Der Ellenrieder-Skandal – jetzt mit Fortsetzung
Wer geglaubt hat, die seemoz-Redakteure ließen sich den Rauswurf aus dem Ellenrieder-Gymnasium so mirnichtsdirnichts gefallen, sieht sich getäuscht. Schulleiter Peter Beckmann erhielt vor wenigen Tagen einen Protestbrief der Gewerkschaft, den wir im Anschluss dokumentieren. Dr. Waltraut Liebl-Kopitzki (Leiterin im Amt für Schulen, Bildung und Wissenschaft) wurde in Kopie informiert. Sollte die Stadt ihre Aufsichtspflicht nicht erfüllen, steht eine Information des Regierungspräsidiums an.
Und mit Rügen des Regierungspräsidiums Freiburg hat die Konstanzer Stadtverwaltung ja schon reichlich schlechte Erfahrung. Die Bürgermeister-Boldt-Klatsche in Sachen: Information des Gemeinderats bei der Anhörung im Müller-Esch-Verfahren ist noch in schmerzvoller Erinnerung. Der Husarenritt gegen die Pressefreiheit durch Ellenrieder-Rektor Beckmann könnte ähnliche Folgen, womöglich sogar dienstrechtlicher Art, haben.
Zur Erinnerung: Zur Diskussion um die Bildungspartnerschaft zwischen dem Ellenrieder-Gymnasium und dem Rüstungskonzern EADS wird am 2. Februar vollmundig „die Presse“ in die Schule eingeladen; vor Ort aber stellt sich heraus, dass mit Presse ausschließlich der Südkurier gemeint ist; andere Pressevertreter sind nicht gelitten. Ausdrücklich verzichten will Rektor Beckmann (s.Foto) hingegen auf die seemoz-Redakteure. Als die sich mit Hinweis auf die Pressefreiheit zu gehen weigern, wird auf Beckmanns Geheiß die Polizei gerufen – zwei Streifenbeamte geleiten die beiden seemoz-Redakteure aus der Schule. Das passiert ohne Protest der zahlreich vertretenen Eltern und Lehrer, von den Südkurier-Beschäftigten im Saal ganz zu schweigen. Auch hiesige Presseorgane verschweigen den Eklat.
Protest aber regt sich bei auswärtigen Journalisten-Kollegen von Zürich bis Stuttgart, von München bis Berlin. Noch wird der Provinz-Skandal auf seemoz-Wunsch nicht bundesweit und zeilenträchtig an die große Glocke gehängt. Aber das könnte sich kurzfristig ändern: Nach Maultaschen-Skandal und Mainau-Affäre und Müller-Esch-Klatsche ist man hellhörig geworden in deutschen Redaktionen, wenn es um Konstanzer Geklüngel geht.
Post für Rektor Beckmann
Herrn Peter Beckmann,
Rektor Gymnasium Ellenrieder
Braunegger Straße 29
78462 Konstanz
-per E-Mail –
Betr.: Ausschluss der Journalisten Hans-Peter Koch und Holger Reile von Ihrer presseöffentlichen Veranstaltung im Gymnasium Ellenrieder am 2. Februar über die Bildungspartnerschaft zwischen Ihrem Gymnasium und dem Konzern EADS.
Sehr geehrter Herr Rektor Beckmann,
als Deutsche Journalisten-Union in ver.di Baden-Württemberg, denen die o.a. Journalisten-Kollegen angehören, wenden wir uns heute an Sie, um Sie darauf aufmerksam zu machen, dass der von Ihnen am Donnerstag, den 2. Februar 2012 durch die Polizei veranlasste Ausschluss der beiden Pressevertreter Hans-PeterKoch und Holger Reile gegen geltende Pressegesetze verstößt.
Ihre Veranstaltung war presseöffentlich, was sowohl der Anwesenheit der Pressevertreterin des Südkurier als auch den Äußerungen des Podiumsteilnehmers Jürgen Grässlin aus dem Vorfeld der Veranstaltung zu entnehmen war.
Wir bitten Sie, diesen Verstoß gegebenenfalls zu heilen, sich eventuell zu entschuldigen und den betroffenen Journalisten die Gelegenheit zu geben, die Berichterstattung nachzuholen, die ihnen wegen ihrer Entfernung entgangen ist.
Ob die Betroffenen rechtliche Schritte ergreifen, ist außerhalb unseres Ermessens. Wir sind als Journalisten-Organisation gehalten, Sie auf die Einhaltung der Pressegesetze hinzuweisen und gegebenenfalls unseren Mitgliedern Rechtsschutz zu geben.
Wir bitten Sie zu handeln. Danke und
Freundliche Grüße
Gerhard Manthey, Deutsche Journalisten und Journalistinnen-Union (dju),Fachbereich Medien, Kunst und Industrie, Ver.di Baden-Württemberg, Theodor-Heuss-Str 2,70174 Stuttgart
Nebenbei: Weder Rektor Beckmann noch Amtsleiterin Liebl-Kopitzki haben bisher auf den dju-Brief geantwortet – jetzt dürfte der Fasnachtsdusel verflogen sein, und einer zivilisierten Diskussion steht nichts mehr im Wege.
Autor: hpk
Weitere Links:
Ellenrieders Lehrstunde in Demokratie
Zur Information: Für die Schulaufsicht und die damit zusammenhängenden Angelegenheiten wie die Dienstaufsicht über die Schulleiter und Lehrer usw. sind nach dem Schulgesetz die jeweils übergeordneten Schulaufsichtsbehörden (Staatliches Schulamt, Regierungspräsidium, Kultusministerium) zuständig. Die Schulaufsicht ist nicht Aufgabe des Schulträgers (Stadt). Somit kann hier auch nicht von einer bestehenden Aufsichtspflicht des städtischen Amts für Schule, Bildung und Wissenschaft bzw. seiner Leiterin Frau Dr. Liebl-Kopitzki die Rede sein. Die Amtsleiterin hat das Schreiben zuständigkeitshalber an das Regierungspräsidium weitergeleitet.
Dr. Walter Rügert
Stadt Konstanz, Pressereferent