Demo gegen die AfD und die Angst vor dem Notfall-Koffer
Bei einer Veranstaltung der AfD vergangenen Donnerstag in Rottweil trat auch der bundesweit bekannte Rechtsextremist Björn Höcke als Redner auf. Dagegen protestierten rund 1200 Menschen vor der Rottweiler Stadthalle. Luigi Pantisano hielt dort für die Linke eine bemerkenswerte Rede, die wir hier im Wortlaut veröffentlichen.
„Wir haben Zuhause einen „Für den Fall, dass – Koffer“. Darin befinden sich die Reise-, und Impfpässe unserer Familie. Etwas Bargeld, Medizin, ein Fotoalbum, eine Liste mit Kontakten im Aus- und Inland. Und unser Testament. Für den Fall, dass wir schnell das Land verlassen müssen. Wir haben diesen Koffer schon länger. (…) Am Sonntag hat die rechtsextreme Partei AfD in Sonneberg die erste Landratswahl in Deutschland gewonnen. Mein erster Impuls war, unseren „Koffer“ zu checken.“
Dieser Textauszug stammt von der Afrodeutschen Autorin Tupoka Ogette, den sie nach der Wahl in Sonneberg geschrieben hat. Viele Menschen mit Schwarzen Haaren, dunklen Augen, einem Bart, die in Deutschland leben, tragen einen solchen „Für den Fall, dass – Koffer“ mit sich. Manche ganz real und sehr viele in Gedanken und im Herzen. Viele von ihnen fühlen sich alleine gelassen. Sie zweifeln an diesem Land, welches ihnen eine Heimat sein sollte, sich aber in den letzten Jahren immer mehr von ihnen entfremdet hat.
Sie fühlen sich ausgegrenzt und nicht mehr verstanden. Nicht willkommen im eigenen Land, in dem sie geboren sind, die Schule besucht haben, dessen Sprache sie sprechen. Das ist die Folge eines immer stärker werdenden Rassismus in Deutschland. Rassismus wird zur Normalität. Es hat sich eingeschlichen und verbreitet sich in unserem Alltag. Ein Rassismus, der den Boden zum Anschlag von Hanau bereitet hat. Wie auch schon in Halle, in Kassel, in München, bei den NSU-Morden und den 200 anderen Morden seit 1990, die einen rassistischen Hintergrund hatten.
Hinzu kommen rechte Terrorgruppen, Anschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten, Moscheen und Synagogen. Deutschland hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg das Ziel gesetzt, dass sich Faschismus nach der Vernichtung von sechs Millionen Juden und insgesamt 30 Millionen toter Menschen NIE WIEDER ausbreiten solle. Eine wehrhafte Demokratie sollte Deutschland sein. Wehret den Anfängen! 75 Jahre später später stellen wir fest, dass Deutschland noch weit entfernt ist von diesem Ziel. Viel zu lange wurde es schulterzuckend hingenommen, dass Einwanderer der 1960er Jahre – so wie meine Eltern – in Deutschland als Gäste galten.
In vielen Städten sind Quartiere entstanden, in denen Migrant:innen hier und Deutsche dort leben. Es wird weggeschaut, wenn heute noch Schüler:innen in Deutschland in einem dreigliedrigen Schulsystem getrennt werden. Bis heute dürfen sehr viele Menschen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, nicht wählen. Die Anliegen, Sorgen und Träume der über 20 Millionen Migrant:innen fallen in den gesellschaftlichen Debatten oft unter den Tisch. Hinzu kommt, dass die Politik immer mehr auf die Leistungsfähigkeit der Menschen und nicht auf ihre Bedürfnisse setzt. Das Mantra des höher, weiter, schneller befördert eine Konkurrenzgesellschaft, in der sich die Stärkeren gegen die Schwächeren durchsetzen müssen. Im Kleinen wie im Großen.
Mensch und Natur werden weltweit ausgebeutet. Das befeuert einerseits die Klimakrise und führt andererseits zu brutalen Kriegen. In einer solchen Situation haben rechte Hassprediger leichtes Spiel. Hinzu kommen Kampagnen gegen die sogenannte „doppelte Staatsbürgerschaft“, Slogans wie „Kinder statt Inder“ und Debatten über eine Deutsche „Leitkultur“ bestimmen bis heute den Diskurs. Diese Debatten haben Stück für Stück und Jahr für Jahr den Boden für die rassistische AfD bereitet. Die AfD kann heute ihre menschenfeindliche Hetze auf Podien, an Rednerpulten wie hier in Rottweil verbreiten. Viele jubeln der AfD zu. Sie haben die rassistische Stimmung befeuert und den rechten Terroristen in München, Halle und Hanau die Anleitung für Anschläge zur Hand gegeben.
Die AfD hält das Streichholz derjenigen, die Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, Synagogen und Moscheen verüben. Diejenigen, die sich Rassisten in den Weg stellen, werden hingegen oft kriminalisiert. Die AfD muss konsequent ausgegrenzt werden. Sie müssen zu spüren bekommen, dass sie nicht dazu gehören, dass sie mit ihrer Ideologie niemals Fuß fassen können in unseren Institutionen, Vereinen und Freundeskreisen. Der bestehende strukturelle und institutionelle Rassismus in Deutschland muss zusätzlich aufgedeckt und beseitigt werden. Politik, Polizei und andere Institutionen müssen konsequent gegen den Rassismus in den eigenen Reihen vorgehen.
Rassistische Sprache, Bilder oder Begriffe dürfen keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft haben. In Zeiten der Klimakrise ist es wichtig, dass der notwendige ökologische Umbau nicht auf Kosten der Schwächsten und Minderheiten stattfindet. Soziale und ökologische Politik müssen zusammen gedacht werden. Der Wohlstand muss allen zu gute kommen und nicht nur Wenigen, dann hat die AfD keine Chance als Gewinnerin aus diesem Umbruch hervorzugehen. Alle Demokrat:innen müssen zusammen stehen und dafür sorgen, dass Strukturen sich ändern, Rassismus nicht unkommentiert bleibt und von Rassismus betroffene Menschen vor der AfD geschützt werden
Ich habe eine Nachricht an Björn Höcke: Die Worte „NIE WIEDER“ sind für uns eine Verpflichtung. Wir stellen uns Euch in den Weg, auf der Straße und im Parlament. Für Rassisten und Nazis gibt es hier keinen Platz. Nazis raus!
Text: Luigi Pantisano
Bild: W. Mossmann
Das mit dem Notfallkoffer ist in Deutschland sicher keine schlechte Idee. Vor allem, wenn man mal genauer darüber nachdenkt, was es heisst, wenn die Ampelregierung zukünftig die Bevölkerung für Aufrüstung, Kriegstreiberei, Sozialabbau und Klimachaos „abholen“ und „mitnehmen“ will. Dass sie mit ihrer Politik auch noch Steigbügelhalter für die AFD sind, setzt dem ganzen Kommunikationsdesaster noch die Krone auf
Auch unser Notkoffer ist schon lange griffbereit, obwohl wir keine Migranten sind. Wer weiß, wie schnell es mal für alle gehen muss. Was ein Desaster!
Es darf keinen Platz für Faschisten und Rassismus geben.
Wichtige und couragierte Worte letzten Donnerstag von der Straße gegen eine Veranstaltung, bei der Rechtsradikale hetzen. Zur gleichen Zeit tagt der Konstanzer Gemeinderat, in dem es samt Stadtspitze auch im Jahr 2023 noch Stimmen gibt, die sich gegen eine Straßenumbenennung von NS-Unterstützern und -wegbereitern stemmen.