Deftige Abstriche am Festprogramm
„Da der Gemeinderat vom touristischen Gesamtprojekt „Erlebbares Mittelalter“ nicht überzeugt ist, wird es aufgelöst.“ So schmucklos wird eines der Hauptprojekte der geplanten Konstanzer Konzilfeierlichkeiten beerdigt. Nachzulesen in einer Vorlage des „Eigenbetriebs Konzilstadt Konstanz“ zur nächsten Sitzung im Betriebsausschuss Konzilstadt Konstanz am kommenden Dienstag. Man könnte auch sagen: Die Konzilsause wird gehörig abgespeckt. Oder: Kritiker setzen sich durch
Doch damit nicht genug der Rückzieher von Ruth Bader, Chef-Organisatorin der geplanten Konstanzer Konzilfeierlichkeiten: Auch das Teilprojekt „Garküche“ (da sollte auf dem Münsterplatz mittelalterlich gekocht und gebacken werden) wird aus der städtischen Planung gestrichen – es fand sich offensichtlich kein Küchenchef. Auch die ohnehin schon eingedampfte „Woche des Handwerks“ driftet ab: Mit der Handwerkskammer soll zunächst eine Konzeption entwickelt und sollen Sponsoren geworben werden. Wieso dafür aber 25 000 Euro in den Wirtschaftsplan eingestellt werden, bleibt schleierhaft.
Die „Lädine“ säuft ab
Und weiter heißt es in der Vorlage: „Das Projekt „Lädine“ wird in der Jubiläumsplanung zunächst zurückgestellt“. Dieser Abschied auf Raten ist wohl auch der veränderten Umbauplanung des Konzilvorfeldes geschuldet. Man erinnert sich: Die Wiese vor dem Konzilgebäude sollte eingeebnet und als Werftplatz für den Mittelalter-Segler hergerichtet werden. Nach heftigen Bürgerprotesten hatte Baubürgermeister Werner den Plan begraben (seemoz berichtete mehrfach) – nun soll, so wird es in der Vorlage umschrieben, erst mal „Finanzierung und Umsetzung geklärt werden“, bevor das Projekt womöglich neu präsentiert wird.
Neue Ideen aus dem Hut
Wie sehr die Planung für die Konzilsause ins Schlingern geraten ist, erweist sich auch an neuen Ideen, die Ruth Bader unversehens aus dem Hut zaubert: Von Programmen „Zukunft der Menschheit“, „Minne meets poetry slam“ oder dem Bürgerprojekt „Wir sind Konzil“ (das liegt nahe, nachdem wir nicht mehr Papst sind) ist plötzlich die Rede. Niemand weiß so recht, was diese Programme bezwecken, wer sie realisieren, vor allem aber, wer sie bezahlen soll.
Auch zeitlich soll das Spektakel abgespeckt werden und nun schon am 22. April 2018, knapp ein halbes Jahr früher als ursprünglich geplant, enden. Das würde immerhin 500 000 Euro ersparen. Insgesamt lassen die deftigen Abstriche am Festprogramm schon jetzt eine Ersparnis in Millionenhöhe erwarten. Auch in dieser Hinsicht hat die andauernde Kritik offensichtlich genützt: Jetzt soll verstärkt nach Fremdmitteln Ausschau gehalten und Sponsoren (vielleicht macht ja der neue Papst noch ein paar Euronen locker) sollen ins Boot geholt werden. Dennoch werden weiterhin bis 2018 städtische Mittel von 5,9 Millionen € beansprucht – eine Summe, die wohl kaum wieder eingenommen werden dürfte.
Autor: hpk
Weitere Links:
Jürgen Leipold zum Konziljubiläum: Weniger wäre mehr
Nach zahlreichen Nachfragen aufmerksamer Leser: Das Bild zeigt Oswald von Wolkenstein (s. Wolkensteinsaal im Kulturzentrum): Ein Tiroler Ritter, dazumal weit berühmt als Sänger, Komponist und Literat, der von Sibirien über Schottland bis Spanien alle mittelalterlichen Feste bereiste und seine Künste darbot. Und eben auch auf dem Konzil zu Konstanz. Ein sinnesfroher, trinkfreudiger, raufboldiger Künstler, dessen Texte sich noch heute zu lesen lohnen. Wir fanden: Das passt zu seemoz.
lieber herr rügert,
ich finde es ja toll, dass sie sich einmischen und die jeweilige position der stadt versuchen zu erläutern. doch zum thema konziljubiläum gibt es einiges anzumerken: sie erinnern sich evt., dass ich schon vor fast zwei jahren die überzogenen pläne kritisiert habe. und was ist nun? eines der angeblichen hauptprojekte – „erlebbares mittelalter“ (bau einer lädine, garküche und mittelalterjahrmarkt) – ist fast völlig in sich zusammen gebrochen. gerade noch rechtzeitig, denn diese ideen für hunderttausende euro waren durchgängig grotesk. wenn sich nun im rat auch andere langsam besinnen, dann ist das zu begrüßen. andererseits: möchten sie mal ausrechnen, was es an zeit und geld gekostet hat, fast zwei jahre lang an diesen hirngespinsten festzuhalten? wg „zukunft der menschheit“: da ist noch überhaupt nicht klar, was da laufen soll. aber vorsorglich schon mal 150 000 euro einplanen! auf meine frage an das organisationsteam, was man unter diesem projekt zu verstehen habe, kam lediglich die antwort, dass man noch nichts konkretes im köcher hätte. und nun ein neues „bürgerprojekt“ mit dem – sorry – grenzdebilen arbeitstitel „wir sind konzil“. peinlicher, werter herr rügert, geht es wohl kaum. ich bin wirklich gespannt, was da noch alles um die ecke kommt. ich weiß allerdings längst, dass einige spannende und kritische themen (macht und einfluss der kirchen und klöster, unterdrückung der bevölkerung usw.) schon im vorfeld weitestgehend ausgeklammert wurden und ab 2014 ein jahrmarkt der beliebigkeiten, zugeschnitten auf konservativ-bürgerliche bedürfnisse, fröhliche urständ`feiern möchte. zahlen dafür dürfen dann auch bürgerInnen, die bspw. keine bezahlbare wohnung mehr finden in unserer stadt und sich zunehmend wundern, was sich die satten gerne alles auf ihre kosten genehmigen möchten. ich bleibe weiterhin dabei: deckelung der städtischen kosten bei maximal 3 millionen euro, verschlankung des programms und zeitliche verkürzung des ganzen zaubers. noch ist zeit, die reissleine zu ziehen.
mit freundlichen grüßen
holger reile
Bei den als „neue Ideen“ bezeichneten Projekten handelt es sich um Vorhaben in 2018 zum Abschluss des Konziljubiläums. Die Ideen sind keineswegs „unversehens aus dem Hut gezaubert“. „Minne meets poetry slam“ findet sich bereits in den Programmvorschlägen aus dem Jahr 2009. „Zukunft der Menschheit“ wurde mehrfach im Betriebsausschuss und Gemeinderat vorgestellt. Auch das Bürgerprojekt war bereits Bestandteil der Präsentation im Dezember 2012.
Als Projekt mit vielen Partnern über einen langen Zeitraum kann es im Übrigen im Programm des Konziljubiläums immer wieder Änderungen geben. Die Projekte der Jahre 2016 bis 2018 befinden sich momentan noch in der Konzeptionsphase.
Walter Rügert (Pressereferent Stadt Konstanz)
Frau Bader propagiert immer wieder mühlenartig und fantasiereich den Begriff „Fest für alle“. Wen meint sie wohl damit? Alleine die Vereinnahmung von „allen“, wozu auch die zahlreichen kritischen Bürger gehören, ist eine Anmaßung. Mit diesem Fantasiebegriff kann man vielleicht bei unseren leichtgläubigen Stadträten, die für das „Fest“ viele Millionen Steuergelder locker machen, landen.
Wichtige Verkehrsprojekte werden schon seit Jahren aus finanziellen Gründen immer wieder wegen fehlenden Finanzen nachrangig behandelt (Z-Brücke Petershausen, Provisorium Begegnungszone Bahnhof, Ausbau Sternenplatzhaltestelle usw.). Wie arm eine Stadt ist, sieht man leicht am Zustand der Straßen, deren Flickenteppich sich immer mehr ausweitet. Selbst der von Touristen gut frequentierte Vorplatz des Konzilgebäudes ist schon seit vielen Jahren eine berühmt, berüchtigte Stolperfalle für Fußgänger.