Der Vorhang fällt für die Jungschauspieler

seemoz-VorhangDass etliche SchauspielerInnen am Konstanzer Stadttheater mit nur 1800 Euro brutto entlohnt werden, ist nun wahrlich kein Zeichen für einen fürsorglichen Arbeitgeber. Darum debattierte der Gemeinderat zuletzt darüber, das Salär der Jungen Wilden wenigstens um 200 Euro monatlich aufzustocken. Die Abstimmung fiel aber mit 18:18 Stimmen gegen die KünstlerInnen aus, obwohl 100 Prozent der Gemeinderätinnen und -räte für das höhere Gehalt waren. Wie das?

Wer versuchen wollte, alle Kippvolten der Diskussion über die SchauspielerInnen-Salärs und diversen Tarife und wirtschaftlichen Zuständigkeiten am Stadttheater zu schildern, würde (selbst wenn er – anders als der Autor dieser Zeilen – ein Kenner dieser Materie wäre), vermutlich ein ganzes Buch schreiben müssen, ähnlich dick wie die Bibel und ähnlich wie diese voll der skurrillen Schnurren. Kurzum: Die tariflichen Regelungen für SchauspielerInnen sind meist undurchsichtig, aber ihre Bezahlung ist fast immer mager.

Mehr Geld fürs Theater

Daran wollte die FGL etwas ändern und beantragte deshalb, dem Stadttheater ab dem Jahr 2016 insgesamt 68.000 € mehr zuzuweisen, „um die Gehälter in der niedrigsten Eingruppierung des Tarifvertrags NV Bühne auf jeweils 2000 € brutto im Monat aufzustocken“. Die spannende und fintenreiche Diskussion über diesen Antrag dürfte die zahlreich anwesenden JungschauspielerInnen gelehrt haben, dass die Bretter, die die Welt bedeuten, vielleicht doch nicht im Stadttheater, sondern im Konstanzer Ratssaal liegen.

Der Gemeinderat war immerhin von rechts bis links geschlossen dafür, dass die SchauspielerInnen dringend mehr Geld verdienen müssen und überhäufte sie mit Lob für ihre herausragende Arbeit, die Konstanz weit über die Stadtgrenzen hinaus in aller Munde hielte.

Aber über die Frage, ob die Stadt diese Gehaltserhöhung denn bezahlen wolle oder ob die Gagenerhöhung nicht Sache des Theaters sei, entbrannten dann heftige Debatten, aus denen das Schauspielerjungvolk vor allem eines lernen konnte: Die Interessen der ArbeitnehmerInnen des Stadttheaters spielen für Verwaltungsspitze wie Intendanz nun wirklich die allerletzte Geige.

Besserung in 2017

Stadtkämmerer Hartmut Rohloff gab eine Linie der Diskussion vor. Es gibt nach seinen Worten eine Budgetvereinbarung zwischen Stadt und Stadttheater, nach der das Theater einen bestimmten Betrag pro Jahr erhält und damit machen kann, was es will. Das Theater hat also die von ihm selbst stets gewünschte Budgetfreiheit und kann mit dem Geld ebenso gut mehr Aufführungen wie bessere Gagen finanzieren. Damit ist es laut Rohloff auch Sache des Theaters – sprich des mit der Stadtspitze gründlich zerstrittenen Theaterchefs Christoph Nix – eine Gagenerhöhung aus seinem eigenen Etat zu bezahlen. Außerdem habe das Stadttheater gerade 230 000 € erwirtschaftet, die der Intendant verwenden könne, wie er will, das Geld für die Gagenerhöhung habe das Theater also allemal und es sei auch nicht, wie behauptet, gezwungen, den erwirtschafteten Betrag als Rücklage zu verwenden.

Die Stadtverwaltung bot dem Theater aber einen Kompromiss an: Das Theater zahlt die Gagenerhöhung für das Jahr 2016, und bei den nächsten Haushaltsberatungen in einem Jahr debattiert man dann darüber, die städtischen Zuweisungen ans Theater entsprechend zu erhöhen, so dass diese Gagenerhöhung ab 2017 dann aus Sicht des Theaters quasi kostenneutral ist.

Stadttheater als Eigenbetrieb?

Einen fundierten Redebeitrag lieferte Anselm Venedey (FWK), der nicht nur forderte, die Angestellten städtischer Betriebe vernünftig zu bezahlen, sondern zudem anregte, das Stadttheater in einen städtischen Eigenbetrieb umzuwandeln. Holger Reile (LLK) forderte ergänzend, Bürgermeister Andreas Osner und Intendant Christoph Nix sollten endlich im Interesse der Schauspieler ihren nonverbalen Krieg beenden, was Osner aufseufzen ließ, „das wünsche ich mir dieses Jahr vom Christkind“.

Nicht die beste Rolle spielte dann Christoph Nix, der in den Rat geholt und befragt wurde, warum er diese Gagenerhöhung nicht aus der Rücklage zahlen wolle. Zugegeben, das war keine einfache Situation für ihn, hatte er doch im Sommer öffentlich gegen den OB und seine zwei Bürgermeister allerkräftigst und teils unter der Gürtellinie ausgeteilt, so dass er sich eines eher frostigen Empfangs gewiss sein durfte. Aber man muss ihm ankreiden, dass er sich nicht für seine unterbezahlten KünstlerInnen stark machte. Er legte vielmehr Wert darauf, dass er seine Rücklagen brauche, falls mal eine Produktion schlecht liefe. Nix kämpfte nicht für seine Leute, sondern für sein Image als der Theatermann mit dem ausgeglichenen Haushalt. Wobei ihm Kämmerer Rohloff in die Parade fuhr, das Theater sei ein Regiebetrieb der Stadt, also quasi ein Amt, und müsse daher keine Rücklagen bilden, eine Kerbe, in die auch der OB hieb.

Arbeitnehmer-Interessen fallen durch

Wie auch immer es sich mit dem haushaltsrechtlichen Status des Stadttheaters verhalten mag: An diesem Abend wurde klar, das die Arbeitnehmer-Interessen für Stadtverwaltung wie Intendant nur Manövriermasse sind und sich von diesen Oberen niemand ernsthaft darum sorgt, wie ein hart arbeitender Mensch in Konstanz mit 1800 € brutto über die Runden kommen soll. Statt dessen schob man den Schwarzen Peter hin und her, und der Gemeinderat stimmte letztlich 18:18 ab, womit der Antrag, die Gagenerhöhung aus dem Stadtsäckel zu bezahlen, keine Mehrheit fand und damit abgelehnt wurde. Auch der Gemeinderat konnte sich letztlich also nicht zu einer unbürokratischen Lösung im Interesse der ArbeitnehmerInnen durchringen, und das in Zeiten, in denen es der Stadt Konstanz wirtschaftlich sehr gut geht. Werktätige, hört diese Signale.

O. Pugliese