Dem Weltenbrand die Stirn bieten
Über den kommenden Sitzungen des Gemeinderates und seiner Ausschüsse weht der Mantel der Geschichte: Die Konstanzer Klimastrategie soll jetzt langsam und halbwegs endgültig festgezurrt werden. Eins ist klar: Die eigentlich dringend notwendige Klimaneutralität bis 2030 wird wie beschlossen nicht angestrebt, Ziel der Verwaltung und der Lokalpolitik ist und bleibt „das Erreichen der weitgehenden Klimaneutralität bis 2035“.
Eine „weitgehende“ Klimaneutralität bis 2035 anzustreben, das ist natürlich ein ausgesprochen wachsweiches Ziel, das sehr viel Interpretationsspielraum lässt. Uli Burchardt, falls er 2035 noch im Amt ist, könnte das die Möglichkeit bieten, sich den Medien wieder einmal als OB von Deutschlands klimafreundlichster Kommune zu präsentieren. Dass er das dann lieber in seinem schattigen Amtszimmer statt an der Hafenmole vor der spektakulären Kulisse des bis dahin halb verdampften Bodensees tun könnte, ist übrigens eine Unterstellung, die sich gar nicht entschieden genug zurückweisen lässt.
Strategie und langer Atem
Immerhin hat der Konstanzer Gemeinderat bereits am 02.05.2019 den Klimanotstand ausgerufen, und es wird derzeit immer noch versucht festzulegen, was das eigentlich heißt und was die Kommune denn nun am Ende tun müsse und könne. Angesichts der Dringlichkeit des Problems, immerhin geht es um nicht weniger als den partiellen Weltuntergang, erscheint das als ziemlich langsam.
Lorenz Heublein von der Stabsstelle Klimaschutz hat in seiner Sitzungsvorlage die nächsten Schritte und Entscheidungen in Richtung auf mehr Klimaschutz definiert, wie sie das beratende Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) angeregt hatte. Wie also soll das am 11.03.2021 beschlossene „Klima-Plus-Zielszenario“ erreicht werden? Ein Zielszenario, das übrigens den Engagierten aus der nachwachsenden Generation, die das alles auszubaden hat, als zu wenig ambitioniert erscheint.
Demokratie ist mühsam, und darum sind zahlreiche weitere Entscheidungs- und Arbeitsschritte nötig, bis tatsächlich größere Maßnahmen in Angriff genommen werden können. Die Latte liegt hoch, und in der Sitzungsvorlage heißt es: „Mit seinen einstimmigen Klimanotstandsbeschlüssen vom 02.05.2019 erkannte der Konstanzer Gemeinderat die Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von höchster Priorität an und unterstrich, dass die bisherigen Planungen nicht ausreichen, um die Erderwärmung gemäß Pariser Klimaabkommen auf deutlich unter 2 Grad Celsius (besser 1,5 Grad) zu begrenzen.“
Reichen die neuen Planungen aus, um die Klimakrise noch zu verhindern? Nicht nur Fridays for Future ist da skeptisch. Die Frage ist nicht nur, ob die Zeit für weitere Planungen und Arbeitsgruppen-Workshops noch da ist. Auch national und international ist wenig zu hoffen, denn das menschliche Bewusstsein hat offenkundig selbst angesichts des drohenden Menschheitsuntergangs einen Wendekreis wie ein Supertanker. Während überall das Propagandageschrei der plötzlich ergrünten Wendehälse ertönt, ist der sichtbarste Erfolg der letzten Jahre die Rückentwicklung der Bahn auf ein gehobenes Drittweltniveau. Während vielerorts immens teure Straßenbauprojekte für noch mehr Autos vorangetrieben werden, rollen heillos verspätete Züge mit akkurat verschlossenen Toiletten durch das Land, werden die Autos immer größer – und erreichen innerstädtische Radwege oft gerade mal Handtuchbreite. Von einer Wende ist – abgesehen von viel Eigenlob – bislang wenig zu spüren.
Immerhin, die Konstanzer Akteure haben sich im Jahr 2021 in sieben Workshops mit Themen wie beispielsweise Energie, Tourismus und Mobilität auseinandergesetzt. Jetzt wird ein eigener „Konstanzer Weg“ eingeschlagen. Wozu Akteure auf kommunaler, Landes- und Bundesebene mit viel Zeit- und Kostenaufwand eigene Wege entwickeln müssen, erschließt sich Außenstehenden zumindest bei manchen Handlungsfeldern nicht auf den ersten Blick. Das Sperren der Innenstädte für weit überwiegende Teile des Autoverkehrs oder die Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden scheinen für das Auge des Laien keine Räder zu sein, die täglich und allerorten unter maximalem Propagandagetöse neu ersonnen werden müssten.
Maßnahmen in der Niederburg, nicht in Timbuktu
Immerhin will Konstanz nicht schummeln, das heißt, es soll tatsächlich hier vor Ort klimafreundlicher zugehen. Andere Akteure setzen ja auf Ausgleichsmaßnahmen in anderen (vor allem ärmeren) Ländern, in denen sie ein paar Elektrobusse anschaffen oder Solarzellen auf Dächer schrauben, um bei sich daheim bloß nichts ändern zu müssen. Konstanz hingegen will eine Reduktion der territorialen Treibhausgasemissionen um 90% erreichen, „ohne dass die Anrechnung von Maßnahmen, die sich nicht in der territorialen CO2-Bilanz nach BISKO-Systematik niederschlagen (z.B. Kompensation) erlaubt wäre. Der Schwerpunkt liegt also klar auf vor Ort umzusetzenden Maßnahmen, ohne die der Klimaschutz insgesamt nicht funktionieren kann. Klimaneutralität muss letztlich weltweit erreicht werden“.
Natürlich kann eine Kommune nicht alle Parameter beeinflussen, aber das Gutachten von ifeu schätzt den „Einfluss der Stadt Konstanz auf die unmittelbar durch Energienutzung im Stadtgebiet verursachten Treibhausgasemissionen auf 20 bis 50%. Nicht zu unterschätzen ist darüber hinaus die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand.“
Ab 2022 sollen einige Projekte mit höchster Priorität angegangen werden, dazu zählen:
– Der Ausbau von Photovoltaikanlagen auf eigenen Dach- und Freiflächen. Besonders geeignete „Sofort-Dächer“ sollen 2023/24 bebaut werden – sofern sich Firmen finden, die Angebote zu realistischen Preisen vorlegen. Man darf nämlich nicht vergessen, dass umfangreichere Modernisierungsprogramme bei Bauwirtschaft und Handwerkerschaft die Dollarzeichen in den Augen in einer Helligkeit aufblinken lassen, die sonst nur ausgewachsene Atompilze erreichen.
– Der Ausbau der strategischen Wärmeplanung und von Wärmenetzen. In Konstanz werden bisher nur 6% der Wärme erneuerbar produziert (auch der Bundesdurchschnitt liegt bei nur 13%), da ließe sich also einiges machen, sofern die Stadtwerke mitziehen.
– Integrierte Quartierskonzepte und Stellen zum Sanierungsmanagement. Nachdem in den letzten Jahren der Schwerpunkt der Planungen Neubauten wie dem Hafner galt, muss jetzt auch der Altbestand etwa in Stadelhofen saniert werden, der großes „Treibhausgasminderungspotenzial“ besitzen. Etwa „80% der territorialen CO2-Bilanz entfallen auf Energieverbräuche von Gebäuden und öffentlicher Infrastruktur, die innerstädtische Mobilität macht ‚nur‘ etwa 20% aus“.
– Die Schaffung von Vorrangnetzen für aktive Mobilität und Erstellung des Klimamobilitätsplans. Das heißt: Vorfahrt für Busse, FußgängerInnen und RadfahrerInnen. Wer aber das Schmerzensgewinsel der Verwaltung im Ohr hat, wenn es „nur“ darum geht, etwa die Ampelschaltungen zugunsten von Rad- und Fußverkehr zu verändern, zweifelt daran, dass es jemals zu aktiver Mobilität kommen wird, es sei denn, die Autos stürben plötzlich aus. Immerhin verhieße ein aber erhöhte LGVFG-Förderquoten „(Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, 75% statt 50%)“, was der Verwaltung die Sache schmackhafter machen dürfte, denn Fördergelder sind ja Oblate, Abendmahlskelch und Weihwasser aller gläubigen StadtplanerInnen.
Ohne Moos nix los
Natürlich aber braucht es, damit die Stadt ihren Part stemmen kann, so steht es laut und deutlich in der Vorlage, Geld, viel Geld, und das soll natürlich nicht zuletzt von außen kommen – Bund, Land, aber wohl auch die EU sind gefragt. Je nach Stand der Geldmittel müssen dann die einzelnen Schritte der Stadt jeweils noch vom Gemeinderat abgesegnet werden, denn die Klimaschutzstrategie gibt nur die Richtung vor, ist aber noch kein endgültiger Maßnahmenkatalog, der in einem Rutsch beschlossen werden könnte. Die ersten konkreten Schritte soll der Gemeinderat dann im Dezember bewilligen.
Spätestens bei den Abstimmungen über kostspielige Einzelmaßnahmen haben etwaige Bremser, Betonköpfe und Bleifüße wieder eine Chance, missliebige Klimamaßnahmen unter Verweis auf mangelndes Geld zu verhindern. Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs? Unbezahlbar! Autofreie Innenstadt? Aber die Kunden wollen doch ihre neuen Schrankwände nicht bis zum Parkplatz am Schänzle schleppen!
Aller Voraussicht nach wird der Konstanzer Gemeinderat die Klimaschutzstrategie am Donnerstag praktisch einstimmig beschließen. Es bleibt abzuwarten, was daraus praktisch folgt – was das alles am Ende für das Klima bringt, werden wir in ein paar Jahren am eigenen Leibe erfahren.
– Die Sitzungsvorlage finden Sie hier.
– Die eigentliche Klimaschutzstrategie von ifeu finden Sie hier unter „Klimaschutzstrategie: Endbericht“.
Text: O. Pugliese, Symbolbild: Pixabay
Keine Gemeinde, die so viel Fläche betonieren will wie Konstanz, kann jemals klimaneutral werden. Dieser CO2 Rucksack kann nicht mehr eingespart werden.
Der Satz:…..Ab 2022 sollen einige Projekte mit höchster Priorität angegangen werden, dazu zählen:
– Der Ausbau von Photovoltaikanlagen auf eigenen Dach- und Freiflächen. Besonders geeignete „Sofort-Dächer“ sollen 2023/24 bebaut werden – sofern sich Firmen finden,
klingt ja ganz Vielversprechend, aber….
auch der Gemeinderat KN mit dem jetzigen OB wird die LBO (Landesbauverordnung) nicht im Alleingang ändern können.
Jeder der einmal versucht hat diese länderspezifische Bauverordnung zu lesen und zu verstehen wird das Einsehen haben müssen, dass der Hebel viel weiter oben anzusetzen ist.
Hier ist ein Bild zum Artikel mit bösen Kühltürmen aus denen Wasserdampf emporsteigt und kein konzentriertes CO2 natürlich viel medienwirksamer.
Wir haben ja in der Landespolitik viele umweltbewusste Abgeordnete und auch einen politisch Grünen Landesvater
hier sollte die grosse Kritik adressiert werden.
Auch wenn die Kommunalpolitiker willens sein sollten in KN eine Seewasser- und Wärmenutzung z. B. für die Innenstadt auf den Weg zu bringen, werden Sie durch die Hürden (Hindernisse) der Vorschriften eingebremst werden.
Dann sind aber vermutlich die Unternehmer schuld weil Sie nicht gratis Arbeiten wollen und können.