Das tägliche Chaos – ein Erfahrungsbericht

seemoz-Verkehr(2)Heute wird es ganz schlimm: Alle SchweizerInnen haben frei und nutzen den sonnigen Tag zum Einkaufsbummel in Konstanz; Anrainer aus der Region strömen zusätzlich zum Gassenfreitag in die Niederburg und zum Weinfest auf den Stephansplatz – das Verkehrschaos ist vorprogrammiert.  Nicht zum ersten Mal in dieser Woche. Der Bericht einer treuen seemoz-Leserin vom vergangenen Dienstag (!)

„Nach einem Klinik-Aufenthalt in Baden-Württembergs fuhr ich am 29. Juli mit dem Fernbus nach Konstanz zurück. Schon ab der neuen Rheinbrücke an der Abzweigung zum Döbele begann ein nervtötender Stau. Zentimeter um Zentimeter kämpfte sich der Bus vorwärts, hinten begannen Hupkonzerte, einige der Wahnsinnsfahrer hatten die gesamte Kreuzung dicht gemacht. Ortskundige wendeten in der Europastraße oder bogen schnell noch ins Paradies ab. Ein Wagen aus Zürich stoppte am Straßenrand, was die Situation nicht unbedingt besser machte: Das kleine Töchterchen aus dem großen Auto musste dringend Pipi. Die Eltern hatten wohl nicht mit diesem Stau gerechnet. Niemand sagt den Schweizern offensichtlich, dass sie Konstanz auch per Bahn oder Bus erreichen können, der Parkplatz für das wahnsinnig attraktive Park and Ride-Angebot besticht durch seine Leere und gilt als Ruhezone.

Irrfahrt zum Döbele

Endlich erreichten wir das Döbele. Der Bus konnte nicht auf seinen Parkplatz, weil auf dem ganz deutlich als Bus-Areal ausgeschilderten Platz ein mit einem Rentnerehepaar aus dem Thurgau besetzter Wagen in der falschen Richtung entgegenkam und schließlich mühsam wendete. Endlich konnte ich den Bus mit meiner schweren Reisetasche verlassen. Ich wollte mich jetzt mit dem Taxi nach Hause bringen lassen, denn ich war noch sehr geschwächt von der OP und hatte Probleme beim Gehen.

Taxis stellen den Betrieb ein

Per Handy rief ich verschiedene Taxibetriebe an, die mir jedoch alle absagten. Taxi Haberbosch berichtete, in der Innenstadt sei der gesamte Verkehr zusammengebrochen: “So schlimm war das noch nie!” und bedauerte zutiefst, mich nicht bedienen zu können. Auch die anderen Taxibetriebe meinten: “Da kommen wir zur Zeit nicht durch, tut uns leid”. Einer empfahl, mich Richtung Bahnhof zu begeben und dort auf einen Wagen zu warten: “Irgendwann kommt da schon einer”. Ich schleppte mein Gepäck mit Mühe bis zum Bahnhof.

1,5 Stunden Verspätung

Vereinzelt trudelten Busse ein, zur Not hätte ich den Bus genommen und mich dann von der Haltestelle nach Hause geschleppt. Aber der richtige Bus kam auch nicht. Nach ich weiß nicht wie vielen Minuten näherte sich ein Taxi. Eine ältere Dame, die nach mir gekommen war, beanspruchte es für sich. Da wir die gleiche Richtung hatten, fuhren wir schließlich zusammen. Letztendlich war ich eineinhalb Stunden später zu Hause angekommen als geplant. Die für den Erfolg der OP dringend notwendige und püntkliche Medikamenteneinnahme hatte sich damit ebenfalls weit nach hinten verschoben.

Ich bin sehr empört darüber, dass die Stadt alles tut, um immer noch mehr Leute in die Stadt zu locken, die hier fleißig shoppen und konsumieren, so dass die Gewerbesteuereinnahmen reichlich fließen. Die eigenen Bürger, die hier leben und brav ihre Steuern bezahlen, haben das Nachsehen, wie sich mir ganz extrem gezeigt hat.

Konsumrausch in der Lokalredaktion

Man kann sich nicht durchringen, den öffentlichen Nahverkehr und die Stadtbusse so zu subventionieren, dass die Leute endlich ihre Autos zu Hause lassen. Stattdessen tut man alles, um sich als popelige Provinzstadt mit einer Art Großstadtflair aufzumandeln, der überhaupt nicht zu der ganz eigenen Schönheit der Stadt passt, diese vielmehr zerstört. So dass es auch hier langsam so ist, dass man selbst in bestimmten Ecken der Innenstadt durch die stets gleich gestalteten Fassaden der Mode- und Kaufhaus-Ketten nicht mehr unterscheiden kann, ob man in Wanne-Eickel oder in der Konzilstadt ist.

Durch die stets forcierte Herbeilockung von immer mehr Konsumenten in die Innenstadt ist Konstanz für mich inzwischen so unattraktiv geworden, dass ich nach getaner Arbeit möglichst schnell nur noch weg will. Übrigens wurde, so viel ich gesehen habe, im Südkurier dieser wohl größte Verkehrs-Infarkt der Innenstadt vom 29.Juli 2014 einfach totgeschwiegen. Eine solche Meldung passt eben gar nicht in die heile Welt dieser so wahnsinnig attraktiven Stadt und ihrer Lokalpolitiker, deren Maulkorb man als opportunistischer Lokalchef, der offensichtlich auch Enddarm-Bewohner des Chefredakteurs des Blattes zu sein scheint, schweigend akzeptiert. Man kann als kleiner Redaktionsleiter ja schließlich immer noch nach unten weiter treten, um sich abzureagieren.“[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autorin: Paula Panter.