„Deutschlands nervigster Radfahrer“

Immer häufiger wird das Radfahren Thema der Medien, und das ist (meistens) gut so. Wir haben hier einige Meldungen zusammengestellt, die nicht nur RadfahrerInnen interessieren dürften. Vom Vortrag zur Verkehrswende bis zum Fahrrad im Fernverkehr der Bahn ist so einiges vertreten, was in den letzten Wochen den deutschen Medienwald rauschen ließ. Dazu zählt nicht zuletzt die Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes; allein schon wegen des schönen Titels ist das unser Geschenktipp zu Weihnachten.

Auch Verkehrsminister wie der gegenwärtige brauchen von Zeit zu Zeit eine gute Presse. Darum hat Andreas Scheuer eine Novelle der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und anderer Regelungen vorgelegt. Seine bahnbrechende Erkenntnis: „Wer die Mobilität der Zukunft will, muss jetzt notwendige Anpassungen vornehmen. Es gibt einiges zu tun, um unsere Straßen noch sicherer, klimafreundlicher und gerechter zu machen!“

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Dieselben Leute, die jahrzehntelang nichts getan haben, entdecken plötzlich dringendsten Handlungsbedarf, es ist zum Piepen. Die Pläne aus Bonn, äh: Berlin sehen allerdings einige tatsächliche Verbesserungen vor. Dazu zählen auch (tatsächlich spürbare) Bußgelderhöhungen für das verbotswidrige Parken in zweiter Reihe sowie auf Geh- und Radwegen. Dass das alles eher Placebos für die grüne Grundstimmung im Lande sind, ist unschwer zu erkennen, denn mit einem massiven Ausbau der Radverkehrsanlagen hat das alles wenig bis nichts zu tun.

Neue Verkehrszeichen

Der grüne Rechtsabbiegerpfeil für Autos hat sich in Konstanz-Industriegebiet nicht bewährt und wurde wieder abgeschafft. Für Radfahrer wird jetzt bundesweit ein eigener Rechtsabbiegerpfeil eingeführt. Wenn das geschehen ist, wird man wohl auch in Konstanz an der einen oder anderen Kreuzung über eine solche Regelung nachdenken.

Bisher dürfen Autos auf Fahrradschutzstreifen zwar nicht parken, aber bis zu drei Minuten halten, was logischerweise dazu führt, dass diese Streifen zugeparkt werden und für RadfahrerInnen zumeist gänzlich unbrauchbar werden. In Zukunft soll dort ein generelles Halteverbot gelten. Außerdem soll der Mindestabstand beim Parken vor Kreuzungen erhöht werden, „wenn ein straßenbegleitenderbaulicher Radweg vorhanden ist, der als benutzungspflichtig oder mit Radsinnbildgekennzeichnet ist. Hierdurch soll die Sicht zwischen Straße und Radweg verbessert und dadurch die Sicherheit von Radfahrenden erhöht werden.“ Chapeau.

Auch Parkflächen und Ladezonen für Lastenfahrräder sollen künftig durch ein eigenes Zeichen aufgewertet werden. Ein weiteres neues Verkehrsschild könnte es voraussichtlich auch hinsichtlich des Überholens geben: Mit dessen Einführung „sollen die zuständigen Straßenverkehrsbehörden in Zukunft ein Überholverbot von einspurigen Fahrzeugen (u. a. Fahrrädern) für mehrspurige Kraftfahrzeuge z. B. an Engstellen anordnen können.“ Eine solche Engstelle wäre in Konstanz sicherlich die Laube – zumindest so lange, bis sie zur reinen Bus- und Fahrradstraße erklärt wird.

Und schließlich sollen analog zu den Tempo 30-Zonen in Zukunft „auch Fahrradzonen angeordnet werden können. Die Regelung soll sich an den Regeln für Fahrradstraßen orientieren: Für den Fahrverkehr gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Auch Elektrokleinstfahrzeuge sollen hier künftig fahren dürfen.“

Fahrradmitnahme im Zug

Die Bahn will gemäß diverser Berichte im Internet fahrradfreundlicher werden. In den nächsten sechs Jahren soll der Anteil der Fernverkehrszüge, die Fahrradstellplätze bieten, von 47% auf legendäre 60% gesteigert werden, vorhandene ICEs werden allerdings nicht nachgerüstet. Geplant ist dafür, die Zahl der Fahrradstellplätze pro Zug bei neuen Zügen auf acht zu senken. Dass sich die Bahn mit solchen Meldungen überhaupt an die Öffentlichkeit traut …

„Verkehrswende ist nix für Feiglinge“

Die vhs lädt in ihre Räume in Konstanz ein: „Deutschlands nervigster Radfahrer“, „erfolgreichster Verkehrslobbyist“, „Verkehrsrebell in schwarzem Anzug“, Heinrich Strößenreuther, ist zu Gast. Die vhs bewirbt ihn als „Deutschlands bekanntesten Fahrradaktivisten und Freund klarer Lösungen“. Mit der Kampagne „Radentscheid“ mobilisierte er Berliner, sich für mehr Radverkehr einzusetzen. Gemeinsam bewegten sie die Bundeshauptstadt zur Verkehrswende und erreichten damit Deutschlands erstes Mobilitätsgesetz. Bald 20 Städte folgen und starteten kommunale Bürgerentscheide.

In seinem Vortrag auf Einladung von vhs und HTWG am Montag, 11. November, um 19.30 Uhr in der vhs Konstanz erklärt der Verkehrsexperte, wie „die Verkehrswende von unten“ in Berlin organisiert wurde und wie man die Wende zur nachhaltigen Mobilität und einer lebenswerten Stadt schaffen kann. Im Nachgang des Vortrags findet eine Fragerunde statt.

Fahrradtunnel für Konstanz!

Am Schluss noch eine Meldung, die nur auf den ersten Blick wenig mit dem Fahrrad zu tun hat: Das Eisenbahnkreuzungsgesetz soll dahingehend geändert werden, dass Kommunen sich nicht mehr an der Finanzierung der Beseitigung von Bahnübergängen beteiligen müssen. Hauptziel ist es, den Bahnverkehr zu beschleunigen, indem störanfällige Schranken, Andreaskreuze und ähnlicher Plunder geschleift werden.

Da sich künftig Bund, Land und Bahn die Kosten teilen und die jeweilige stets klamme Kommune nichts mehr dazugeben muss, dürfen wir uns vielleicht bald in Petershausen über schmucke Fahrradtunnel unter der Bahn hindurch freuen, mit breiten Rollbahnen in beiden Richtungen? Zugegeben, das ist ein Witz, denn alles, bei dem die Bahn beteiligt ist (siehe Konstanzer Hauptbahnhof) dauert länger als das Berufsleben eines normalen Verkehrsplaners oder eines noch minderjährigen Journalisten, und erstere werden oft sehr alt.

Aber wenn es schon mit den Tunneln nichts wird, lässt uns allein die Tatsache, dass es ein Eisenbahnkreuzungsgesetz gibt, ruhiger schlafen: Die da oben tun wenigstens so, als hätten sie einen Plan, wie sie unser aller Leben besser und schöner machen könnten.

MM/Luciana Samos (Foto: O. Pugliese)


Veranstaltung: Heinrich Strößenreuther, „Verkehrswende ist nix für Feiglinge“. Montag, 11. November, 19.30 Uhr, in der vhs Konstanz in der Katzgasse. Der Eintritt beträgt 7,00 € und ist für Schüler/-innen und Studierende mit Ausweis, Angehörige der HTWG und mit vhs-Vortragskarte frei.


Quellen:
https://www.fahrradland-bw.de/index.php?id=749&direct=1
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/deutsche-bahn-will-moeglichkeit-zur-fahrrad-mitnahme-ausbauen-a-1294506.html
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/regierung-will-zahl-der-bahnuebergaenge-reduzieren-a-1294693.html#ref=rss