wo keine sind: Es ist lächerlich, die kulturelle Erschließung von Konstanz als überdurchschnittlich zu bezeichnen, das ist eine Behauptung, durch nichts bewiesen. Aber sie hat gewirkt. Sie hat erwachsene Männer eingeschüchtert. Untersucht man die Haftungsfrage nüchtern, so ist der GR einem Gespenst aufgesessen, denn eine Durchgriffshaftung auf den einzelnen GR bezogen wäre nur denkbar, wenn die Verwaltung in der Bauabteilung konkret eine Verhinderungsplanung entwerfen und umsetzen würde, aber gerade das sollte sie ja – laut Beschluss – nicht tun. Wo, also meine Herren, ist der Vorsatz oder die grobe Fahrlässigkeit, wo meine Herren CDU Juristen. Es hatte schon seinen Grund, warum weder Dr. Hertel noch ein unabhängiger Baurechtler beigezogen wurden. Es war nicht gewollt, es gibt eine Ideologie vom grenzenlosen Eigentum, das Verträge zulässt, nach denen BürgerInnen auf der Marktstätte 30 Jahre kein Kino sehen dürfen. Das ist die Freiheit, die Freiheit von Spekulanten, aber mit dem Grundgesetz hat dieser Eigentumsbegriff nichts zu tun. Das Thema ist zu Ende: die Betonköpfe übernehmen das Spielfeld, wer klug ist, zieht sich zurück, die Geschichte entscheidet, nicht die aktuellen Machthaber: Das Kino ist tot, reingefallen auf Ideologie und Fama.
Der letzte Beitrag des hr. Buck spiegelt gut seine, meines Erachtens, verschrobene und leicht überhebliche Art wieder: Er, der sich im Wahlkampf noch als „Vertreter der Minderheiten“ (sic!) präsentierte, der Menschen, „die noch nicht so viel Gehör finden“, vertritt nun die wirtschaftlichen Interessen der Stadt Konstanz.
Schade, wenn man sich selbst so demontiert und entblößt.
Vielen Dank für die vielen Einwände und Entgegnungen. Ich versuche mich daran zu orientieren und hier nochmals die Faktenlage aus meiner Sicht zu erklären:
@Olaf:
Ich habe einen Eid „zum Wohle der Stadt und seiner Bürger“ geleistet: wenn ich erkenne, dass eine Position nicht nur unhaltbar sondern auch Unrecht (nach unserer Rechtssprechung) ist, kann ich aus genau diesem Grund nicht mit Enthaltung abstimmen sondern muss aktiv die Stadt davor bewahren, in einen möglichen Schadensersatzprozess mit Klagewert in Millionenhöhe verwickelt zu werden, bei dem sehr offensichtlich ist, dass er verloren wird.
@Dirk: in diesem Fall hätten wir die sehr offensichtliche Verhinderungsplanung, und die wird teuer. Gerade durch die Bezugnahme auf die Marktstätte 22 wäre das ziemlich eindeutig gewesen bei diesem Antrag….
@ Lutz E. Krause: Ihr Denkfehler: beim Kino handelt es sich eben genau NICHT um öffentlichen, sondern um privaten Raum. Dieser wirkt in den öffentlichen Raum der Marktstätte hinein und aus diesem Grund werden wir zusammen mit der SPD Fraktion einen Bebauungsplan für die Marktstätte beantragen. Wenn Sie noch gute Ideen für eine Zielrichtung dafür haben, freuen wir uns über einen Austausch in einer unserer Fraktionssitzungen, immer montags ab 18 Uhr. Mein Vorschlag wäre dabei beispielsweise Schutz der Diversität. Ob so etwas baurechtlich verankert werden kann, ist zu prüfen.
@Dennis Riehle:
Wankelmut oder Nibelungentreue? Wenn neue Erkenntnisse und Einsichten vorliegen, muss eine Situation neu bewertet werden. DAS vermittelt Glaub- und Vertrauenswürdigkeit. So sehe ich das zumindest. Ausserdem unterscheide ich zwischen Mut und Torheit…
Zustimmung wäre aus meiner Sicht zweiteres gewesen.
Die Begriffe „Ideologie“ (ich rede übrigens nirgends von „ideologiefrei“…) und „evidenzbasiert“ erkläre ich gerne einmal aus meiner Sicht in einer Fraktionssitzung, zu der alle Kommentatoren und auch Autoren von Seemoz jederzeit recht herzlich zum Diskurs eingeladen sind.
Thomas Buck
Meine Meinung: Der Antrag der FGL hätte vor der Abstimmung noch umformuliert werden sollen.
1) Antrag: Einen Bebauungsplan für die Innenstadt auf den Weg bringen.
2) Wir definieren innerhalb des nächsten 1/2 Jahres die Inhalte, aber momentan geht es um Kino-Kulturerhaltung wegen eines Interesses aus der Bevölkerung (ca. 7000 Unterschriften), das Scala-Kino an der Marktstätte 22 zu erhalten.
Ja und dann erst abstimmen.
Nun ja, da Herr Rabe selber offentsichtlich nicht dahinter stand das Scala zu erhalten, waren wohl Zweifel am Erfolg und Sinn der Initiative nachvollziehbar. Das zu unterstützen hätte nur Sinn gemacht, wenn er das auch gewollt hätte. Es ihm vorzuwerfen bringt auch nichts, denn er hat jahrelang dieses Kino möglich gemacht, sich verdient gemacht, also danke dafür und Tschüss.
In dem Fall hat dann der gesunde Menschenverstand im Gemeinderat gesiegt, auch wenn das etwas schade ist. Wenn hier die JFK-Fraktion angeschossen wird, trifft es wohl die Falschen und sie waren ja wohl auch nicht die Einzigen, denn sonst wäre der Antrag der FGL durchgegangen.
Es tut weh, doch wäre das Scala die letzten Jahre besser frequentiert gewesen, dann stünde es jetzt nicht vor dem Aus. Außerdem gibt es noch das Zebra für alle, denen das Cinestar nicht gefällt. Da sehe ich Kutur übrigens viel eher. Ein Verein, mit Menschen die sich engagieren, ist eben nicht rechtlich mit einer Boutique oder einem Drogeriemarkt gleich zu setzen, wie ein kommerzielles Kino, und das aus gutem Grund.
Oh wie viel Text
„Die Wurzel allen Übels ist die Habsucht.“ Wer weiß wo das steht?
Die Habsucht, viel Geld zu machen, tötet ein geliebtes Kino.
Meine Meinung zum Gemeinderatsentschluss: Diejenigen, die mit „ja“ gestimmt haben, konnten sich das nur leisten, weil die anderen mit einer Mehrheit mit „nein“ stimmen werden.
Die Faktenlage ist eher so für mich (Ich war selbst dabei.): Der Gemeinderat hätte das Scala gerettet (an der Marktstätte 22), wenn es dafür ein politisches oder gesetzliches Instrument gegeben hätte.
Wir haben eine freie Marktwirtschaft oder eine soziale Marktwirtschaft. Zum Thema „soziale Marktwirtschaft“ gibt es offensichtlich zu wenig Gesetze, die den finanzkräftigen Investoren auch mal einen Riegel vorschieben können.
Die „Mörder“ müssten beim Scala jetzt zu „Rettern“ werden, so meine Meinung. Die „Mörder“ haben den Gemeinderat mit seiner wirklichen gefühlten Meinung (Die Rettung wäre eigentlich richtig.) und die Bevölkerung geschlossen gegen sich (mit Ausnahmen).
aus Niederlage erwächst jedoch
enorme Kraft des Wieder- Aufstehens.
Es gibt noch viel zu tun !
Brecht es ab! Es ideologisiert sich. Wo ist die neue Initiative für etwas städtisch-Kulturwesentliches, das als verloren gilt? Dies wäre „evidenzbasierter“, als ein politisches Nachgeplänkel.
Warum das „Junge Forum“ innerhalb weniger Tage eine derartige Umkehr vollzogen hat, bleibt mir auch nach dem Kommentar von Thomas Buck verschlossen. Besonders eine neue politische Kraft muss sich bewähren, dazu gehört unter anderem, Glaubwürdigkeit zu vermitteln. Mit solch einem wankelmütigen Abstimmungsverhalten wurde nicht unbedingt Verlässlichkeit demonstriert. Unabhängig davon, welche Position nun die „richtige“ sein mag, ist es doch schwer vorstellbar, dass erst in der vergangenen Woche die Ausschlag gebenden Argumente aufgetaucht sein sollen, die nun eine 180 Grad-Wende begründen. Ich denke, hier wird das JFK noch intensive Eigenreflexion betreiben müssen, um das entstandene Misstrauen ihm gegenüber wieder beheben zu können. Im Augenblick ist seine Außenwirkung recht unprofessionell.
Über das Abstimmungsverhalten vom JFK bin ich auch sehr verwundert, lieber @Thomas Buck. Ich kann ehrlich gesagt in einem Bebauungsplan und einer Veränderungssperre keine „ideologische Denkschule“ erkennen – Was soll denn das für eine Denkschule sein, die „Schule des deutschen Planungs- und Baurechts“?
Und ass ein Kinobetrieb rein rechtlich ein Gewerbebetrieb ist, was hat dass denn für eine Relevanz? Das Theater ist doch auch ein Eigenbetrieb, ebenso wie die Entsorgungsbetriebe – Müss man deshalb die selben Standards an alle anlegen? Muss deshalb der Werkhof der städtischen Betriebe in die Stadtmitte verlegt werden und das Theater ins Industriegebiet ziehen?
Auch mit dem begriff „evidenzbasierte Politik“ kann ich hier wenig anfangen – Wo ist denn hier die Evidenz? Darunter versteht man ja im Allgemeinen, dass man eine Theorie deduktiv bestätigen kann. Mindestens ein Gutachten hat doch hier aber genau das Gegenteil gesagt und in der Juristerei ist Evidenz glaube ich auch ein rares Gut. Das JFK hat hier offensichtlich größere Risiken als Chancen gesehen und entsprechend politisch entschieden und so abgestimmt, aber das möge man doch bitte nicht als „ideologiefrei“ (was soll das überhaupt sein?) oder „evidenzbasiert“ verklären.
@ Thomas Buck . . . weniger ideologische Denkschule?
In dieser Angelegenheit kann ich nur EINE Ideologie ausmachen, und dies ist jene der vollständigen Besetzung eines Stadtraumes durch die ›Denkschule‹ einer Verwertbarkeits-Ideologie.
Vielleicht sollten die jungen Leute des JFK einmal dran erinnert werden, welchen Zweck ›Ökonomie‹ und ›Fortschritt‹ – die ja eng mit der Aufklärung verknüpft war – ursprünglich hatte: Die Idee einer Befreiung der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu fördern. Diese Gemeinderatsabstimmung ist das genaue Gegenteil: Eine Kapitulation vor der ökonomischen Verwertungs-Ideologie unserer Zeit – und eine Freiheitseinschränkung aller durch die einseitige Inanspruchnahme öffentlichem Raumes.
Ja, es ist tragisch, dass wieder ein Teil lebendig-beseelter Stadtraum, dass die Essenz eines Ortes – der mit keiner Investition dieser Welt reproduziert werden könnte – verloren geht. Und wie immer werden die neu gebauten Formen versuchen, die entstandene Leere durch viel Lärm zu kaschieren.
Was?!
Kein Happy End?
Also da weiss ich wirklich nicht ob der Film so richtig gut im CineStar läuft? Und was haben sich die Produzenten dabei gedacht – das ist ja scho Post-Postmodern und ich hab mal gegoogelt – auf Anhieb fällt da den meisten nur ein:
Drag me to hell
Scream 2
Wolfman
Ein Mann sieht
rot
Shutter Island
und
American Beauty
– und wollen wir wirklich alle so was?
@ thomas buck
verstehe nicht ganz … wenn die juristischen Definitionen einem als Politiker nicht passen und einem deshalb die Hände gebunden sind (oder scheinen), dann ist das doch kein Grund der ganzen Sache auch noch seinen politischen Segen zu geben. Mangelnde Erfolgsaussicht kann einen natürlich davon abhalten sich für eine Sache zu engagieren – ist aber wahrlich kein Grund andere in ihrem Engagement zu behindern (wenn man ansonsten mit ihnen einer Meinung ist). Mindestens eine Enthaltung wäre die logische Konsequenz aus Deiner Argumentation. Oder bedeutet ‚evidenzbasierte Politik‘ Dingen, die – zum guten oder schlechten – ohnehin geschehen auch noch den eigenen Stempel aufzudrücken? Klingt irgendwie danach.
Lieber Seemoz
Unser Anspruch beim JFK ist evidenzbasierte Politik. Dahinter steht eine andere, weniger ideologische Denkschule. Wenn wir im Ansatz eine Chance gesehen hätten, das Scala an der Marktstätte zu halten, hätten wir das dafür Nötige getan. Wenn man rechtliche Wege beschreiten möchte, muss man sich auf die Logik des Rechts einlassen. Und die unterscheidet formal nicht zwischen einem Kino, einer Boutique oder einem Drogeriemarkt. Punkt. Es ist für mich auch schwer nachzuvollziehen, weshalb Film und Kino nicht den Rang von Kultur haben, aber vor den Gerichten ist das Kino nur einer der knapp 4000 Gewerbe oder Konsumbetriebe der Stadt Konstanz. DAS ist der eigentliche Skandal und das gilt es zukünftig zu ändern. Denn was auch offensichtlich ist: für sehr viele Konstanzer ist Kino so selbstverständlich Kultur, dass man nicht auf die Idee kommt, es könnte nicht so sein. Ich zähle mich selbst zu diesen Menschen und habe erst in den Gesprächen und Diskussionen (zwischen TUA und Gemeinderatssitzung) begriffen, dass der Antrag der FGL schlicht ins Leere läuft bzw. einer ernsthaften Prüfung nicht standhält.
Auch Brechtzitate – allerdings weder mit „Unrecht“ noch mit „Gewalt“ hat das hier etwas zu tun! – konnten die „Initiative“ nicht retten. Es war ein Konglomerat, das sich an der Marktstätte den Ereignissen entgegen zu stellen versuchte: Einerseits waren da die echten Kinofreunde, andererseits hatte der Kampf gegen „Investoren“ auch eine politische Seite. Verzetteln ist für eine „Initiative“ stets der Supergau. Es beflügelt die gegnerische Seite umso breiter. Und so wurde das Scala schliesslich zu einem veritablen „Tränenpalast“ für viele Filmkunstfreunde in und um Konstanz. Ab jetzt wird Filmkunst an der Unteren Bodanstrasse gespielt, und selbstverständlich weiterhin draussen im subventionierten „Zebra“. Auf denn! Und was ist mit Herrn Lochmann aus dem schwäbischen Rudersberg? Auch er ist vorerst „Investor“, wie er sagt! Er wurde von der „Initiative“ rasch noch geordert, um als Branchenfachmann einige neue Ideen einzubringen. Hat er sich tatsächlich in die Stadt verliebt, kann er am Ball bleiben – zusammen mit der „Initiative“ und der Stadt, gar mit Herrn Rabe?! Vielleicht tut sich irgendwo in der alten Konzilsstadt doch noch ein neues filmkulturelles Fenschterle auf.
Übrigens: Was Ralf Baumann im SK-Anzeigenblatt bei dieser Gelegenheit in den Ring wirft, die Marktstätte einmal im Jahr in ein gigantisches Freiluftkino zu verwandeln – analog Locarno! – , ist ziemlich brillant. Es wäre sozusagen die „zarte kulturelle Höchststrafe“ für die Scala-Abwickler!
In der Nacht, bevor der Wald von Birnam gegen ihn anrückte, erschienen dem Macbeth die Geister der von ihm Gemordeten.
Möge es gewissen Funktionsträgern der Stadt vor den nächsten Konstanzer OB- und Gemeinderatswahlen ähnlich gehen wie den Geistern der drei Scala-Säle, der schönen großen kerngesunden Pappeln im Tägerwiler Moos und wer weiß, was bis dahin noch dazukommt…