Der Klimacamp-Blog (1): Warum Fridays nicht mehr reicht

Seit Anfang August, seit einem Monat also, steht auf dem Pfalzgarten beim Konstanzer Münster ein Klima-Camp. Aufgebaut und rund um die Uhr betrieben von Klima-AktivistInnen ist es ein Zeichen des Widerstands gegen eine viel zu zögerliche Klimaschutzpolitik und ein Zentrum, von dem viele Aktionen ausgehen (sollen). Aber worum geht es den Klima-CamperInnen? Gegen was protestieren sie? Was bewog sie zum Aufbau des Camps? Welche Forderungen haben sie an die lokale Politik? Und was erleben sie tagein, tagaus? Auf seemoz berichten sie künftig mit Texten, Fotos und Videos regelmäßig über bisherige und künftige Ereignisse, über ihre Erfahrungen, ihre Einschätzungen der politischen Entwicklungen – und ihre Lust am Widerstand. Heute lesen Sie den ersten Beitrag.

Stellen Sie sich vor, Sie schlendern durch die Altstadt und Ihnen kommt der Demonstrationszug von Fridays for Future (FfF) entgegen. Falls Sie bis dato nicht wussten, welcher Wochentag gerade war, konnten Sie sich danach sicher sein: Es ist wieder mal Freitag und die Fridays sind wieder unterwegs.

Diese Sicherheit ist seit Anfang August nicht mehr gegeben: Ab sofort können Sie zu jeder Tages- und Nachtzeit Aktivist*innen von FfF begegnen – und zwar direkt neben dem Münster. Wie es dazu kam, dass wir seit einem ganzen Monat dauerhaft streiken, erfahren Sie jetzt.

Die Fridays for Future Bewegung existiert in Konstanz seit Anfang 2019. Mit der Ausrufung des Klimanotstands im Frühjahr 2019 waren wir hoffnungsvoll, dass die Politik die eindringlichen Warnungen der Wissenschaft nun endlich ernst nehmen würde; doch daraufhin folgten weder ausreichende Maßnahmen noch eine wissenschaftlich begründete Klimazielsetzung. Das für die Einhaltung der 1,5 Grad Grenze notwendige Ziel „Klimaneutral 2030“ wurde ein Jahr später sogar von zwanzig Gemeinderät*innen und dem Oberbürgermeister mit einer Stimme Mehrheit abgelehnt.

Im März 2021 folgte dann in Zusammenarbeit mit dem Institut für Energie und Umwelt Heidelberg (ifeu) endlich eine verbindliche Klimazielsetzung: Ein Absenkpfad, der das Ziel hat, dass Konstanz bis 2035 nahezu klimaneutral wird. Nun wartet man auf die Klimaschutzstrategie zur Erreichung dieses Ziels, die das ifeu im Herbst dieses Jahres veröffentlichen will. Doch obwohl Ereignisse wie das Hochwasser im Westen Deutschlands uns mehr als deutlich vor Augen führen, wie ernst die Lage ist, betreibt Konstanz keinen konsequenten Klimaschutz. Abgesehen davon, dass viele einfache Maßnahmen wie eine Verkehrswende, die auch ohne Klimaschutzstrategie angegangen werden könnte, nicht konsequent angegangen werden und selbst winzige Maßnahmen, wie die Sperrung des Stephansplatzes für den Autoverkehr, nicht vorankommen, wird an vielen Stellen sogar in die entgegengesetzte Richtung gearbeitet:–

– Es werden überall in der Stadt noch immer neue Parkhäuser und Tiefgaragen geplant und gebaut. Anstatt bereits seit Ewigkeiten beschlossene Maßnahmen wie die Umwidmung einer Autospur auf der alten Rheinbrücke zu einem Fahrradschutzstreifen umzusetzen, unterstützt man noch immer den Ausbau der B33, einem Klimakillerprojekt, das jedem Versuch einer Verkehrswende in Konstanz im Wege steht.

– Anstatt eine konsequente Wärmewende voranzutreiben, bei der wir unsere Öl- und Gasheizungen austauschen, um stattdessen mit Wärmepumpen und erneuerbaren Nahwärme-Netzen zu heizen, wollen die Stadtwerke 20 Millionen Euro für den Bau einer zweiten Erdgaspipeline verschwenden.

– Anstatt konsequent günstigen, ökologischen Wohnbau aus nachwachsenden, kreislauffähigen Baumaterialien voranzutreiben, werden Grundstücke immer noch an Immobilienhaie verkauft, die dann am Ende Büros oder Luxuswohnungen in Vollbetonweise errichten. Konventionelle Investor*innen-Bauprojekte wie der Brückenkopf Nord zerstören das Klima und sind kein generationengerechter Beitrag zur Stadtentwicklung.

– Anstatt bestehende Parkflächen, wie etwa am Döbeleplatz zu nutzen, um günstige, ökologisch-autofreie Quartiere oder Grünflächen zu schaffen, soll die kostbare innerstädtische Fläche genutzt werden, um Parkhäuser zu bauen.

– Anstatt auf eine echte Reduktion unseres Konsums und unseres Energieverbrauchs hinzuarbeiten, hofft die Politik noch immer auf technologischen Fortschritt (Stichwort „Smart green city“), der ohne Systemveränderung kaum etwas bewirken wird, und schiebt die Verantwortung den einzelnen Bürger*innen zu.

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Unsere Antwort auf die Stadtpolitik ist daher: Anstatt sitzen zu bleiben und still zuzuschauen, stehen wir jetzt auf und schaffen mit unserem Protest eine Öffentlichkeit, die die Stadt dazu bringen wird, ihre eigenen Ziele ernst zu nehmen. Und dieses Mal lassen wir uns nicht mit unfundierten Vertröstungen abspeisen.

Denn eines ist klar: Die Zeit rennt. Wenn wir uns eine lebenswerte Zukunft erhalten wollen, braucht es jetzt einen radikalen Wandel! Die Lage ist ernst, das Fortbestehen der Zivilisation steht auf dem Spiel. Und deswegen können wir das Aussitzen der Politik nicht hinnehmen. Wir müssen alles dafür geben, dass die dringend notwendigen Maßnahmen auf allen politischen Ebenen sofort angegangen und umgesetzt werden.

Um das zu erreichen und den größtmöglichen Druck aufzubauen, gilt: Klimacamp – wir campen, bis ihr handelt!

Text: Frida, Corinna  und Mau vom Klimacamp Konstanz
Fotos von der Demo zur offiziellen Camperöffnung am 6. August / pw

Die nächsten Camp-Termine
Montag, 6. September, 17.30 Uhr: „Fairkochen“ – alle bringen von Zuhause mit, was bald schlecht werden könnte oder nicht mehr verwendet wird. Und im Camp kochen wir dann was Tolles draus.
Dienstag, 7. September, 17.30 Uhr: Camp-Plenum. Mitstreiter*innen sind willkommen.
Mittwoch, 8. September, 15 Uhr: Podiumsdiskussion mit den Bundestag-Direktkandidierenden im Wahlkreis Konstanz – Andreas Jung (CDU), Sebastian Lederer (B90/Die Grünen), Sibylle Röth (Die Linke), Lina Seitzl (SPD). Anmeldung über die Website wählbar2021.