Demo am Radolfzeller Kriegerdenkmal geplant
Jährlich finden am Luisenplatz in Radolfzell, direkt neben einem NS-Kriegerdenkmal, das auch an über 100 SS-Angehörige erinnert, die offiziellen Zeremonien der Stadt Radolfzell zum „Volkstrauertag“ statt. Im letzten Jahr gab es dort eine Spontan-Demonstration und einen Polizeieinsatz, wie unser Foto belegt. Jetzt soll am 21. April 2018 eine antifaschistische Demonstration eben dorthin, zum Luisenplatz, führen. Aus dem Aufruf der OrganisatorInnen:
Eine antifaschistische Kundgebung am 19.11.2017 („Volkstrauertag“) sollte über die NS-Vergangenheit von Radolfzell sowie das Radolfzeller Kriegerdenkmal und örtliche Neonazi-Strukturen aufklären. Aus einem fadenscheinigen Grund konstruierte die Stadt Radolfzell damals einen Vorwand, um die Kundgebung zu verbieten: Von unbekannten Personen angebrachte Plakate bedrohten die „öffentliche Sicherheit und Ordnung“, und weil „weitere Rechtsbrüche zu erwarten waren“.
Das Verbot wurde der Anmelderin am Freitag, dem 17.11.2017 gegen Mittag, also ungefähr zu Büroschlusszeiten der Anwaltskanzleien zugeschickt, wodurch ein rechtliches Vorgehen gegen das Verbot nicht mehr möglich war. Als sich am geplanten Tag der Kundgebung 20 AntifaschistInnen spontan versammelten, um gegen das Verbot und die Behördenwillkür zu demonstrieren, wurden sie unter Einsatz von ca. 40 PolizistInnen und zwei Hunden gekesselt. Mehrere vermeintliche „Rädelsführer“ wurden unter Gewaltanwendung in Gewahrsam genommen (Anzeige wegen Widerstandes), einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen und mit Bußgeldern belegt.
Der Einsatzleiter konnte während der gesamten polizeilichen Maßnahme keine rechtliche Grundlage für die Auflösung der Spontandemonstration nennen.
Radolfzeller Widersprüche
Radolfzell ist eine Stadt, die ein „Bürgerbündnis für Demokratie“ fördert. Aber die Stadt setzt sich ohne zu zögern über geltendes Recht hinweg, um antifaschistisches Engagement zu blockieren. Auch der Umgang mit der verabscheuungswürdigen NS-Vergangenheit Radolfzells, das sich als Ausbildungsstätte für SS-Angehörige hervorgetan hat, und eine Außenstelle des KZs Dachau beherbergte, spricht Bände für die Politik der Radolfzeller Stadtverwaltung, die eine kritische Auseinandersetzung scheut, Pseudo-Engagement als demokratisches Feigenblatt fördert und Neonazis ignoriert.
So befindet sich an prominenter Stelle in Radolfzell auf dem Luisenplatz eine mehrere Meter hohe Statue, welche 1938 von den Nazis errichtet wurde und zwei Wehrmachtssoldaten zeigt. 1958 wurde zudem eine Gedenktafel in Erinnerung an über 100 in Radolfzell stationierte und im Zweiten Weltkrieg gefallene SS-Soldaten an dem Denkmal angebracht. An eben diesem Platz, neben diesem Mahnmal für die Täter des Vernichtungskrieges und der Shoah, wird von den Offiziellen der Stadt der „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ gedacht.
Auf dem rechten Auge blind
Proteste und Kritik an diesen Zuständen werden von der Stadt ignoriert und kriminalisiert. Die Neonazis des „III. Wegs“, die in Radolfzell aktiv sind und eben jenes Denkmal zum Veranstaltungsort ihres geschichtsrevisionistischen „Heldengedenkens“ missbrauchen, bleiben dagegen unbehelligt. Um dem Treiben der Stadt Radolfzell etwas entgegenzusetzen, um antifaschistischen Protest in die Öffentlichkeit zu tragen, planen Antifaschisten neben einem lokalen Bündnis jetzt eine Demonstration, bei der die Kritik an diesen urdeutschen Verhältnissen öffentlich gemacht werden soll – weil antifaschistischer Protest sich nicht unterkriegen lassen darf, weil Repression nicht einfach hingenommen werden kann, weil die NS-Vergangenheit aufgearbeitet werden muss, weil Mörder kein Gedenken verdienen.
Die Demonstration soll am Samstag, 21. April, in Radolfzell stattfinden, Treffpunkt ist am Bahnhof um 14 Uhr.
MM (Foto: jüg)
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