Das Zweckentfremdungsverbot wird verschärft
Die gestrige Gemeinderatssitzung begann mit einigen Abschieden von sehr vertrauten Gesichtern, wobei es sicht- und hörbar sehr menschelte. Es war schon die zweite Gemeinderatssitzung in dieser Woche, und sie verlief an diesem lauen Herbstabend weitgehend entspannt. Das Thema Wohnen und Wohnungsnot beherrschte die Sitzung.
Zu den Personalien: Hans-Rudi Fischer, Leiter des Konstanzer Bürgeramtes, geht nach 47 Jahren bei der Stadt Konstanz in Rente. Und für CDU-Stadtrat Andreas Ellegast, der nach 23 Jahren auf eigenen Wunsch den Gemeinderat verlässt, rückt Joachim Filleböck nach.
Konstanz wird weiter wachsen
Nach der ausführlichen Präsentation im Technischen und Umweltausschuss (TUA) in der letzten Woche ging auch der Gemeinderat kurz auf das Gutachten zur „kleinräumigen Bevölkerungsvorausrechnung“ bis 2035 ein. Holger Reile (LLK) prognostizierte die Grenzen des Wachstums: „Natürlich hat jede(r) das Recht, hierher zuziehen, aber irgendwann ist aufgrund der fehlenden Flächen einfach Schluss,“ konstatierte er. Angesichts des für die Stadt Konstanz erwarteten erheblichen Zuzugs und der damit verbundenen Probleme auf dem Wohnungsmarkt plädierte er für eine kreisweite Lösung. „Momentan ist es ja so, dass sich die einzelnen Kommunen in unserem Landkreis argwöhnisch beäugen und sogar juristisch aufeinander losgehen, wenn das eine Städtchen glaubt, das andere nasche unerlaubt an seinem Kuchen. Wer hat das schönste Veranstaltungshaus, die größte Dichte an dm-Märkten oder die umsatzstärksten Einkaufstempel?“
Er forderte, der Landkreis müsse die entsprechende Infrastruktur bereitstellen: „Attraktive und bezahlbare Wohngebiete auch außerhalb der Wachstumsstädte wie Konstanz oder Radolfzell, eine flächendeckende Versorgung mit Kindergärten und Schulen und vor allem einen flächendeckenden, gut vernetzten ÖPNV.“
Oberbürgermeister Uli Burchardt liebt es, mit Reile Hase und Igel zu spielen, also stand er am Ende von Reiles Redebeitrag bereits im Igel-Kostüm (keine Sorge, mit Feigenblatt) am Ende der Furche und rief „Ick bün al hier!“ („Ich bin schon da!“) Er verwies auf Kontakte zu umliegenden Kommunen und wollte so suggerieren, dass das, was Reile forderte, längst im Gange sei, intensive Regio-Gespräche nämlich. Da prallten einmal mehr zwei grundverschiedene Welten aufeinander, aber Reiles Anregung scheint so abwegig nicht, wenn man nur daran denkt, wie es zwischen Konstanz und Singen angesichts der Singener Pläne für ein Einkaufszentrum funkte. Von einer über den Schatten des eigenen Kirchturms hinausgehenden regionalen Wohnungspolitik ist jedenfalls bisher wenig zu sehen.
Ungewohnte Töne kamen aus der CDU, als Sabine Feist beklagte, angesichts der derzeitigen Entwicklung der Schwarmstadt Konstanz wanderten Familien und Betriebe aus Konstanz ab. „Übrig bleiben am Ende nur Reiche, Senioren, Studenten und Hartz-IVler.“ Was stört die CDU daran? Man braucht von den Genannten doch nur die Studenten und Hartz-IV-Empfänger nach Radolfzell zu deportieren, schon kriegt die Konstanzer CDU bei Wahlen mindestens 80%. Die CDU muss endlich lernen, den demographischen Wandel nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu verstehen. Sabine Feist forderte außerdem, einen Zukunftsdialog mit der Bürgerschaft aufzunehmen, um die Entwicklungsziele gemeinsam zu formulieren.
Jürgen Faden (FWK) wollte es nicht beim Reden belassen und schlug gleich einen ersten Schritt gegen die Konstanzer Wohnungsnot vor: Er habe neulich bei Stahringen schöne Wohnungen gesehen. Der Linke Holger Reile, der den Leuten das Wohnen in Konstanz verbieten wolle, solle doch gefälligst dort hinziehen.
Die Raffzähne ziehen
Die Konstanzer Zweckentfremdungsatzung wurde am 03.03.2015 beschlossen. Sie soll unter anderem verhindern, dass normaler Wohnraum in noch viel profitablere Ferienwohnungen umgewandelt wird. Dort heißt es: „Eine Zweckentfremdung liegt in der Regel nicht vor, wenn […] Wohnraum weniger als sechs Monate im Jahr als Ferienwohnung genutzt und ansonsten dauerhaft als Wohnraum verwendet bzw. vermietet wird.“ Also gilt für raffgierige Immobilienbesitzer: In der guten Jahreszeit die Touris mit einer Fewo abzocken, und wenn’s denen in der schlechten Jahreszeit am See nicht gefällt, noch mal für sechs Monate plus einen Tag ordentlich Kohle mit Studis machen. Und das mit den sechs Monaten wird schon eh niemand so richtig nachprüfen.
Beim zuständigen Baurechts- und Denkmalamt häufen sich die Fälle einer solchen knapp sechsmonatigen Nutzung als Ferienwohnung, und das hat ein ziemliches Geschmäckle. Abgesehen davon – eine vernünftige Versorgung mit Wohnraum ist das natürlich nicht. Deshalb wurde dem Gemeinderat jetzt auf Antrag der SPD von der Verwaltung ein Änderungsvorschlag vorgelegt: Statt sechs Monaten soll eine solche Quasi-Zwischennutzung als Ferienwohnung nur noch für sechs Wochen im Jahr erlaubt sein. Wer in den Urlaub fährt, kann seine Wohnung also weiterhin für diese Zeit untervermieten, aber die Raffzähne unter den Vermietern haben in die Röhre geschaut.
Herbert Weber (SPD), Vorkämpfer der Konstanzer Mieter, bezeichnete sich selbst als Esel, weil er damals dieser Sechs-Monats-Regel zugestimmt hatte, lobte den jetzigen Verwaltungsvorschlag und verwies auf das Beispiel der Stadt München, wo die Frist ebenfalls sechs Wochen betrage.
Der Oberbürgermeister stimmte bei diesem Tagesordnungspunkt mit ab und begründete sein Votum eigens: Er habe zwar Schmerzen, weil es sich hierbei um einen Eingriff ins Eigentum handele, aber angesichts der Zustände auf dem Wohnungsmarkt werde er trotzdem zustimmen. Für die CDU kündigte Matthias Heider Enthaltung an. Er führte den Schutz des Eigentums an und beklagte den großen bürokratischen Aufwand, aber … der Rest seines Beitrags war von der Pressebank aus leider nicht zu verstehen. Die FDP kündigte hingegen Widerstand an. Heinrich Everke behauptete, das Zweckentfremdungsverbot funktioniere nicht gut, und außerdem sei die FDP für mehr Flexibilität statt starrer Regeln.
Die Abstimmung fiel am Ende sehr deutlich aus: Es gab 5 Nein-Stimmen (Jürgen Faden von den Freien Wählern, Heinrich Everke, Johann Hartwich und Michael Fendrich von der FDP sowie ein CDU-Rat, vermutlich Andreas Ellegast), dazu kamen sieben Enthaltungen aus den Reihen von CDU und FWK. Der Rest war dafür.
Im März 2020 läuft das Zweckentfremdungsverbot aus und muss dann vom Rat neu beschlossen werden. Nachdem es 2015 mit nur einer Stimme Mehrheit beschlossen wurde, gab diese gestrige Abstimmung ein wenig Hoffnung, dass es 2020 verlängert werden könnte. Allerdings hängt das auch davon ab, wie die Gemeinderatswahlen 2019 ausgehen werden, bei denen das Thema Wohnen, Ferienwohnungen und Mieten in den Mittelpunkt rücken dürfte.
Während der Debatte rief Herbert Weber enthusiastisch dazwischen „Eigentum verpflichtet, das steht im Grundgesetz“ und Roger Tscheulin (CDU) grantelte zurück: „Danke!“ Da blitzten sie wieder auf, die Lagerwahlkämpfe der siebziger Jahre. Damals aber waren sich CDU und SPD wenigstens noch in einem Punkt einig: Wer sich auf die Verfassung beruft, ist ein Verfassungsfeind.
O. Pugliese
Airbnb und die Stadt Dortmund haben sich über eine Bettensteuer geeinigt. Die Stadt fordert 7,5% des Übernachtungspreises bei privaten Übernachtungen. Bislang mussten die Airbnb-Gastgeber die Bettensteuer von ihren privat reisenden Gästen kassieren und bei der Stadtkasse einzahlen. Das wurde gern und allzu oft vergessen. Ab Januar 2018 kassiert Airbnb die Bettensteuer direkt und reicht das Geld an die Stadkasse weiter. Ein Zweckentfremdungsverbot ist ja ganz nett wenn es durchgesetzt wird, aber es wird wohl nicht durchgesetzt. Da hilft nur die Gleichstellung mit gewerblichen Vermietern Was den weiteren Zuzugsdruck nach Konstanz betrifft hilft ein Blick auf die ÖPNV-Tarife. Wer, wie Studenten der Uni Konstanz oder auch Berufspendler, für mindestens zwei Verkehrsverbünde ein Ticket (bzw. studiTicket) braucht, wird natürlich eher in der Stadt wohnen wollen oder müssen, weil z.B. mit dem Rad viele Ziele gut und billig zu erreichen sind.
Nach dem Modell der Bodensee-S-Bahn, „rund um den See“ könnte bei günstigen Tarifen eine deutliche Entlastung entstehen.
Touristen bezahlen Tagespreise von nur 40 Cent für das ganze Netz mit der VHB Gästekarte oder 75 Cent (ÖPNV) Anteil von Lindau bis Bodman-Ludwigshafen (EBC). Ich empfehle sich einmal das Tarifmodell des Vorarlberger Verkehrsverbund (www.vmobil.at) anzusehen und in dem Zusammenhang auch über Wohnungen im Umland nachzudenken.