„Der Wunsch nach Freiheit lässt sich nicht verbieten“

Zum 25. Mal jährte sich im November das Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), das dem deutschen Staat als Grundlage für die strafrechtliche Verfolgung von Aktivitäten kurdischer Oppositioneller dient, die sich hierzulande gegen staatliche Unterdrückung in ihrer Heimat engagieren. Von der Öffentlichkeit wenig beachtet, verurteilen Gerichte seither immer wieder vermeintliche Mitglieder und AnhängerInnen zu Gefängnisstrafen, verhängen Behörden Demo- und Veranstaltungsverbote, durchsuchen Polizeikräfte Privatwohnungen, Vereins- und Verlagsgebäude. Das Solidaritätsbündnis Rojava nimmt das traurige Jubiläum zum Anlass, am 12.12. mit einer Veranstaltung über die Hintergründe des Verbots zu informieren.

Eingeladen hat die Konstanzer Soli-Initiative dazu Rudolf Bürgel, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Migration/Antirassismus der baden-württembergischen Linkspartei. Der Karlsruher publiziert seit den 80er-Jahren über die deutsche Türkeipolitik und ihre Auswirkungen im Mittleren Osten. Als Teilnehmer an mehreren Delegationsreisen in die kurdischen Gebiete des Landes dokumentierte er etwa den Einsatz deutscher Waffen und fungierte zudem als Beobachter bei Kommunal- und Parlamentswahlen in der Türkei.

Für Bürgel sind die Hintergründe des PKK-Verbots in „der 150-jährigen wirtschaftlich und geopolitisch begründeten deutsch-türkischen Waffenbrüderschaft der herrschenden Klassen beider Länder“ zu suchen. Das Verbot hatte 1993 der amtierende CDU-Innenminister Manfred Kanther vor allem außenpolitisch begründet. Die PKK-Agitation in Deutschland habe ein Ausmaß erreicht, das dem Nato-Partner Türkei nicht mehr zuzumuten sei, hieß es bezeichnenderweise im Verbotsbescheid.

Ein Grundsatz, der bis heute gilt. Je nach politischer Lage in der Türkei zog man die Repressionsschraube an oder lockerte sie etwas. Aktuell gehen Behörden wieder mit harter Hand gegen alle Bestrebungen vor, denen sie das Etikett PKK anhängen können. Nicht nur AnhängerInnen der kurdischen Bewegung bringen das mit Erdogans Marsch in die Diktatur und seine völkerrechtswidrigen Kriege in Syrien in Verbindung, die sich gegen die kurdischen Autonomie-Projekte richten. Berlin will sich mit dem rabiaten Vorgehen offenkundig den geostrategisch und wirtschaftlich wichtigen Bündnispartner gewogen erhalten.

So dehnte das Bundesinnenministerium im März 2017 in einem Rundschreiben das PKK-Verbot de facto auch auf die syrisch-kurdischen Organisationen PYD/YPG/YPJ aus, deren Kampf gegen den IS große Sympathie geweckt hatte. In der Folge hagelte es unter anderem Strafanzeigen, weil auf Demos Symbole der kurdischen Befreiungsbewegung in der Öffentlichkeit hochgehalten wurden. Mit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch türkischer Truppen in die syrisch-kurdische Enklave Afrîn Ende Januar unter Mithilfe deutscher Panzer und den darauf folgenden Protestaktionen eskalierten die Behörden ihren Repressionskurs noch einmal. So belegte man Versammlungen und Veranstaltungen mit schikanösen Auflagen oder versuchte sie gleich ganz zu verbieten.

Bürgel hebt hervor, dass es diese Praxis nur in Deutschland gebe. Zwar schränkten auch anderen EU-Staaten PKK-AktivistInnen ein, ein „vereinsrechtliches Verbot, mit dem sich dann auch das Verbot von Symbolen der Befreiungsbewegung bis hin zu Bildern des PKK-Vordenkers Öcalan rechtfertigen lässt“, sei aber einzigartig. Er verweist auf Belgien, wo 2017 ein Gericht geurteilt habe, „dass die PKK nicht terroristisch sei, sondern im Sinne des Völkerrechts legitimen Widerstand gegen koloniale Unterdrückung leiste.“ Und vor wenigen Wochen, fügt er hinzu, urteilte der Europäische Gerichtshof, dass die PKK zu Unrecht in den letzten Jahren auf der EU-Terrorliste steht.

Der Linkspolitiker ist davon überzeugt, dass die Verbotsstrategie zum Scheitern verurteilt ist. „Solange die Türkei ihren Krieg gegen die Kurden fortsetzt und die Bundesregierung weiter mit Waffenlieferungen Öl ins Feuer gießt, wird die Unterstützung der kurdischen Bewegung sicherlich nicht abnehmen.“ Eine Einschätzung, die von unerwarteter Seite untermauert wird: So urteilt selbst der Verfassungsschutz, die Zahl der PKK-AnhängerInnen in Deutschland sei in den vergangenen 25 Jahren konstant gestiegen, ebenso wie die Spenden an die Befreiungsbewegung.

„Der Wunsch nach Freiheit lässt sich nicht verbieten“, kommentiert das Bürgel, der fordert, nach 25 Jahren das PKK-Verbot endlich aufzuheben. Auch deutsche Linke und Demokraten stünden in der Pflicht, sich dafür zu engagieren. Zum einen, weil es eine demokratische Selbstverständlichkeit sein sollte, gegen die Einschränkung von Grundrechten von zehntausenden kurdischstämmigen MitbürgerInnen aktiv zu werden. Zugleich aber, weil das PKK-Verbot auch zu einer Blaupause für „eine Verschärfung von Sicherheitsgesetzen, den Abbau von Flüchtlingsrechten und generell für Angriffe auf Grundrechte“ mutieren könne.

Allerhand Gesprächsstoff für das Treffen am kommenden Mittwoch im Treffpunkt Petershausen, das den Auftakt macht für eine Reihe weiterer Veranstaltungen im Dezember zum Thema Kurdistan. Sie bilden das Rahmenprogramm der Ausstellung „Back to Rojava – Bilder des kurdischen Aufbruchs in Syrien“ mit Arbeiten des Fotografen Mark Mühlhaus, die das Konstanzer Solidaritätsbündnis vom 18. bis zum 21. Dezember im Konstanzer Bürgersaal zeigt. Dazu bald mehr auf diesen Seiten.

J. Geiger


Der Wunsch nach Freiheit lässt sich nicht verbieten – Nach 25 Jahren das PKK-Verbot endlich aufheben
Mittwoch, 12.12., Treffpunkt Petershausen (Georg-Elser-Platz, 78467 Konstanz), 19.00 Uhr