Der Haushalt 2017/18 und die Windmühlen
In der Gemeinderatssitzung am Dienstag versuchte die SPD mit erheblichem Theaterdonner, die Verabschiedung des städtischen Doppelhaushaltes 2017/18 zu verschieben. Sie sah durch eine von der Stadt überraschend zu leistende Gewerbesteuernachzahlung von acht Millionen Euro die Solidität des Zahlenwerks gefährdet. Die Verwaltung hingegen hielt angesichts eines Haushaltsgesamtvolumens von ca. 475 Millionen Euro für die beiden Jahre an ihrem Entwurf fest.
Starke Worte fand Jürgen Ruff zur Begründung des SPD-Antrags, die Verabschiedung des Haushalts zu verschieben. „Wir wollen einen genehmigungsfähigen Haushalt,“ rief er enthusiastisch in den Saal und deutete damit an, das Regierungspräsidium, das über die Stadt wacht, könne den Haushalt in seiner jetzigen Form am Ende kassieren. Er nannte die Gewerbesteuernachzahlung, die übrigens in den Verantwortungsbereich des Finanzamtes und nicht in jenen der Stadt fällt, einen „Weckruf“. Nur eine Verschiebung des Haushalts ermögliche es, ein neues Zahlenwerk auf soliderer Basis zu verfassen.
Oberbürgermeister Uli Burchardt hielt dagegen: Von den acht Millionen Euro müsse die Stadt aufgrund der „Arithmetik des Finanzausgleichs“ ohnehin nur 2,7 Millionen zahlen. Wolle man einen derart planungssicheren Haushalt aufstellen, wie ihn die SPD fordere, müsse man damit warten, bis das Haushaltsjahr ganz vorbei sei, feixte der OB. Ein ganz normaler Vorgang also, wie auch Stadtkämmerer Hartmut Rohloff betonte: „Es gibt täglich geänderte Steuerbescheide, in diesem Fall ist nur die Höhe ungewöhnlich.“ Außerdem könne man notfalls 2017 einen Nachtragshaushalt beschließen, eine Vertagung des Haushalts hingegen werde die Verwaltung auf Monate hinaus lähmen. Die Abstimmung über den SPD-Antrag fiel eindeutig aus: Nur sechs SPDlerInnen sowie Jürgen Faden (FWK) waren für die Vertagung.
Damit konnten die Spiele beginnen, denn die Haushaltsberatung gibt allen Fraktionen die Möglichkeit, lange Reden zu halten, hier und dort etwas zu bemäkeln, mal wieder an die eigenen Grundsätze zu erinnern, der Verwaltung für ihren Bienenfleiß zu danken – und, last not least, die anderen Gemeinderätinnen und -räte sowie das Publikum herzlich zu langweilen.
Eine heile Welt
Die Haushaltsrede bietet dem Oberbürgermeister eine glänzende Gelegenheit, sich und die Seinen ins beste Licht zu rücken. Uli Burchardt zitierte einleitend ein (angeblich) chinesisches Sprichwort: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“ Klingt schön, aber was heißt das für Konstanz? Sollen die einen eine Große Mauer zum Schutz vor den Schweizern bauen, während die anderen auf dem Bodanrück Windräder errichten? Das alles klang ziemlich verwirrend, und man möchte dem OB mit Konfuzius mahnend zurufen: „Das Handeln ist so schwierig; darf da das Reden unbedacht sein?“
Der Oberbürgermeister jedenfalls schaut optimistisch in eine finanziell rosige Zukunft und sieht als größtes Problem den zunehmenden Mangel an Arbeitskräften. Im Südwesten herrscht nach seinen Angaben bei einer Arbeitslosenquote von derzeit 3,5 Prozent faktisch Vollbeschäftigung. Er erwähnte mit Wohlgefallen die Beteilungsgesellschaften der Stadt wie Stadtwerke, Wobak, Kernstiftung, EBK und TBK, die zusammen pro Jahr noch einmal rund 250 Millionen Euro umwälzen. Gemeinsam mit den Beteiligungen dürfte in den nächsten beiden Jahren also über den Daumen gepeilt eine Milliarde Euro durch die verschiedenen städtischen und stadtnahen Konstanzer Kassen fließen.
Die Pro-Kopf-Verschuldung des städtischen Kernhaushaltes liegt derzeit mit 277 Euro weit unter dem baden-württembergischen Schnitt von 456 Euro, es ist aber absehbar, dass man in den nächsten Jahren neue Schulden machen muss. „Von einem ‚Not-‚ oder ‚Sparhaushalt‘ kann aber nach wie vor keine Rede sein. Wie auch in den vergangenen Jahren werden die Investitionen in die Infrastruktur der Stadt fortgesetzt.“ Der OB schloss mit einer Mahnung: „Dieses ambitionierte Ziel wird […] nur zu erreichen sein, wenn sich Politik und Verwaltung noch stärker auf das Wesentliche konzentrieren und auch künftig bereit sind, auf bestimmte Angebote und Standards zu verzichten.“ Wer worauf zu verzichten bereit sein soll, sagte der Oberbürgermeister leider nicht.
Wohnungsproblem ungelöst
Kritische Töne schlug Peter Müller-Neff (FGL) an. Er bekräftigte, Konstanz sei nicht nur eine Einkaufsstadt, und bedauerte, dass sich der Gemeinderat gegen einen höheren Zuschuss für den Wolfsperger-Film über die Scala-Schließung ausgesprochen hat. Untertanengeist aber klang in seiner Bitte an den OB mit, der möge den Gemeinderat doch auf Augenhöhe und nicht nur als Zustimmungsorgan für die Verwaltung behandeln. Die Grundhaltung des Oberbürgermeisters sei „wir von der Verwaltung sind Profis, Ihr im Gemeinderat seid Laien und habt keine Ahnung, also tut, was wir Euch sagen“. Wenn der OB dem Gemeinderat zunehmend von oben herab kommt, ist es auch Peter Müller-Neff unbenommen, ihm kräftig dorthin zu treten, wo schon bei Konfuzius die Hühneraugen saßen.
Roger Tscheulin (CDU) warf der FGL denn auch gleich vor, sie bejammere Fehler der Vergangenheit, statt den Blick nach vorn zu richten. Er erinnerte an die Zukunftsaufgabe Anschlusswohnen für Flüchtlinge und machte als größte Probleme den Wohnraummangel sowie die Verkehrsanbindung namhaft. Zu letzterer wandte Roland Wallisch (FGL) ein, „die B33 bringt den Stau nur schneller nach Konstanz“.
Holger Reile beklagte für die LLK die Lage auf dem Wohnungsmarkt. „Der Quadratmeter Wohnraum kostet inzwischen im Mittel über 4000 Euro und ist seit 2011 um 42 Prozent teurer geworden. Steigende Grundstücks- und Gebäudepreise werden in der Regel an die Mieterinnen und Mieter weitergereicht, und so sind die Mieten in den letzten Jahren weiter kräftig gestiegen – eine völlig unsoziale Entwicklung.“
Er drängte in diesem Zusammenhang erneut auf eine Umorientierung des Handlungsprogramms Wohnen. „Wir fordern, dass die Stadt Konstanz mehr Mittel für ein soziales Wohnbauprogramm bereitstellt und verlangen darüber hinaus, dass Bauprojekte nur genehmigt werden, wenn auf mindestens 50 Prozent der neu geschaffenen Geschossfläche geförderter Mietwohnungsbau realisiert wird.“ Defizite sah er zudem bei der Personalausstattung der Verwaltung. „Es ist unverantwortlich, die wachsende Aufgabenlast auf dem Rücken der städtischen Beschäftigten abzuladen.“ Außerdem mahnte er Verbesserungen beim Sozialpass sowie einen städtischen Armutsbericht an. Sein ausdrücklicher Dank galt der Verwaltung hingegen für ihre Bemühungen um die Flüchtlingsbetreuung.
Die SPD lehnt ab
Die SPD blieb bei ihrer Linie einer geschlossenen Ablehnung des „Haushalts des Weiterwurstelns nach dem Prinzip Hoffnung“, so Jürgen Ruff. Er bemängelte, die längst fälligen Grundsatzdiskussionen und die strategische Beratung seien ausgeblieben und die acht Millionen Gewerbesteuernachzahlung seien einfach ein zu großes Risiko. Schwachpunkte sah er auch beim Verkehr, etwa bei der Umgestaltung des Zähringerplatzes, sowie in der mangelnden Ausstattung von Schulen.
Den Wind der Veränderung hingegen spürte einmal mehr Heinrich Everke (FDP). Er ist stolz auf das Geleistete wie Kitas, Gemeinschaftsschule und Kongresszentrum und will den ÖPNV stärken und die Seilbahn vorantreiben. Er beklagte Defizite in der Kultur, bei der die Mittel zu sehr auf Institutionen wie Orchester und Theater konzentriert würden. Die freie Kultur hingegen darbe, weshalb er eine Bürgerstiftung zur Kulturförderung vorschlug. Konstanz hat sich in den letzten Jahrzehnten in Everkes Augen erheblich verändert, ist weltoffener geworden und auf dem Weg zur Wissenschaftsstadt. Hier haben, so sein Eindruck, „mittlerweile nicht mehr die Alteingesessenen, die mit ihren roten Nasen in den Weinstuben hocken, das Sagen“.
Für die Behebung der Wohnungsnot hatte Everke einige durchaus originelle Ideen anzubieten und forderte eine Mischung von Wohnen und Arbeiten. Er schlug vor, mehr in die Höhe zu bauen und auf Gewerbebauten – wie in Stromeyersdorf – Wohnungen zu errichten. Womit wir doch wieder bei den Mauern wären.
„Wer noch ganz bei Verstand ist, wird sich nicht mutwillig neben eine einsturzgefährdete Mauer stellen“, lehrte der große Menzius vor 2 300 Jahren. Eine tiefe Erkenntnis – auch wenn sie mit der Konstanzer Haushaltsdebatte nicht das Geringste zu tun hat.
O. Pugliese
Der Haushaltsplan ist hier zu finden: http://www.konstanz.de/rathaus/00743/06855/index.html
Bild: Chinesische Windmühle, Zeichnung von Carl von Canstein (own Work, graphit), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/), via Wikimedia Commons
Zitate: Konfuzius, Gespräche (Lun-yu), übersetzt und herausgegeben von Ralf Moritz, Frankfurt 1983, XII, 3.
Menzius frei nach: Mong Dsi (Mong Ko), aus dem Chinesischen verdeutscht und erläutert von Richard Wilhelm, Jena 1921, S. 156.