Der Müll muss weg (I)

Die neugierige Nachbarin, die im Müll ihrer MitbewohnerInnen schnüffelt, ist ein sattsam bekannter, aber zum Glück vom Aussterben bedrohter Typ Mensch. Solche Schnüffelei ist mittlerweile auch längst überflüssig geworden, da die Entsorgungsbetriebe der Stadt Konstanz eine Abfallstatistik führen und veröffentlichen. Also: Wieviel Müll produzieren wir pro Kopf – und sind wir wirklich die ökologisch aufgeweckten MüllvermeiderInnen und -trennerInnen, für die wir uns so gern halten?

Angesichts der anstehenden Klimakatastrophe ist ein Thema in den Hintergrund geraten, das vor wenigen Jahrzehnten noch für viel Wirbel sorgte: Die Medien publizierten damals Bilder von Erdkugeln, die traurig dreinblickend einen Riesenmüllberg schultern mussten, und jede/r entsann sich noch der sechziger Jahre, als die deutschen Waldränder von alten Kühlschränken, rostigen Waschmaschinen und sonstigem Müll jeder Art gesäumt waren, während gestandene Familienväter wenige Meter entfernt am Kiesteich ganz selbstverständlich den Ölwechsel vornahmen und in den Flüssen Toilettenpapier und Fäkalien, manchmal bedeckt von einem gnädigen Schaumteppich aus Industrieeinleitungen, dem Meer entgegendümpelten.

Müll ist oft unsichtbar

Heute ist das Müllproblem weniger offenkundig: Die Flaschen in den Meeren schwimmen zumeist weit draußen, die Mikropartikel überall in unserer direkten Umgebung sieht niemand, und unsere Plastikmüllbeutel sind so hübsch grün gefärbt und mit allen möglichen beruhigenden Symbolen bedruckt, dass man sie am liebsten zum Frühstück als veganen Brotaufstrich reichen möchte. Dass sie Teil des Problems und nicht die Lösung sind, wird uns bestenfalls klar, wenn mal wieder Bilder von Müllkippen ärmerer Länder der südlichen Hemisphäre um die Welt gehen, auf denen mit Geschwüren aller Art übersäte, sichtbar unterentwickelte Kinder im exportierten „Wohlstands-Müll“ nach Verwertbarem suchen. Oder der Mageninhalt eines kulleräugigen Delphins nur noch … aber lassen wir das, es könnten ja Kinder im Raum sein.

Doch Müll hat auch eine andere, ähnlich handfeste und uns allen viel nähere Seite: Er muss Tag für Tag „entsorgt“ (weggeschafft) werden, wenn eine Gesellschaft sich auf Druck „der“ Wirtschaft schon nicht zu einer wirksamen Müllvermeidung aufraffen kann. Vor fünfzig Jahren ging man noch mit einer dauerhaften Milchkanne in der Hand in den Laden und ließ sich die Milch direkt dort hineinpumpen. Doch dann eröffneten die ersten Supermärkte und mit ihnen kam die Milch auf einmal in Schläuchen und Tetrapacks in die bundesdeutschen Kühlschränke … und die Müllberge wuchsen währenddessen von Jahr zu Jahr immer weiter in die Landschaft hinein.

Wie sieht es heute aus, etwa in Konstanz? Wächst da noch was?

Hier die aktuelle Müllbilanz.

Corona und Siedlungsabfälle

In Konstanz sind die Entsorgungsbetriebe Konstanz (EBK) für die Sammlung der sogenannten Siedlungsabfälle verantwortlich: Rest- und Biomüll, Altpapier, Altglas, Grünabfälle, Wertstoffe und Sperrmüll. Zudem übernehmen sie als privatrechtlicher Dienstleister im Auftrag der Dualen Systeme die Sammlung der Gelben Säcke und den Betrieb der über sechzig Altglascontainer im Stadtgebiet. Das Altpapier nimmt an der Schnittstelle von Verpackungs- und Haushaltsabfällen eine Doppelrolle ein. Diese Siedlungsabfälle machen aber nur etwa 15% aller Abfälle in Deutschland aus. Der Rest verteilt sich auf Gewerbe, Industrie, die Gewinnung von Bodenschätzen und den Bausektor.

Das ist aber kein Grund für Sie, Ihre Hände in Unschuld zu waschen! Im Jahr 2020 kamen in Konstanz insgesamt 429 kg solcher Siedlungsabfälle pro Person zusammen, das waren insgesamt 36.431 Tonnen und damit rund 450 Tonnen mehr als im Vorjahr. Im Durchschnitt haben die KonstanzerInnen also im Vergleich mit 2019 rund 5 Kilogramm mehr in die diversen Tonnen und Säcke geworfen, selbst Corona hat also offensichtlich die Lust, Müll zu produzieren, nicht dämpfen können. Vielleicht ist auch die Annahme, wer im Homeoffice sitze, habe vielleicht die Muße, statt der müllverpackten Fertigpizza unverpacktes Grünzeug vom Markt im schmucken vielwegtauglichen Jutebeutel herbeizuschleppen, ist offenkundig Wunschdenken.

Immerhin: In der Stadt des ersten deutschen Klimanotstandes fallen im deutschlandweiten Vergleich etwas weniger Abfälle an als anderswo: Die 429 Kilogramm pro Person in Konstanz liegen unter der durchschnittlichen Abfallmenge der Deutschen, die im Jahr 2019 mit rund 457 Kilogramm pro Person zu Buche schlug.

Restmüll: Nur 30 Prozent sind hier richtig

Die Restmüllmenge in den grauen Tonnen ist wie in den letzten Jahren so auch 2020 relativ konstant geblieben. Ein leichter Zuwachs ist jedoch auszumachen, denn 2020 wurden insgesamt 11.165 Tonnen Restmüll gesammelt, das sind 131 Kilogramm pro Person. 2014 waren es noch 127 kg pro Nase.

Untersuchungen zeigen allerdings, dass in der Regel zwei Drittel dessen, was in der Restmülltonne landet, gar nicht dorthin gehört. Das sollte zum Nachdenken anregen: Ist wirklich alles, was in die Tonne geworfen wird, nicht mehr für den Wertstoffkreislauf zu gebrauchen? Im Fall von Windeln, Taschentüchern und Kehricht ist die Frage klar zu bejahen. Bei Gläsern, Biomüll, Papier, Holz und anderen Wertstoffen sind eine andere Tonne oder der Wertstoffhof der richtige Entsorgungsweg.

Das meiste also, das sich in der Restmülltonne findet, hat dort schlichtweg nichts zu suchen. Warum es dort hineingeworfen wird – aus Faulheit, aus Unkenntnis oder weil der korrekte Entsorgungsweg etwa für Lacke oder Computerakkus recht beschwerlich und wenig einladend scheint, sei dahingestellt. Es soll ja sogar Menschen, zumeist Männer, geben, die Flaschen bewusst in den Restmüll werfen, weil sie die Grünen nicht ausstehen können und ihnen diese ganzen Tempolimits ohnehin herzlich zuwider sind.

Vermehrtes Koch- und Backvergnügen: Mehr Biomüll

Die gesammelte Menge an Biomüll ist 2020 im Vergleich zu den Vorjahren um rund 400 Tonnen gestiegen. Das entspricht einer Gesamtmenge von 7.349 Tonnen beziehungsweise 87 Kilogramm Biomüll pro Kopf und damit 5 Kilogramm oder 6% mehr Biomüll als 2019. Der Anstieg des Biomülls lässt sich durch kaum etwas anderes als die Corona-Pandemie erklären: Die Schließungen der Gastronomie, das Homeoffice und die Kontaktbeschränkungen haben unmittelbar dazu geführt, dass vermehrt selbst gekocht und gebacken wurde. Dabei fallen natürlich auch mehr organische Abfälle an. Es kann natürlich auch sein, dass die in der ersten Panik im Übermaß gekauften Lebensmittel nicht rechtzeitig vor dem Verderb gegessen werden konnten.

Die Menge an Grünabfällen hingegen, die vor allem bei den Gartenkosaken anfallen, hat sich im Jahr 2020 konstant bei 33 Kilogramm pro Kopf beziehungsweise insgesamt 2.792 Tonnen gehalten.

Gelber Sack: Gegen den Bundestrend

Zahlreiche Schlagzeilen legten nahe, dass Corona zu mehr Verpackungsabfällen aus Plastik geführt habe, die EBK können das für Konstanz allerdings nicht bestätigen. Entgegen dem bundesweiten Trend sind die Verpackungsabfälle, also die Gesamtmenge der Gelben Säcke, in Konstanz nicht merklich gestiegen. Im Durchschnitt haben die KonstanzerInnen etwa 25 kg sogenannter Leichtverpackungen – Verpackungen aus Plastik, Metall und Verbundstoffen – im Gelben Sack entsorgt. Das entspricht der Vorjahresmenge von 2019.

Die EBK erklären sich das mit der zeitweisen Schließung von Gewerbe und Gastronomie. Die Zunahme von Verpackungsabfällen im Privaten ist also eine Verlagerung. Sind die Verpackungen zuvor im Büro, im Gewerbe oder der Gastronomie und damit weitgehend „unbemerkt“ angefallen, so wurden sie 2020 nun zu Hause in den Gelben Sack geworfen. Der eigene Gelbe Sack wird häufiger gewechselt, so werden die Verpackungsabfälle sichtbarer. Die Zunahme der Gelben Säcke im privaten Bereich sollte die KonstanzerInnen dazu anregen, über Strategien zur Reduzierung und Vermeidung von Verpackungsabfällen nachzudenken. Der beste Müll ist bekanntlich jener, der gar nicht erst entsteht.

Text: MM/red, die Fakten in diesem Text stammen zumeist wortwörtlich aus einer Medienmitteilung der EBK, ohne dass diese Passagen jeweils als Zitate kenntlich gemacht werden; eine herkömmliche Zitierweise hätte den Lesefluss zu sehr gehemmt. (Bild: RitaE bei Pixabay)