Der lange Weg zur Gleichbehandlung
Die Chancengleichheitsstelle wird ab August neu besetzt, und die in Konstanz bekannte Julika Funk wurde im Gemeinderat jetzt als deren neue Leiterin präsentiert. Großes Lob erhielt Stephan Grumbt, der Behindertenbeauftragte der Stadt Konstanz, von allen Seiten für seine engagierte Arbeit. Grumbt bleibt allerdings im Kampf um eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe und eine echte Inklusion noch viel zu tun, etwa im Bereich von Großveranstaltungen oder in Sachen Barrierefreiheit.
In Konstanz leben 9502 Menschen mit Behinderung, sie machen also eine stattliche Minderheit der etwa 84.000 KonstanzerInnen aus. Davon haben 2036 einen GdB (Grad der Behinderung) 50 und 1708 einen GdB 100. Blind sind 87 Menschen, Schwerbehindertenausweise als Gehbehinderte besitzen 3149, als außergewöhnlich Gehbehinderte 652 und als Hilflose 822 Personen. Dazu kommen 1915 Begleitpersonen. Insgesamt haben in Konstanz 6525 Personen einen entsprechenden Ausweis, der sie etwa zu Freifahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln, verbilligtem Einlass bei Veranstaltungen, einem besonderen Kündigungsschutz oder anderen Nachteilsausgleichen berechtigt.(1)
Eine Frage der Menschenwürde
Dieser Personenkreis war gesellschaftlich lange weitgehend ausgegrenzt, aber spätestens seit der Erklärung von Barcelona aus dem Jahr 1995 gewinnt die Überzeugung an Boden, „dass die Würde und der Wert einer Person ureigene Privilegien sind, die allen Menschen innewohnen, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Rasse, ihrem Alter und ihrer Begabung“.(2) Die Stadt Konstanz ist dieser Erklärung 2008 beigetreten, aber es bleibt noch viel zu tun, man denke etwa an den breiten Widerstand in Deutschland gegen die Aufnahme Behinderter in Regelschulen.
Welch großer persönlicher wie fachlicher Wertschätzung in allen Lagern sich Stephan Grumbt, der städtische Beauftragte für Menschen mit Behinderung, erfreut, wurde bei der Präsentation seines Tätigkeitsberichts 2015-2018 deutlich.(3) Grumbt sieht seine Aufgabe im Einsatz für ein inklusives Konstanz, in dem behinderte Menschen zum Alltag einfach dazugehören.
Zu den Höhepunkten seiner Tätigkeit zählt sein Bericht den Konstanzer Aktionsplan „Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft“, der „die in der Erklärung von Barcelona formulierten Ziele durch einen konkreten Maßnahmenkatalog ergänzt. Der Aktionsplan deckt Maßnahmen in unterschiedlichsten Bereichen ab: Barrierefreiheit im öffentlichen wie privaten Raum, Gleichberechtigung in der Arbeits- und Berufswelt, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Bewusstseinsbildung und Kommunikation, gleichberechtigter Zugang zu Bildung, Kultur, Freizeit und Sport sowie die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Belange von Menschen mit Behinderung bei der Stadtentwicklung.“
Behinderte und Senioren ziehen an einem Strang
Gerade in Sachen Barrierefreiheit arbeitet Grumbt eng mit dem Stadtseniorenrat zusammen und erinnerte daran, dass Menschen mit Behinderung, Alte, aber auch Familien mit Kinderwagen vielfach ähnliche Interessen haben, wenn es etwa um flache Bordsteine, Treppen und andere Hindernisse geht.
Dementsprechend vertritt er deren Interessen etwa auch bei Bauvorhaben wie dem neuen Schwaketenbad, der Erschließung des Hafners oder der Erneuerung der Marktstätte. Er berät BürgerInnen in sozialen Belangen im Zusammenhang mit Behinderung und hält Kontakt etwa zur Philharmonie, der Marketing und Tourismus Konstanz GmbH und hat im Rosgartenmuseum Führungen für blinde und sehbehinderte BesucherInnen unterstützt. „Das Thema Behinderung in seiner Vielfältigkeit betrifft alle Bereiche einer Stadt wie Konstanz und führt idealerweise zur Anwendung der ‚6 R‘ – d.h., die richtige Maßnahme/Bedarf in der richtigen Zeit am richtigen Ort in der richtigen Qualität und richtigen Verhältnismäßigkeit zu den richtigen Kosten umzusetzen.“
Seit 2017 gibt es dafür ein „Forum Inklusion“ für Menschen mit und ohne Behinderung. Außerdem wurde der Beirat für Menschen mit Behinderung „um die Mitwirkung sachkundiger BürgerInnen ergänzt, um ein noch breiteres Spektrum der von Behinderung betroffenen KonstanzerInnen abzubilden und somit Bedürfnisse möglichst fachlich abarbeiten“ zu können. Außerdem präsentiert die Plattform www.konstanz.de/handicap den Zugang zu Verwaltungsthemen für Menschen mit Behinderung sowie allerlei nützliche Informationen rund um Konstanz.
Stiftungsgelder investiert
Die Stadt Konstanz hat von der Liechtensteiner Cerlowa-Stiftung eine Million Euro aus dem Nachlass des Stifters Carl O. Walser erhalten und will diese in den nächsten Jahren für die Inklusion einsetzen. Einiges wurde bereits verwendet: Beispielsweise erhielten drei öffentliche Spielplätze inklusiv nutzbare Gerätschaften (33.000 Euro), es wurden drei CABito Computer für ein barrierefreies Informationssystem angeschafft (10.364 Euro), und für die Bodenindikatoren im Klinikum wurden 35.000 Euro aufgewandt. Inwieweit diese notwendigen Investitionen in die Inklusion unterblieben wären, wenn Stadt oder Spitalstiftung diese hätten selbst bezahlen müssen, kam leider nicht zur Sprache. Anke Schwede (LLK) erinnerte in diesem Zusammenhang (wohl mit einem Blick auf die Spitalstiftung) daran, dass andere soziale Stiftungen deutlich weniger freigebig seien.
Die barrierefreien Toiletten an Fasnacht hingegen schlugen mit 880,60 Euro aus dem Budget des Behindertenbeauftragten selbst zu Buche. Gerade in diesem Bereich sieht Stephan Grumbt auch neben seinem Stammthema, der Barrierefreiheit bei Bauvorhaben, wichtige Zukunftsaufgaben. Er fordert die „Festschreibung von verpflichtenden Maßnahmen zur Barrierefreiheit und gleichberechtigten Teilhabe in ein Veranstaltungs-Konzept der Stadt Konstanz“. In diesem Zusammenhang nannte er Busbegleiter, die bei Großveranstaltungen Menschen mit Behinderungen in den öffentlichen Verkehrsmitteln helfen oder sie auch auf das Veranstaltungsgelände begleiten. Hier sind öffentliche wie private Veranstalter etwa des Seenachtfestes gefragt.
Die Zustimmung zu Grumbts Bericht war einhellig. Anke Schwede (LLK) nannte das Geld „gut ausgegeben“, und Joachim Filleböck (CDU) lobte: „Wo wir auch hinkommen, war Stephan Grumbt schon da“.
Neue Leiterin
Die derzeitige Leiterin der Chancengleichheitsstelle, Christa Albrecht, geht im Herbst 2018 in den Ruhestand. Ihre Nachfolgerin wird nach einer nichtöffentlichen Abstimmung im Gemeinderat Julika Funk (siehe Foto), die unter anderem an der Universität Konstanz studiert, im Gleichstellungsreferat gearbeitet und im Bereich Kulturwissenschaften und Gender Studies publiziert hat. Sie konnte sich im Bewerberinnenfeld wohl sehr deutlich empfehlen.
Keine Parkplätze an Flohmarkttagen
In der Bürgerfragestunde wollte Eckhard Grempels von der Verwaltung wissen, ob sie während des Flohmarktes die Kontrolle des Parkraum im Paradies bewusst eingestellt habe. Nach seinen Angaben waren am Flohmarktwochenende große Teile des Paradieses wie Wallgut- oder Rheingutstraße durch Autos mit auswärtigen Kennzeichen, die dort nichts zu suchen haben, zugeparkt. Ein Rundgang habe ihm gezeigt, dass aber praktisch trotz des hohen Parkdrucks keine Knöllchen verteilt worden seien. Am Montagmorgen nach dem Flohmarkt, als die Einheimischen wieder unter sich waren, sei ihm hingegen schon um kurz nach sieben Uhr eine Ortspolizistin auf Parkberechtigungskontrolle begegnet.
Seine Frage, ob denn am Flohmarktwochenende gar nicht kontrolliert worden sei, sei aber ausdrücklich unbeantwortet geblieben. Grempels will jetzt von der Verwaltung wissen, ob an Tagen, an denen mit vielen auswärtigen Falschparkern auf Anwohnerparkplätzen zu rechnen ist, bewusst nicht kontrolliert werde. Der Oberbürgermeister versprach ihm eine schriftliche Antwort. Man darf gespannt sein, wie diese Antwort ausfällt.
O. Pugliese (Foto: Walter Rügert, Stadt Konstanz)
Anmerkungen:
(1) Wikipedia
(2) Erklärung von Barcelona
(3) Der Bericht sowie weitere Informationen und Kontaktdaten finden sich hier.